Monthly Archives: Januar 2016

Trübsinnig-tristes Epochenquartett

125.
Der tolle Mensch. − Habt ihr nicht von jenem tollen Menschen gehört, der am hellen Vormittage eine Laterne anzündete, auf den Markt lief und unaufhörlich schrie: „ich suche Gott! Ich suche Gott!“ − Da dort gerade Viele von Denen zusammen standen, welche nicht an Gott glaubten, so erregte er ein grosses Gelächter. Ist er denn verloren gegangen? sagte der Eine. Hat er sich verlaufen wie ein Kind? sagte der Andere. Oder hält er sich versteckt? Fürchtet er sich vor uns? Ist er zu Schiff gegangen? ausgewandert? − so schrieen und lachten sie durcheinander. Der tolle Mensch sprang mitten unter sie und durchbohrte sie mit seinen Blicken. „Wohin ist Gott? rief er, ich will es euch sagen! Wir haben ihn getödtet, − ihr und ich! Wir Alle sind seine Mörder! Aber wie haben wir diess gemacht? Wie vermochten wir das Meer auszutrinken? Wer gab uns den Schwamm, um den ganzen Horizont wegzuwischen? Was thaten wir, als wir diese Erde von ihrer Sonne losketteten? Wohin bewegt sie sich nun? Wohin bewegen wir uns? Fort von allen Sonnen? Stürzen wir nicht fortwährend? Und rückwärts, seitwärts, vorwärts, nach allen Seiten? Giebt es noch ein Oben und ein Unten? Irren wir nicht wie durch ein unendliches Nichts? Haucht uns nicht der leere Raum an? Ist es nicht kälter geworden? Kommt nicht immerfort die Nacht und mehr Nacht? Müssen nicht Laternen am Vormittage angezündet werden? Hören wir noch Nichts von dem Lärm der Todtengräber, welche Gott begraben? Riechen wir noch Nichts von der göttlichen Verwesung? − auch Götter verwesen! Gott ist todt! Gott bleibt todt! Und wir haben ihn getödtet! Wie trösten wir uns, die Mörder aller Mörder? Das Heiligste und Mächtigste, was die Welt bisher besass, es ist unter unseren Messern verblutet, − wer wischt diess Blut von uns ab? Mit welchem Wasser könnten wir uns reinigen? Welche Sühnfeiern, welche heiligen Spiele werden wir erfinden müssen? Ist nicht die Grösse dieser That zu gross für uns? Müssen wir nicht selber zu Göttern werden, um nur ihrer würdig zu erscheinen? Es gab nie eine grössere That, − und wer nur immer nach uns geboren wird, gehört um dieser That willen in eine höhere Geschichte, als alle Geschichte bisher war!“ − Hier schwieg der tolle Mensch und sah wieder seine Zuhörer an auch sie schwiegen und blickten befremdet auf ihn. Endlich warf er seine Laterne auf den Boden, dass sie in Stücke sprang und erlosch. „Ich komme zu früh, sagte er dann, ich bin noch nicht an der Zeit. Diess ungeheure Ereigniss ist noch unterwegs und wandert, − es ist noch nicht bis zu den Ohren der Menschen gedrungen. Blitz und Donner brauchen Zeit, das Licht der Gestirne braucht Zeit, Thaten brauchen Zeit, auch nachdem sie gethan sind, um gesehen und gehört zu werden. Diese That ist ihnen immer noch ferner, als die fernsten Gestirne, − und doch haben sie dieselbe gethan!“ − Man erzählt noch, dass der tolle Mensch des selbigen Tages in verschiedene Kirchen eingedrungen sei und darin sein Requiem aeternam deo angestimmt habe. Hinausgeführt und zur Rede gesetzt, habe er immer nur diess entgegnet: „Was sind denn diese Kirchen noch, wenn sie nicht die Grüfte und Grabmäler Gottes sind?“

Friedrich Nietzsche (1844 – 1900), Fröhliche Wissenschaft, S. 86 (la gaya scienza; 1882)


Die Krähen schrei’n
Und ziehen schwirren Flugs zur Stadt:
Bald wird es schnei’n –
Wohl dem, der jetzt noch – Heimat hat!

Nun stehst du starr,
Schaust rückwärts ach! wie lange schon!
Was bist du, Narr,
Vor Winters in die Welt – entflohn?

