Bilderfolgen

Wider den Menschen

Patient (Sitting in a circle of a group therapy): I tell myself God has a plan for everyone. Maybe I just haven’t seen it yet.

William Delos: God? God’s fucking plan? Do you believe in Santa Claus, too?

Dr. Lang: All right, William. Do you want to share more of your thoughts with us?

Willam Delos: My thoughts? … Okay. I think … humanity is a thin layer of bacteria on a ball of mud hurtling through the void. I think if there was a god, he would’ve given up on us long ago. He gave us a paradise and we used everything up. We dug up every once of energy and burned it. We consume and excrete, use and destroy. Then we sit here on a neat pile of ashes, having squeezed anything of value out of this planet, and we ask ourselves: „Why are we here?“ You wanna know what I think your purpose is? It’s obvious. You’re here along with the rest of us, to speed the entropic death of this planet. To service the chaos. We’re maggots eating a corpse!

(Woman sobbing)

Patient: What the fuck is wrong with you?

William Delos (Chuckling first, then laughting out. Fade out …)

William Delos (Eward Allen Harris), in: Decoherence Westworld (Staffel 3, Episode 6, 6:09 – 8:00)



Spieglein, Spieglein in meiner Hand, wer ist die schlechteste Gattung im ganzen Land? Die Wespen, die Tauben, die Ratten, vielleicht die Mücken, wären hierzu wohl die meistgenannten Antworten, wenn man „100 Leute auf der Straße fragte“, wie es dereinst bei Ruckzuck immer so schön hieß. Bei der Frage nach der besten Spezies wäre im Gegenzug wohl der Mensch unangefochten auf Platz 1, gefolgt von unseren liebsten Haustiere Hund und Katz oder Kandidaten wie Bienen, Delphine oder Pferde. Nach Kriterien für diese Einstufung zu fragen, erspare ich mir und Euch mal gediegen, denn so sachlich bin ich heute einfach nicht aufgelegt.

So sind wir biblisch gesprochen doch Gottes Ebenbilder, die Krone der Schöpfung gar, und deshalb berufen, über die Schöpfung zu wachen. Zugleich sind wir aber auch übermäßig neugierig, ungehorsam, selbstgefällig und solcherart (erb-)sündig, sodass wir kurzhand aus dem Paradies verbannt und auf den Planeten gesetzt wurden. Andere Religionen sind da ebenso ambivalent und trauen uns alles im Spektrum von „heilig“ bis „verdorben“ zu. Anthropologie und Philosophie, Psychologie und Soziologie, Geschichts- und Poltikwissenschaft differenzieren die Menschheit gleichmaßen schonungslos, ob bloß empirisch oder sogar normativ. Die Bilanz bleibt wenigstens durchwachsen, fällt bisweilen tendenziell doch eher pessimistisch aus.

Und trotzdem möchte ich, wie eingangs bereits behauptet, spekulieren, mögen sich die meisten selbst recht gerne, halten unsere Gattung für gut, fortschrittlich, zivilisiert und dergleichen mehr. All diesen Menschen halte ich die obigen Quellen entgegen, fordere sie auf bar jeder Illusion und ohne Euphemismen mit sich und uns ins Gericht zu gehen. Sind wir wirklich gut im breiten Sinne dieses diffusen Wortes?

Mit selbstkritischem Gruße, Euer Satorius

Ihr könnt schauen, was ihr wollt, aber: Dark

An Freiheit des Menschen im philosophischen Sinne glaube ich keineswegs. Jeder handelt nicht nur unter äußerem Zwang, sondern auch gemäß innerer Notwendigkeit. Schopenhauers Spruch: ´Ein Mensch kann zwar tun, was er will, aber nicht wollen, was er will`, hat mich seit meiner Jugend lebendig erfüllt und ist mir beim Anblick und beim Erleiden der Härten des Lebens immer ein Trost gewesen und eine unerschöpfliche Quelle der Toleranz […]. Nach dem Sinn oder Zweck des eigenen Daseins sowie des Daseins der Geschöpfe überhaupt zu fragen, ist mir von einem objektiven Standpunkt aus stets sinnlos erschienen. Und doch hat andererseits jeder Mensch gewisse Ideale, die ihm richtunggebend sind für das Streben und für das Urteilen.

Albert Einstein (1879 – 1955), Mein Weltbild, S. 416.


Sanfter Trommelwirbel, ein zögerlicher Tusch und verhaltener Applaus tönen durch den digitalen Äther – Quanzlands lebt noch, ich lebe noch:

Urspünglich wollte ich Schopenhauers aphoristischen Ausspruch zur Willensfreiheit zitieren, musste dann jedoch rasch feststellen, dass dieses Zitat bloß vermeintlich von dem verehrten Philosophen stammt, sondern nachweislich eine Verdichtung Albert Einsteins ist, der darin Schopenhauers Philosophem, wenn auch treffend, zusammenfasst.

Soviel als Auftakt – aber warum komme ich überhaupt darauf und was zur Hölle, oder für die Gottlosen unter Euch: was zum Geier, war denn in letzter Zeit bei mir und mit Quanzland los? Klar ist, dass dieser Blog heftig brach lag, während ich mich zeitgleich in einem intellektuellen Ödland herumgetrieben und wenig bis keinen Text hervorgebracht habe.

Offen gestanden kann ich bisweilen nicht einmal tun, was ich will, noch gar vermag ich, zu wollen, was ich will. So weit, so abstrakt – konkret hätte ich in den letzten zwei Jahren hier gerne hunderte von Artikeln platziert und unterdessen mindestens einen Roman und obendrauf ein Dutzend kleinere Textprojekte vorangebracht und abgeschlossen. Aber das Leben hat so seine Eigendynamik(en) und der Wille – hehren Idealen, schönen Utopien und schnöden Vorsätzen zum Trotz – ist und bleibt ein diffuses, unstetes und sonderbares Wesen. Da kann man sich, kann ich mir noch so viel vorstellen, es gibt Bedingungen und Bewegungen unter, außer und über meinem kleinen Ich, die überwältigend und unterminierend sein können; wobei sich mir hierzu die geläufige Metapher vom Ich als Schiffbrüchigem, geklammert an eine winzige Planke inmitten eines endlos scheinenden Ozeans, assoziativ aufdrängt, den dort die Wogen des Meeres bisweilen stürmisch umtoben, der von der schwarzen Tiefe, unermesslich und unergründlich, bedroht wird, ständig in Angst vor dem Unbekannten unter ihm, stets in Furcht vor dem Ertrinken und Verhungern.

Gründe für meinen literarischen Verzicht, gute wie schlechte, gibt es Legion: Vaterschaft, Lust- und Disziplinlosigkeit, Selbstständigkeit, (Zerstreuungs-)Sucht, ein kürzlicher Umzug und eine unbegreiffliche und manchmal unkontrollierbare Werkangst. In der Summe blieb also wenig Zeit und Lust zum Schreiben, gab es viele Hemmnisse und Widerstände.

In einer solchen Situation verfängt der Schopenhauersche Determinismus, tendenziell fatalistisch, reflexiv natürlich optimal, macht er uns doch etwas freier von der Last der utopischen Verantwortung. Einer Verantwortung für all das, was wir irgendwie wollen, irgendwie aber auch nicht, weil wir aus welchen Gründen auch immer nicht dazu kommen, verhindert und gehemmt sind. Ich stelle mir etwas Zukünftiges, moralisch positiv und logisch auch negativ gemeint, vor, will etwas erreichen oder unterlassen, aber dann kommt es anders.

Nun aber genug vom zutiefst persönlichen Hinter- und Untergrund, zurück zur Oberfläche des vermeintlichen Schopenhauer- letztlich aber doch Einstein-Zitats und dessen seriastischen Kontext. Denn immerhin passiv-rezeptiv bleibt für mich Fiktionales, Literatur und Film bzw. vor allem Serie, gewiss zeitlebens wichtig und alltagsprägend. Kurzum, ich habe neuerlich abermals viele nahezu ausnahmslos gute Serien „gebinged“: Utopia, Game of Thrones, Altered Carbon, The Expanse, 100, Twin Peaks, Westworld, The Witcher, Lost in Space, Haus des Geldes, (Fear) The Walking Dead, Black Mirror, um die Wesentlichen und neuesten zu nennen, und eben auch und nicht zuletzt Dark, dessen dritte und zugleich letzte Staffel verheißungsvoll mit unserem einschlägigen Fehlzitat eröffnet wird.

Diese Serie, ihres Zeichens die erste deutsche Netflix-Produktion, hat mich unterdessen besonders gefesselt. Nicht nur, weil sie ein furioser Genremix aus Mystery, Science-Fiction, Horror und Drama, gewürzt mit einer wohldosierten Prise Soap-Opera, ist, sondern weil sie atmopspährisch immens dicht und zumindest bis in die dritte Staffel hinein rezeptive wie intellektuell durchaus anspruchsvoll daherkommt. Bisweilen übertrieben, krud und verworren, schauspielerisch nicht immer grandios, hatte ich dennoch immer den Gesamteindruck einer gelungenen Erzählung. Trotz aller Unwirtlichkeit und Unwirklichkeit bin ich in Winden, dem fiktionalen Ort der Geschehnisse, heimisch geworden, habe mich mit den vielen Figuren, gleich ob Protagonist, Antagonist oder Nebenfigur – eine Differenzierung zumal, die hier höchst brisant bis interessant ausfällt -, angefreundet. Folge für Folge dringt man tiefer ein in die anfangs undurchdringlich scheinende Dunkelheit, enträtselt dabei ein spannendes Mysterium, lernt eine kuriose bis groteske Stadt und ihre dementsprechenden Bewohner kennen, insbesondere die vier zentralen Familie Kahnwald, Nielsen, Tiedemann und Doppler, und verstrickt sich in einen komplexen Plot voller Wendungen, Blendungen, Tief- und Höhepunkten. Was soeben beinahe wie allglattes Marketing klingt, formuliere ich authentisch und taktisch zugleich, denn mehr zum Inhalt zu sagen, wäre töricht und unangemessen, will ich Euch hiermit doch ermuntern, die Serie so zu schauen, wie es meines Erachtens ideal ist: neugierig, naiv und nichtsahnend.

Also nur Mut, denn 26 Folgen in drei Staffeln mit einer durchschnittlichen Spielzeit von einer Stunde pro Folge bleibt greiffbar und erschlagen selbst Serienmuffel nicht durch allzu viel epische Quantität. Ich jedenfalls kann mir gut vorstellen, dass Dark nach Akte X die zweite Serie überhaupt werden könnte, die ich ein zweites Mal schauen werde. Sofern nicht mein Wille und meine Vorstellungen in Zukunft verwirklicht werden und ich stattdessen schreibe, schreibe und noch mehr schreibe. Ich jedenfalls bin gespannt darauf, denn man weiß ja nie genau worauf – komme also, was da will.

Gefangen in der Mitte zwischen Determinismus und Willensfreiheit grüßt, Euer Satorius

Astro(nomie)-Trip

Wer sind wir schon wir winzigen Menschlein? Nichts und nichtig, verglichen mit der Unendlichkeit des uns umgebenden Alls! So unbedeutend und zugleich zerbrechlich, sterblich und bedürftig zumal, dass starkes Selbstvertrauen und jedwede (meist verdeckte, versteckte) Form des Narzissmus wie heftigste Realitätsverleugnung daherkommen. Kosmisch gesehen sind wir „Firlefanz“, wie ein Freund kürzlich treffend bemerkte, Tand,  oder aber freundlich-positiv im Gegenteil ausgedrückt: Ornament, Zierde, Singularität – in Größe, Mächtigekeit und degleichen Machokategorien aber sind und bleiben wir die Opfer der kosmischen Hackordnung.