Die Welt – ein Tor
Zu tausend Wüsten stumm und kalt!
Wer Das verlor,
Was du verlorst, macht nirgends Halt.

Nun stehst du bleich,
Zur Winter-Wanderschaft verflucht,
Dem Rauche gleich,
Der stets nach kältern Himmeln sucht.

Flieg‘, Vogel, schnarr‘
Dein Lied im Wüsten-Vogel-Ton! –
Versteck‘ du Narr,
Dein blutend Herz in Eis und Hohn!

Die Krähen schrei’n
Und ziehen schwirren Flugs zur Stadt:
Bald wird es schnei’n –
Weh dem, der keine Heimat hat!

Friedrich Nietzsche (1844 – 1900), Die Krähen schrei’n – Vereinsamt – Der Freigeist – Abschied – Heimweh – Aus der Wüste, in: Sämtliche Werke. Kritische Studienausgabe in 15 Bänden – KSA. Band 11: Nachgelassene Fragmente, 1884 – 1885, S. 329 (1884 – 1894)


Auf einem Häuserblocke sitzt er breit.

Die Winde lagern schwarz um seine Stirn.

Er schaut voll Wut, wo fern in Einsamkeit

Die letzten Häuser in das Land verirrn.

Vom Abend glänzt der rote Bauch dem Baal,

Die großen Städte knieen um ihn her.

Der Kirchenglocken ungeheure Zahl

Wogt auf zu ihm aus schwarzer Türme Meer.

Wie Korybanten-Tanz dröhnt die Musik

Der Millionen durch die Straßen laut.

Der Schlote Rauch, die Wolken der Fabrik

Ziehn auf zu ihm, wie Duft von Weihrauch blaut.

Das Wetter schwelt in seinen Augenbrauen.

Der dunkle Abend wird in Nacht betäubt.

Die Stürme flattern, die wie Geier schauen

Von seinem Haupthaar, das im Zorne sträubt.

Er streckt ins Dunkel seine Fleischerfaust.

Er schüttelt sie. Ein Meer von Feuer jagt

Durch eine Straße. Und der Glutqualm braust

Und frißt sie auf, bis spät der Morgen tagt.

Georg Heym (1887 – 1912), Der Gott der Stadt, in: Der ewige Tag, S. 13 (1911)


Zuerst die wirre Prophetie des nahen Todes, dann die ahnungsvolle Kühle des spürbaren Verfalls, zuletzt das ungestüme Wüten einer neuen götllichen Tyrannis – bis wohin hat sich das Rad der Zeit wohl für uns im 21. Jahrhundert weitergedreht?

Ewige Wiederkehr, dekadente Degenration oder zivilisatorischer Fortschritt sind die abstrakten, allzu reinen Denkmöglichkeiten, die sich einem heutigen Epochenrichter anböten, wollte er ein gutes Jahrhundert nach diesen beiden zugleich sensiblen wie kritischen Geistern neuerlich kulturhistorische Bilanz ziehen. Ich allerdings wage nicht, die Rolle eines solchen Richters zu spielen. Einerseits gebändigt durch intellektuelle Redlichkeit im Angesicht einer komplexen, eben konkreten und nicht abstrakten Wirklickeit, andererseits geblendet und sediert durch all die Waren, Dienstleistungen und Produkte, all die Genüsse, Zerstreuungen und Anhaftungen. Derart werden große (Sinn-)Fragen und die sie tragende grundsätzliche Neugier hart demotiviert, herb deklassiert und heftig desavouiert.

Pah – genug der vorgeschobenen, geradezu beschwörenden Zurückhaltung: Versuch gescheitert! Die Dämme bröckeln und knirschen, brechen sodann; der Gedankenstrom ergießt sich ungebremst und ungeschlacht in die Niederungen, reißt dort angelangt Allerlei mit sich, pflügt Schneisen, schlägt Breschen und erschüttert dabei Stadt wie Land gleichermaßen.

Was also ist geworden, wohin hat es sich entwickelt hier im vermeintlichen Zentrum der Welt, an der Speerspitze der kulturellen Entwicklung und wie sieht es in der Peripherie, im Speckgürtel des globalen Dorfes aus?

Globalisierung, Pluralismus und Liberalismus, dieser Triade voran sind Wachstum, Bildung, Freiheit und Wohlstand derzeit die wohlklingend Substantive, die uns der Zeitgeist anbietet, um die erste Hälfte des vergangenen Jahrhunderts vergessen zu machen. Das nagende Bedürfnis zu vergessen, so nachvollziehbar, so von echtem Leid getränkt oder von bloßem Weltschmerz betäubt es sein mag, sei zugestanden, dennoch bleibt fraglich, was in dessen historischer Folge noch so über uns kam, uns unterwanderte und überflügelte. Was war gewesen, was ist geworden, nachdem sich die ungeheurlichsten Abgründe der tiefsten Höllen, schlimmer als sie fiktiv bis faktisch von Nietzsche bis Heym vorgestellt, ja vorgezeichnet worden waren, zweifach aufgetan und wieder versiegelt hatten? Welche kuriosen Ismen brachen sich wirklich Bahn, welche Götter machte sich die Menschen, die Völker der Erde Untertan, was beeinflusst, bestimmt, beherrscht das zeitgenössische Denken? Ist es einfach, zweifach oder vielfach? Gründen sich Entwicklung und Dynamik in einem dialektisch-strukturalen Schicksal oder folgen sie einer bewussten, gar kontrollierten Entscheidung? Wenn gelenkt, wie wird die Wahl getroffen, in bürgerlicher Freiheit und getragen von politscher Verantwortung oder regiert der Eigensinn und niedere Zwecke? Wie divers sind die regionalen, nationalen und womöglich globlen Spielarten der neuen Weltordnung(en)?

Fragen über Fragen sprudeln munter hervor aus dem geborstenen, mentalen Mauerwerk und unterspülen fröhlich die Fundamente des Selbstverständlichen, plätschern durch die Straßen der Städte und in dringen in die Keller der Menschen.

Für die angemessene, also sachliche und umfassende, Bentwortung der angedeuteten Fragekomplexe sollte mutmaßlich ein Großteil des Arsenals der Wissenschaften in Stellung gebracht werden, müsste sicherlich eine stattliche Phalanx an diversen Disziplinen mobilisiert werden. Oder aber ich eifere den verehrten lyrisch-literarischen Vorläufern nach, verzichte also auf solcherlei hehren Anspruch, entsage einfach und entledige mich solcherart bequem allen Ballasts von Ordnung und Methode, Wissen und Wahrheit. Dieser Entschluss klingt einladend, ja verlockend, transformiert gleichsam die Kraft der intellektuellen Wissbegierde in ästhetische Gewalt, verdichtet und verschiebt die Energie, entspannt den Geist und befreit das Bewusstsein.

Auf, auf also – mitten hinein in ein kreuz- und querreimendes Quartett, getragen von lyrischem Leichtsinn heran an schweres Material: Die Vermessung von Gestern und Heute.

Mit einer Verbeugung vor den Dichtern aller Zeiten und ihren Musen, Euer Satorius


Mars in globaler Totale, schlachtet der Generationen in irdenem Feld.

Prinzen gemeuchelt, geschleudert der Blitz nach Ost wie nach West,

Erschüttert der Welten Kreis, geopfert – zerrüttet, selbst der größte Held.

Papier und Licht, von weiß bis grell, besiegeln blutig den trostlosen Rest.

Brüder, frei und gleich, mit Rosen herzlich vereint, gebunden montan,

Mitsam einigen Rechten, ebenso frei, neu erzogen in goldenen Jahr’n.

Der kalten Götter zwei, Zwillingszwist, drei oder fünf, stehen zur Wahl,   

Dialektisch verschränkt – Prometheus und Mammon Gaia zur Qual.

Vereint der Welt Völker von der Blumen Reigen und der Bürger Marsch.

Hinaus ins Blau, in die Schwärze hinein, Grau-Weiss statt Grün-Braun,

Trikont übt Terror, Eins/Null besiegt den Dezimal, nieder metallener Zaun.

Auf zur Arbeit, hin zum Projekt, Fülle dank Mangel der Pole unartig harsch.

Terror die Zweite, plural Wissen und Welt, untreu gebrochen die Sprachen,

Derweil politischer Götter Zorn die Herzen der Hetzer von Neuem beseelt.