Dennoch, genau deshalb, wegen Einzigartigkeit, Vielfalt, Vergänglichkeit, Veränderlichkeit, Freiheit und Kreativität sind unsere Existenzen wenn auch winzig, zugleich so unglaublich kostbar, ist insbersondere auch Liebe zum Leben, der Eros Freuds, mehr als ein dahingesäuselte Leerformel. Ob diese tiefe Wertschätzung sich selbst, seinen Freunden, der Familie oder gar der Menschheit gilt, ist hierbei höchstens zweitrangig, denn all diese Formen der (potentiellen) Brillanz erhebt uns über jede bloße Quantität. In der Singularität eines jeden Menschenlebens liegt eine der unermesslichsten Qualitäten. Wir sind zudem physisch-psychische Doublette, ein aus elementarem Stoff(-gemisch) zusammengesetzes Ding, das potentiell aus den gleichen Atomen – vertraut man denn dem Model der modernen Physik bis hinuter auf die ontologischen-existenzielle Ebene – besteht wie all die anderen Entitäten der belebten und unbelebten Natur um uns herum: Steine, Sand, selbst die Sonne, zugleich Staphylokokken, Salamander und Sojaschnitzel und so weiter…

Genug geschleimt, jetzt reicht es, schluss mit dem Narzissmus! Schluss also mit der sanften Seelenmassage, zurück zum realistisch-faktenharten Eingangston: Wir sind aus Sternenstaub – ja! So lyrisch schön und zugleich naturwissenschaftlich zutreffend diese Aussage auch sein mag, so ethisch unermesslich, neural komplex und ontologisch hervorragend (intelligentes) Leben auch immer sein mag, wir sind: bloßer Staub. Verglichen mit den abstrakten, unvorstellbar gigantischen Dimensionen dessen, was zuvor die Philosophen noch schwärmerisch und nach ihnen nun auch die modernen Wissenschaftler tendenziell nüchtern-elegant Universum oder Kosmos genannt haben, sind wir aus nur Marginalien, kleine Lichter in einem Meer aus strahlenden Sternen, in einem Ozean aus gleißenden Galaxien und – hier bricht zwangsläufig jeder Hauch von Poesie – in einer Masse an (Super- & Mega-)Haufen.

Trotz aller unbestreitbaren Vorzüge der Erde und der sie bewohnenden Menschheit reicht bereits ein flüchtiger Seitenblick auf die realitve Skalierung unseres eigenen kleinen Planeten im kosmischen Kontext, um uns eine Lehre in Mäßigung und Demut zu erteilen. Zwei Tugenden, sehr alte Tugenden, die dieser Tage etwas aus der Mode gekommen sind, jedoch nur dann schädlich werden können, wenn man es mit ihnen moralisch übertreibt und sie predigt – Stichwort: (Welt-)Religionen. Die Tiefgläubigen unter uns sind deshalb auch gut gewappnet für die anstehende Reise, können einfach die Schönheit der Schöpfung geniesen, entdecken in ihr womöglich das Werk oder die Präsenz ihrer Konfession der Wahl oder des nachgeburtlichen Zufalls. Jeder (naive) Narzisst jedenfalls und/oder anderweitig Selbstwerbeschädigte sei hier vorsorglich sowie ausdrücklich gewarnt: Die tröstende Passage war kalkuliert platziert, von nun an wird wieder hart und heftig desillusioniert.

Zuvor aber noch eine ernsthafte Frage, eine durchaus rhetorische Frage, deren dennoch bemühte Beantwortung für Euch im Laufe dieses Artikels noch frappant bis brisant werden könnte: Wo befindet Ihr euch gerade? Eine simpel scheinende Frage, nicht wahr? Denkt kurz definitotrisch darüber nach und merkt Euch eure Antwort gut, insbesondere die Maße und Relationen, die das „Wo?–>Da!“ begleiten, und die vermutlich im Gros durch die Einheiten Meter und Kilometer oder mal mit Bezügen zur Erde oder sogar Sonne ausgefallen sein dürfen. Haltet Euch daran gedanklich fest.

Los geht’s also – bloß nicht festhalten! Hier und jetzt – wo und wann das bei Euch auch immer sein mag – beginnt der demütige Astro-Trip. Genau über eurem aktuellen Standort, knapp oberhalb unserer alltäglichen Lebenswelt starten wir, hinfort aus dem Alltag streben wir sogleich, weg von der Erde, hinaus in die Weiten des Weltalls (- ein, wie ich finde, guter Anwärter auf den Titel „Schönstes Wort der deutschen Sprache“). Wir verlassen dafür also zunächst rasch den Bereich unserer leiblich-wirklichen Sinnenumwelt – Meter Adé! Beinahe sofort, nach nur wenigen Sekunden Denkweg, landen wir fern der Anschauung bereits im reinen Denken. Dergestalt führt uns die eingeschlagene Reiseroute direkt hinein in und durch die Elfenbeintürme von Astronomie, Physik und Chemie. Eben noch standen/saßen/lagen wir im Arbeitszimmer/Bett/Wohnzimmer und fragten uns, wo wir sind oder was ich eigentlich von Euch will; vielleicht aber stellt Ihr euch auch schon vor, wie es dort droben wohl tatsächlich ist, da draußen in unserem heimischen Sonnensystem, der lieben Heimatgalaxis Milchstraße oder wagt euch noch weiter nach draußen in ein ominöses, unverschämtes und unbekanntes Universum.

Jetzt aber wirklich los und schwupps: Rocketjump! Mental rauschen wir ungehindert nach oben in den Himmel, kurz hinein in die Vogelperspektive, dann aber wird es plötzlich arg transzendent, deshalb lasse ich hier populärwissenschaftliche Grafiken für sich sprechen, deren Fund im letzten Jahr diesen Artikel hier überhaupt erst ausgelöst hat. Denn die Regionen, die wir betreten, in die wir uns wagen wollen, sind wie gesagt bloß noch vermittelt ansatzweise vorstellbar, eine nur durch Darstellung zugängliche Sphäre von Begriffen und Modellen, welche auf Messung, Gesetzen und gelehrten Spekulationen beruhen.

Bis (oder sogar ob jemals) eines Menschen Auge dieses atemberaubende All autonom erblicken wird, kann noch äonenlang leise-hallende, von fern her klingende Zukunftsmusik geduddelt werden. Derweil vergnügen wir uns mit hübschen Bildern plus klaren und erhellenden Grafiken, während wir uns unterdessen davor hüten sollten, diese Dimension wirklich verstehen, fühlen und begreiffen zu wollen. Es sei denn, wir staunen, oder, wie zuvor gespöttelt, wir erkennen in allem Folgenden das Wirken unseres Gottes, unserer Götter – dann nur zu: Euch allen wünsche ich gleichsam „bon voyage“!

1. Etappenziel: Die Grenzen unseres Heimatplaneten = Erde


Andrew Z. Colvin, Earth’s Location in the Universe (4. April, 201
Markus D., Luftschichten der Erde auf www.nfo-wetter-pohlheim.de (Link zur Originaldatei)

2. Etappenziel: Das heimische Planetensystem = Sonnensystem

Andrew Z. Colvin, Earth’s Location in the Universe (4. April, 2012)

3. Etappenziel: Die Nachbarsterne im galaktischen Spiralarm = Orion-Arm

Andrew Z. Colvin, Earth’s Location in the Universe (4. April, 2012)

4. Etappenziel: Unsere spiralarmige Heimatgalaxis = Milchstraße

Andrew Z. Colvin, Earth’s Location in the Universe (4. April, 2012)

5. Etappenziel: Unser angestammter Galaxien-Haufen = Lokale Gruppe

Andrew Z. Colvin, Earth’s Location in the Universe (4. April, 2012)

6. Etappenziel: Der Haufen der Haufen = Virgo-Superhaufen

Andrew Z. Colvin, Earth’s Location in the Universe (4. April, 2012)

7. Etappenziel: Der heimliche (Mega-)Superhaufen = Lanaikea

Andrew Z. Colvin, Earth’s Location in the Universe (4. April, 2012)

8. Etappenziel: Das Ende unserer Reise, die Grenzen der Ausdehnung (oder der Vermittlung)


Andrew Z. Colvin, Earth’s Location in the Universe (4. April, 2012

8. – 1. Die zurückgelegte Reiseroute im schonungslos ungeschönten Rück- und Überblick


http://www.astro.princeton.edu/universe/

Wow, was für ein Trip! Wenn wir, am Ziel angekommen, dann so im Nichts rumstehen, außerhalb des sich angeblich seit dem Urknall ausdehnenden Universums rumlungern, dann könnten wir hochgerechnet 70 Trilliaden (7*10²²=70000000000000000000000) Sterne gleichzeitig im Blick haben und aus selbigem verlieren. So jedenfalls das Paradigma der modernen Naturwissenschaft, keine Rede dort von Unendlichkeit, nur von super, mega, giga gigantisch großen Zahlen und Dimensionen.

Gemäß besagtem Weltbild ist die Geschichte von allem rasch erzählt, in einer exorbitanten Stauchung erzählter Zeit auf kaum eine Minute Lesezeit: Einst war alles in einem Punkt vereint – die sog. Singularität; dann passierte irgendwas seltsames, es wurde schief und krum, Zeit und Raum begannen – der sog. Urknall; in Raum und Zeit expandierte sodann die zuvor im Knall entstandene Materie, formte sich aus, erkaltete und differenzierte sich aus; bildete daraufhin nach und nach neue Formen, wie Sterne und Planeten, aber auch Schwarze Löcher und Dunkle Materie; brachte nunmehr an freundlichen Orten wie Mutter Erde (und womöglich auch dazwischen) allerlei Leben in seinen abgefahrensten Varianten und Variationen hervor; und schließlich evolutionierte alles Leben und das All expandierte glücklich bis ans Ende seiner Tage, wobei die Debatte über das Ende der Geschichte unter uns Erdenkindern derzeit offen bis kontrovers geführt wird.

Wir Sucher jedenfalls mäßigen uns demütig, werden still vor dem Antlitz des Alls und Angesichts unserer zuvor gegeben, nunmehr klein und irrelevant scheinenden Antwort auf die Frage „Wo?“; wir sind in der gefühlten und ungewissen Unendlichkeit gestrandet, sprechen von Myriaden und messen bei weitem nicht mehr in Metern, sondern in abstrakten, namenlosen Maßeinheiten. Die Äonen aber, die Zeit hingegen blieb stumm und wird das auch bleiben; wo doch schon der Raum uns derart überwältigt, würden die Untiefen der Zeit unseren Horizont wohl endgültig sprengen. Trösten wir uns also mit den warmen Worten vom Beginn, versichern uns somit gleichsam unseres Wertes, verbürgt durch unsere ganz persönliche Singularität; oder einfach dadurch, dass das All schlich unt einfach schön ist. Die Vorstellung zuletzt, dass unsagbar viele Lebewesen überall im All sich gleiche und ähnlich Fragen stellen oder nicht stellen, ist ebenfalls relativierend und kompensierend, Anker und Hafen zugleich.

Was auch immer das Weltall und der Rest im Kern auch sein mögen, gilt: Heilig sind die wortlos Staunenden, seelig noch die, die geflissentlich Gewissheit suchen, verflucht jedoch diejenigen, welche kosmische Wahrheit(en) ihr eigen nennen – ob sie Theologen, Astrologen oder Astronomen sein mögen, den Theos, Logos oder Nomos, also Gott, Sinn oder Gesetz gefunden zu haben glauben! Denn auch wenn mir die Gesetzessuche der Astro-Nomie durchaus sympathisch ist, sich zudem sehr viel mehr Mühe bei der Überzeugungsarbeit seiner Gläubigen gibt und sogar Selbstkritik übt und kultiviert, verbleibe ich in kindlichem Staunen über die große weite Welt des Weltalls – Demut und Maß hin oder her!