In zyklischer Krisis deprimiert, wachsen wir stetig, kehrt wieder die alte Angst,

bar jeder Utopie, des Eigentums voll, hektisch gefläzt in Karriere und Couch.


Oder, um es in den ebenso kurzen wie inspirierenden Worten einer geschätzeten Praktikantin aus den Reihen der Metatext-Redaktion auszudrücken:

Pummelige Puppen pupsen punktuell pures Pudding-Pulver.

Bhagavad Gita feat. 2016 – Mit vorsätzlichem Edelmut hinein in unausweichliche Exzesse

2. Gesang – Über die Erkenntnis

[…]

Wer jede sinnliche Begier,

O Sohn der Pritha, von sich weist,

In sich und durch sich selbst beglückt,

Den, Tapferer, nennt man fest im Geist.

Wen nie ein Leid erschüttern kann,

Kein Freudentaumel überwand,

Wer frei von Gier, von Furcht und Zorn

Ein „Schweigender“ wird er genannt.

Wer nicht frohlockt, nicht mürrisch wird,

Ob Glück, ob Unglück ihn befällt.

In allem frei von Leidenschaft,

Der heißt, o Freund, ein Geistesheld.

Die Schildkröte, berührt man sie,

Zieht alle ihre Glieder ein,

So halte von der Sinnenwelt,

Wer standhaft ist, die Sinne rein!

[…]

 

5. Gesang – Über die Entsagung

[…]

Entsagung zwar und Tätigkeit,

Sie führen beide wohl zum Heil.

Doch wird vor dem Entsagenden

Dem Tätigen der Preis zuteil,

Wer nicht begehrt und wer nicht hasst,

Übt wahrhaft die Enthaltsamkeit,

Entrückt jedwedem Gegensatz

Er von der Bindung sich befreit.

„Vernunft“ (Sankhya), und „Andacht“ (Yoga),

sondern sich.

Kein Weiser spricht so, nur ein Kind,

Wenn eins von beidem man erlangt,

Man aller beiden Frucht gewinnt.

Gleich stehen, wer „Andacht“ sich

Und wer sich der „Vernunft“ befleißt,

Wer nur ein Ziel in beiden sieht,

O Freund, der sieht mit hellem Geist.

[…]

Dem äußern Sinneseindruck fern,

Mit starrem, unverwandtem Blick,

Den Atem durch der Nase Spalt

Bald vorwärtsstoßend, bald zurück,

Wer Sinne, „Herz“, „Vernunft“ beherrscht,

Von Gier, Furcht, Zorn sich hat befreit

Und einzig die Erlösung sucht,

Der ist erlöst für alle Zeit.

[…]

 

6. Gesang – Über die Meditation

[…]

So sitzt er in Ergebenheit.

Wer so im Geist die Andacht übt

Beherrschten Denkens, frei von Gier,

Der geht zum Frieden, zum Verwehn,

Das wurzelt ganz und gar in mir.

Nicht ist ein Yogi, wer zu viel,

Noch auch wer nichts isst, Ardschuna,

Noch wer zu viel des Schlafes pflegt,

Noch wer stets wacht, o Pandava.

Wer maßvoll speist und sich erholt,

Wer maßvoll handelt jederzeit,

Wer maßvoll schläft und maßvoll wacht,

Bei dem tilgt Yoga jedes Leid.

Wer einen wohlbezähmten Sinn

Im Innern tief befestigt hat,

Von keinerlei Begier befleckt,

Der hat Andacht sich genaht.

„Das Licht am stillen Platz,

Das nicht des Windes Hauch bewegt“,

Ein Gleichnis für den Yogi ist’s,

der steten Sinns der Andacht pflegt.

[…]

 

18. Gesang – Über die Befreiung

[…]

Denn der Verzicht ist dreierlei.

Auf Schenken leiste nicht Verzicht,

Auf Buße noch auf Opferung,

Denn Schenken, Buße und Opfer sind

Der Einsichtsvollen Läuterung.

Doch ohne Hang stets übe sie

Und ohne Rücksicht auf die Furcht,

Das ist der ganz entschied’ne Rat,

O Printhasohn, den du gesucht.

Entsagung vorgeschrieb’nen Werks

In keinem Fall sich gebührt;

Wer aus Verblendung dieses tut,

Der wird durch „Dunkelheit“ verführt.