In agnostisch-atheologischer Neugier, Euer spätnächtlicher Sternenkucker Satorius

Poets on drugs?!

Alles neu macht Gutenberg, der neue Editor von WordPress. Einiges wurde damit besser, einiges jedoch auch schlechter. Deshalb werde ich von nun an auf die über Jahre hinweg beinahe schon klassisch gewordene Formatierung für TFF und dergleichen Zitationen verzichten, denn sonst müsste wie auch beim Blocktyp Überschrift gänzlich auf Farbe und weitere Formatoptionen verzichten. Da ich das nicht will, Verzicht in dieser Hinsicht keine Optiondarstellt, behelfe ich mir mit einem stark veränderten Absatz-Block und versuche mich ansonsten nicht über die Steuerung von Zeilen und Absätzen aufzuregen.

Dergestalt pflege ich mit dem heutigen Artikel zugleich mit Lyrik-Alarm ein Fomat und mit Bilderfolgen ein Thema, die zwar nicht vom Aussterben bedroht, aber doch selten sind. Gemischt wird das ganze thematisch noch mit Fiktionalen Kleinoden und Denk-Welten und fertig ist der Blogbeitrag:


An den Mond

Füllest wieder Busch und Tal
Still mit Nebelglanz,
Lösest endlich auch einmal
Meine Seele ganz;

Breitest über mein Gefild
Lindernd deinen Blick,
Wie des Freundes Auge mild
Über mein Geschick.

Jeden Nachklang fühlt mein Herz
Froh- und trüber Zeit,
Wandle zwischen Freud‘ und Schmerz
In der Einsamkeit.

Fließe, fließe, lieber Fluß!
Nimmer werd‘ ich froh;
So verrauschte Scherz und Kuß
Und die Treue so.

Ich besaß es doch einmal,
was so köstlich ist!
Daß man doch zu seiner Qual
Nimmer es vergißt!

Rausche, Fluß, das Tal entlang,
Ohne Rast und Ruh,
Rausche, flüstre meinem Sang
Melodien zu!

Wenn du in der Winternacht
Wütend überschwillst
Oder um die Frühlingspracht
Junger Knospen quillst.

Selig, wer sich vor der Welt
Ohne Haß verschließt,
Einen Freund am Busen hält
Und mit dem genießt,

Was, von Menschen nicht gewußt
Oder nicht bedacht,
Durch das Labyrinth der Brust
Wandelt in der Nacht.

   

Johann Wolfgang von Goethe (1749 – 1832), An den Mond (1777)


Liebliches

Was doch Buntes dort verbindet

Mir den Himmel mit der Höhe?

Morgennebelung verblindet

Mir des Blickes scharfe Sehe.

     

Sind es Zelte des Wesires, 

Die er lieben Frauen baute?

Sind es Teppiche des Festes,

Weil er sich der Liebsten traute?

     

Rot und weiß, gemischt, gesprenkelt

Wüßt ich Schönres nicht zu schauen.

Doch wie, Hafis, kommt dein Schiras

Auf des Nordens trübe Gauen?

       

Ja, es sind die bunten Mohne,                                                                                

Die sich nachbarlich erstrecken

Und dem Kriegesgott zu Hohne

Felder streifweis freundlich decken.

    

Möge stets so der Gescheute                                                                          

Nutzend Blumenzierde pflegen

Und ein Sonnenschein wie heute

Klären sie auf meinen Wegen!

     

Johann Wolfgang von Goethe (1743 – 1832), Liebliches (1819; in: West-östlicher Divan – Buch des Sängers)


SONNET 76

Why is my verse so barren of new pride?
So far from variation or quick change?
Why with the time do I not glance aside
To new-found methods and to compounds strange?
Why write I still all one, ever the same,
And keep invention in a noted weed,
That every word doth almost tell my name,
Showing their birth and where they did proceed?
O, know, sweet love, I always write of you,
And you and love are still my argument;
So all my best is dressing old words new,
Spending again what is already spent:
For as the sun is daily new and old,
So is my love still telling what is told.


Was bleiben allen neuen Reizen fern, Eintönig, ohne Wechsel meine Sänge? Und warum schiel‘ ich nicht, wie es modern, Nach neuer Form und seltnem Wortgepränge? Was Schreib‘ ich immer gleich und eines nur Und kleide meinen Sang nach alter Art, Daß jede Silbe weist auf meine Spur Und ihren Stamm und Herkunft offenbart? Muß, Liebster, ich von dir doch immer singen! Du und die Liebe bist mein ganzer Sang, Mein Bestes ist, in neue Form zu bringen Die alte Weise, die schon oft erklang. Alt ist die Sonne, und doch täglich neu, So bleibt mein Herz dem alten Liede treu.

William Shakespeare (1564 – 1616), SONNET 76 (Entstanden: 1592 – 1598; Veröffentlichung: 1609)

Weitere Übersetzungen und Lyrik bis zum Morgengrauen: http://www.deutsche-liebeslyrik.de/europaische_liebeslyrik/shakespeare/shakespeare_76.htm


SONNET 118

Like as, to make our appetites more keen,
With eager compounds we our palate urge,
As, to prevent our maladies unseen,
We sicken to shun sickness, when we purge,
Even so, being tuff of your ne’er-cloying sweetness,
To bitter sauces did I frame my feeding,
And, sick of welfare, found a kind of meetness
To be diseas’d, ere that there was true needing.
Thus policy in love, to anticipate
The ills that were not, grew to faults assured,
And brought to medicine a healthful state,
Which, rank of goodness, would by ill be cured:
   But thence I learn, and find the lesson true,
   Drugs poison him that so fell sick of you.


Wie man, um seine Essenslust zu mehren,
Den Gaumen reizt durch scharfe Arzenein
Und, sich verborgner Leiden zu erwehren,
Aus Furcht vor Krankheit impft die Krankheit ein:
So würzte ich, der ich mich übernommen
An deiner Süße, bitter meinen Trank,
Der Schmerz war als Erholung mir willkommen
Nach zu viel Lust, von Wohlergehen krank.
So dachte Liebe schlau vorauszueilen
Der künft’gen Not und kam zu sicherm Leid;
Die Krankheit sollte den Gesunden heilen,
Der, krank am Guten, suchte Bitterkeit.
Doch lernt‘ ich dies, daß Arzenei wie Gift
Für den ist, den durch dich die Krankheit trifft!

William Shakespeare (1564 – 1616), SONNET 118 (Entstanden: 1592 – 1598; Veröffentlichung: 1609)


Schrieb Shakesspear auf Dope und ergözte sich Goethe am tiefen Opiumschlummer? Zwei Titanen der Literaturgeschichte, fließige und geehrte Männer, sollen solch liederlichen Lastern gefrönt haben, wie man sie höchsten bei Hippie-Poeten, exzentrischen Rockstars und insgesamt bei  zeitgenössischen Stars erwartet und duldet: Dorgen, Rausch und womöglich sogar am Ende auch noch Sucht!

In der aktuellen, durchaus sehr sehenswerten Folge von Terra X, die unter dem Untertitel DrogenEine Weltgeschichte thematisch einschlägig firmiert, werden archäologisch bis literaturgeschichtliche These zu beiden Autoren artikuliert: Von Francis Thackeray werden drogentechnisch positiv getestete Pfeifen präsentiert, nachdem er in den zwei sicherlich gelesenen Gedichten untrügliche Hinweise auf Cannabis gefunden haben wollte – das „Weed“ und die Ode an den anonymen Appetitanreger; vager und weniger empirisch schlagend fällt die an- und die Sendung abschließende Bezichtigung unseres lieben Volksdichters aus, der West und Ost in seiner Biografie vereinend, wohl ein Freund des Mohns und seines wertvollen Saftes gewesen sein soll. Daneben findet ein farbenfroh illustrieter Roadtrip durch die Menschheitsgeschichte statt, währenddessen ein nüchtern-anerkennender Umgang mit dem sooft tabuisierten Grundmotiv des Lebens gepflegt und viel Wissenswertes erzählt wird. Soviel sei angedeutet, denn die Mediathek lockt leichterhand zum Ansehen der eigentliche Quelle: Drogen – Eine Weltgeschichte (1/2). Zwischen Rausch und Nahrung

Ich persönlich lese ja den Mond als starkes und subtiles Symbol, als poetischen Platzhalter für das Objekt der Sehnsucht; wobei ich den Romatikern trotz aller Freakigkeit eher langweilig eine Sucht nach Liebe, eine Begierde nach der sexuellen Lust mitunter, unterstelle. Wein, Weib und Gesang sind zwar die klassischen Genüsse, aber mit dem Begriff des Fetisch wird alles zum potentiellen Objekt des libidinösen Willens. Der Baum am Wegesrand, die Schuhe der galanten Nike, womöglich sogar eine Virtualität wie Warcraft oder perverserweise Tote, Kind und Kegel, alles taugt für den Exzess mit Anhaftungsabo. Ohne Ethos, sei es stoisch strikt oder epikuräisch elegant, droht immer der Wunsch nach und die Wirklichkeit der Wiederholung. Den Psychonauten locken Baudrillards künstliche Paradiese, geschockt durchlebt er Dantes Inferno und verwirrt verlässt er unterdessen Carolls Wunderland ebenso wie Baums Oz und trennt sich von Rabelais Riesen. Was ich damit abschließend und explizit behaupten möchte, wer Trip sucht, der findet ihn überall in der Literatur, denn Fantasie und Rausch, Wonne und Kreativität sind gute alte Freunde.

Euer bilderfolgender und lyrik-alarmierter Gelegenheitsblogger, Satorius

Sommerzwitschern nach der Insel

Auch wenn ich noch nie das Bedürfnis verspürt habe, einen Tweet zu verfassen, noch gar Tweets anderer zu lesen, erlaube ich mir ein kurzes sommerliches Zwitschern, dem jedoch ein kleines Paket an Inhalten an- und nachhängt. Luftig zu beginn, bewegt im Abgang ist also das heutige Motto.

Ich war Camper auf der Ostseeinsel Fehmarn! Jeder hat ja so seine lebenslangen Träume und Projekte; eines meiner Vorhaben: Ich will alle deutschen (Meeres-halb-)Inseln mit Zelt und Fahrrad, wo nötig natürlich auch Auto, besuchen. Bisher sind nicht viele Ziele zu verbuchen: Wangerooge (Klassenfahrt), Rügen (Kurzbesuch), Fischland-Darß-Zingst (2016) und nun also Fehmarn. So viel sei dazu nun also nur eben kurz gezwitschert:

Fehmarn ist eine touristisch gut erschlossene Insel, die bestens zum Campen und befriedigend zum Fahrradfahren einlädt; denn man muss  auf Höhenmeter verzichten können. Ich konnte es einigermaßen und hatte wunderbare 10 Tage auf der Insle, ihren Stränden und vor allem an und in der sie umgebenden Ostsee. Während ganz Deutschland unter der heftigen Hitze litt, ließ ich mich von frischer Seeluft und den Wogen des Meeres erfrischen, laß viel und machten fleißig Yoga. Es war schlicht ein toller Urlaub. Der Ort: Fehmarn im Kreis Ostholstein, ist eine landschaftlich nicht allzu diverse, aber dennoch wunderschöne Insel. Sie bietet neben vielen Ortschaften, die auf „-dorf“ enden, ettliche Campingplätze und viel landwirtschaftlich genutzte Landschaft. Kleine idyllische Dörfer und Höfe im Herzen und wilde Naturstrände drumherum, mit nur wenigen urbanen und hypertouristischen Orten dazwischen laden zum Kennenlernen und Erholen ein. Über enge Landstraßen und staubige Feldweg erreicht man mit dem Fahrrad fast jeden Winkel der Insel, was mir mit knapp 200km Tourenstrecke bis auf ein Areal rund um den wohlklingenden Ort „Gold“ auch gelungen ist beinahe komplett gelungen ist.