Wer unbequemes Werk nicht tut,

Weil es dem Leib Beschwerde schafft,

Gewinnt nicht des Verzichtes Frucht,

Denn ihn beherrscht die „Leidenschaft“.

Wer vorgeschrieb’nes Werk vollzieht

Ganz ohne Hang und nur aus Pflicht,

Der übt, weil er nicht Lohn erstrebt,

Den „wesenhaften“ Werk-Verzicht.

Der weise „wesenhafte“ Mensch

Auch unerwünschtes Werk nicht scheut

Und frei von Zweifel, frei von Hang,

Am Angenehmen sich nicht freut.

Kein Sterblicher vermag jemals

Das Handeln aufzugeben ganz,

Doch wer aufgibt den Wunsch nach Lohn,

Der strahlt in des Verzichtes Glanz.

[…]

 

Diverse Brahmanen, Krishna und Co., Robert Boxberger (Übers.) und Helmuth von Glasenapp (Hrsg.) (um das 0, +- 300 Jahre), Bhagavad Gita (Das Lied der Gottheit), in: Mahabharata


Das nenne ich mal große Vorsätze für das neue Jahr, die auf spirituellem Sprachniveau, mit prominetem, historisch tiefem Colorit wunderschön gebunden daherkommen. Vom Ursprung zweier Weltreligionen her rühren die Worte von Krishnas Avatar, der Aruna in höchster Not beisteht und ihn weise bis dogmenbildend belehrt und unterweist.

An dieser Poetik und rhetorischen Gewandheit sollte sich der durschnittliche Bibelautor ein Vorbild nehmen und bei den indischen Urmeistern der Weisheitslehre und Sprachbildung Unterweisung suchen. Ex oriente lux mal wieder und wie immer, aber das ist nur meine bescheiden kommentierende Spöttermeinung: Zurückhaltung und Verzicht, Konzentration und Achtsamkeit, dennoch Fortschritt und Wachstum, diese Formel führt in den westlich-östlichen Divan hinter Postmoderne, Neorealismus und Populismus. Von schamanistischem Ethos in seiner ethnograpischen Breite und historischen Tiefe möchte ich garnicht erst anfangen zu fabulieren.

Was bleibt noch übrig von der technisch-wissenschaftlich-industriellen Modernität westlicher Provenienz nach einer tugendhaften Bereinigung alá Yoga? Wieviel digital naitiv darf der urbane Informationskrieger sein, will er noch yoga genug sein für Krischnas hehre Ideale?

Ein wenig mehr Bewusstsein für Grenzen und Folgen der eigenen Gewohnheiten sind sicher nie schädlich. Wenn dann noch ein Quantum lebenslangen Lernens stattfindet, das nicht einzig durch entfremdete Motive angetrieben wird, begründet sich eine moderne Form von minimalem Moralismus. Er würde sich anschließend an einen Moment der Bekenntnis, motiviert durch die Lust am und auf den nächsten Trippelschritt entlang des acht- oder – zeitgemäß und plural besser formuliert – n-fachen Weges mit diversem Ziel: Selbstvervollkommung, Perfektion, Erwachen, Alchemie des Selbst und dergleichen mehr oder in den nihilistisch anmutenden Worten der Erleuchteten aus dem ferneren Osten im Verwehn, durch Verlöschen – Nirvana lockt.

Bis dahin bleibt noch viel Zeit, für Genüsse, Lüste, Freuden und Begehren, all die schönen, angeblich so leidvollen Anhaftungen und Bindungen des Lebens. Zwischen den besinnlichen Tagen, auf deren Ende wir allesamt nun zusteuern, findet es statt das wirkliche Leben, der Alltag, der sie herausfordert, die ach so schönen und allzu guten Vorsätze, wie groß oder klein, nötig oder nutzlos, ernsthaft oder vorgespielt sie auch sein mögen.

Welchen Pfad ihr Euch für das kommende Jahr auch immer vorgezeichnet haben mögt, ich wünsche Euch, dass ihr ihn nicht gänzlich aus den Augen verliert, wenn ihr die genauso wünschenwerten, weil existenziell erfrischenden Ausflüge fern des Weges unternehmt.

Möge es edel und exzessiv gleichermaßen werden, auf ein existenziell erquickendes 2016, Euer Satorius