Bevor nun aus dem Zwitschern doch wieder ein Gackern wird, schließe ich den Kurzbericht mit zwei neuen Bilderfolgen über und von Fehmarn und verweiße für die Touren und deren Dokumentation auf meinen Account bei Komoot. Damit wird zwar das Netz an Informationen um mich herum engmaschiger, werden die Tentakel, Beine und Augen Legion; aber auch ich füttere gelegentlich gerne die Kraken und Spinnen und Monster im Allgemeinen – guten Appetit damit: Satorius (Link zu meinem Komoot-Benutzer)


Ostseebrandung im Osten von Fehmarn nahe Katharinenhof

Die Markelsdorfer Huk im Nordwesten der Insel

Euch allen einen erholsamen Restsommer und bis bald bei den Wochenendlektüren, Euer Satorius



Gretchenfrage 2.0: Und wann killst du Mutter Erde dieses Jahr?


Liste weiterführender Links zum Themenkomlpex:


Von nun an prellen wir die Zeche – und wir tun dies zudem höchst unsolidarisch, also kaum auf unsere eigene Rechnung, sondern wir schreiben die Kosten auf den Deckel anderer Regionen und zukünftiger Genetationen! Denn der Tag, an dem der globalen Durchschnittsmenschen die Erde dieses Jahr „abgeschossen“ hat, oder genauer und weniger heftig formuliert: ihre Ressourcen und Regeneration „überlastet“ hat, liegt jetzt bereits hinter uns. Deutschlands Durchschnitt fällt dabei noch schlechter aus: Wir Bundesbürger haben Mutter Erde bereits Anfang Mai gekillt und bedürfen zum Erhalt unseres aktuellen Lebensstandards ganze drei Erden. Den Rest unseres Jahres leben wir nun nach dem Motto „Nach uns die Sintflut“ oder, um die Redewendungen letztlich auf die Spitze zu treiben, werden wir dem Mutterschiff Erde zu den sprichwörtlichen Ratten, die das Schiff (wenigstens durch Unterlassung) versenken. 

Mein Zugang mag etwas morbid im Abgang wirken, aber die Drastik der Darstellung dient eindeutig pädagogischen Zwecken, wie insgesamt das zu Grunde liegende Konzept des ökologischen Fußabdrucks. Dabei hat dieser Sachverhalt auch etwas zutiefst Tröstliches, gibt er  uns doch die Verantwortung zurück und erhöht damit unseren Einfluss: Es liegt an uns; wir handeln und unterlassen; jeder einzelne Mensch ist alltäglich gefragt. Ökonomie, Ökologie und insbesondere Politik werden praktisch und konkret, finden bei uns zuhause statt, sind nicht mehr nur theoretisch und abstrakt.

Der Preis dessen, wenn man diese Sache (mit oder ohne den Selbsttest des eigenen Fußabdrucks) denn überhaupt ernst nimmt, ist vermutlich ein gerüttelt Maß an kognitiver Dissonanz, also dem unangenehmen Gefühl und der entsprechenden (verdrängten) Erkenntnis, dass das eigene Handeln und Denken, unser Leben und unsere Werte im Spannungsverhältnis, womöglich sogar im Widerspruch zueinander stehen. Was an dieser Stelle bleibt, ist psychologisch gesehen recht einfach: Umdeutung oder Leugnung der Fakten, Anpassung durch Umgewöhnung des Verhaltens oder eine teuer erkaufte Ignoranz bei fortschreitendem Missverhältnis. Zwei dieser Wege führen in oder an den Abgrund heran, die goldene Mitte ist das Ideal, aber wie die meisten echten Lösungen mit Anstrengung und Verzicht verbunden: Wer will schon radfahren oder laufen, Bus- oder Bahnfahren, statt sich mit dem Auto fortzubewegen; Urlaub in der Nähe, Deutschland oder Europa, machen, statt die weite Welt zu entdecken; globalen Burger, Steak, Käse und Wurst für regionales Gemüse, Obst, Nuss und Brot eintauschen; statt des Filmabends mit Smartphone-Intermezzo bei hellstem Lampenschein und optimalem Klima, einfach nur dasitzen und ohne Strom Spaß haben; zuletzt die luxuriöse Higtech-Stadtvilla in bester Lage räumen und in die spartanische Blockhütte im Wald ziehen?

Nur der Anwärter zum totalen Gutmenschen bejaht hier weitreichend und zweifelsfrei, aber das ist auch nicht der Punkt, denn es geht nicht bloß ums gute Gewissen, sondern um eine ernsthafte Reflexion über das eigene Verhalten. Was und wie weit man seinen Alltag dann verändert, ist überhaupt erst der zweite Schritt nach dem ersten. Spieglein, Spieglein an der Wand, was tue ich und was könnte ich tun, wollte ich besser leben, steht ganz am Anfang und ist mein bescheidenes Artikel-Ziel. Denn nur, wer sich der Möglichkeit von mentalen Misstönen, der besagten „Kognitiven Dissonanz“, öffnet, kann sich selbst überzeugen oder von anderen überzeugt werden. Überreden also, bloßes Erlassen und Verordnen zumal, mag manchem als Mittel demokratisch-liberaler Politik erscheinen, ich jedoch begnüge mich mit diesem Diskursangebot und vertraue den Rest Euch selbst an. Ob daraufhin persönliche Klugheit, kalkulierendes Selbstinteresse, Moralität und was dergleichen mehr ist, letztendlich nur zu Denk- oder gar zu Verhaltensänderung führen, bleibt jedem Selbst überlassen. Wir Westler leben, (fast) wie wir wollen und können wählen – glücklicherweise!

Hoffen und Handlen darf und werde ich. Jedenfalls mir gefiel das Bild nicht, das ich zu sehen bekam, als ich mich zuerst vor den Spiegel stellte, um mich selbstkritisch zu betrachten. Und es geht mir weiterhin noch so, wenn auch nur (noch) relativ, verbrauche ich doch angeblich derzeit nur 1.1 Erden pro Jahr und werde erst ab dem 29.11.2018 zum Täter. Dass meine Opfer namen-, ort- und zeitlos sind, macht die Tat zwar leichter und bequemer, ändert aber nichts an meinem Spiegelbild und bringt die existenzielle Kakophonie zwischen meinen Ohren nicht zum Verstummen. Vielleicht sollte ich alternativ ganz laut „Fake News!“ schreien, mich konsumierend Zestreuen oder schlicht und einfach ganz und gar Betäuben? Eher nicht, wenn ich mir die Tendenz anschaue und eine Prognose auch nur vage vorstelle:

Euer immer-ambivalenter Adept zwischen Gut- und Schlechtmenschentum, Satorius

Lebensräume, die Zweite: utopsiche(s) Gesellschaft(sbecken)

In der heutigen, abermals anonym aufgetauchten Bilderfolge teilen sich drei (von dreißig; wie eine der Metatext-Redaktion vollständig vorliegende, als Anhang dem Video beigefügte Excel-Tabell belegt) Gattungen (Guppy, Garnele, zwei Schneckearten) einen Lebensraum, der perspektivisch monoton auf eine verwackelte Nahaufnahme beschränkt bleibt. Zusammen damit geradzu minimalistisch anmutend, wird im gesamten Video auf eine Tonspur radikal verzichtet, womit das Sehen absoluten Vorrang erhält.

Als Vorbereitung für die zweite Bilderfolge erlaube ich mir jedoch zunächst, ein kleine Portion an Nervennahrung für den hoffentlich neugierigen Kopf zu kredenzen. So bleibt das anschlißende Video nicht so stumm, zusammenhanglos und unvermittelt, wie es das unkommentiert wäre. Drollig sind die Dutzend Tiere sicherlich, wie sie ihr jeweils natürliches Verhalten zeigen: die quirllige Zwerggarnele (Neocaridina davidi var. „Red-Fire“), die verspielten Guppyjungen (Poecilia reticulata spec.) und die träge dahinschlurfenden zwei Arten an Schnecken-Dudes, die gut sichtbaren, blauen Posthornschnecken (Planorbella duryi) und die nur mit Kennerblick (und mit einem detaillierten Fauna-Inventar als Excel-Sheet) unten rechts erkennbaren (Quell-)Blasenschnecken (Physa fontinalis spec.), die kleinwüchsiger sind und ein längsgewundenes Gehäuse mit goldigen Schimmer ihr Häuslein nennen.

Als Gesellschaft, alle zusammen tun sie das, was dieses Hobby, so spannend und reizvoll macht, sie leben gut miteinander, wie sie eben miteinander leben können und sollen und wollen, also artgerecht und plavoll abgestimmt; währendessen lassen sie uns (ja, zwangsweise – zugegeben) teilhaben an ihrem zufriedenen und friedvollen Zusammenleben. Homöostase und Harmonie herrschen hierbei; jede Art hat ihre Nische, ihre Funktion, sozialverträgliches Futter mitsamt Fressverhalten. Keiner knabbert den anderen also an, eines der wichtigsten, wenn selbst auch nur minimales Kriterien für ein sog. Gesellschaftsbecken. Ruhe und Frieden regieren in einem sozialen Kleinod: Blubber-Spaß und Wohlfahrt für alle!



Polizisten und Richter, Beamte und Politiker braucht es hier nicht, Ordnung und Recht, Effektivität und Gerechtigkeit erhalten sich beinahe von selbst, solange das Becken kompetent betrieben, befüttert und gewartet wird. Eine assoziativ naheliegende, tendenziell bissige Parodie-Analogie zu menschlichen Gesellschaften und dem (Nicht-)Funktionieren innerhalb ihres Lebensraumes drängt sich ebenso stark auf, wie ich diesen Impuls präventiv unterbinde. Mir und euch erspare ich damit ein neuerliches zu tiefes Abdriften in die Diskurse der Nacht, wo doch der Ausgang dieses Artikels abermals recht proto-politisch bis trüb ausfallen wird. Wer mag zusätzlich und willig ist, sich und seiner aktuellen Lebenswelt einen simplifizierenden Spiegel vorzuhalten, der denke über folgenden (Kon-)Text nach: (sozialer) Frieden, Population, Ressourcen(um)verteilung, (Arten-)Vielfalt, (subjektiver) Mangel, Konkurrenz, Grenze und Gewalt.

Um eine nachtdiskursive Allusion und deren Abstraktion komme ich also abschließend nicht herum, wie ich insgesamt merke, dass die Lebensräume eine stärkere Affinität zu den Diskursen der Nacht denn zu den Denkwelten entwickeln. Dabei gäbe es aus der Warte unterschiedlichster Wissenschaften, vieles zum Thema beizutragen: Chemie des Aquariumwassers, Physik der Beleuchtung, Biologie auf all ihren Ebenen, Ökonomie des Betriebs beispielsweise. Noch mehr Lebensräume also, noch mehr unterschiedliche Lebenwesen mithin und somit der ethisch brisante Fragekomplex, den ich bewusst twitterfreundlich auf Englisch ausformuliere: Who’s first – (e)quality for all or quality for some?

Für mich ist die Position hier absolut glasklar: Bedingungsloses Grundeinkommen in Form von globaler Grundversorgung und gleiche Grundrechte für alle primären, sekundären und (unschädlichen) tertieren Bewohner – eine analytisch-funktionale Differenzierung, die im Ideal kein moralisches Gefälle legitimieren soll. Die drei Stufen sind daraufhin rasch damit erklärt, dass der Primärbewohner (Guppy) der Hauptbesatz eines jeden Lebensraumes ist, Sekundärbewohner (Schnecke, „Bodenpolizei“) alle hinzugefügten, anspruchsloseren und z.T. maßenhaft vorkommenden Begleiter mit unterstützender Funktion sind und sich zuletzt die Tertierbewohner (Fliegen, Grillen, Schaben, Spinnen) aus diversen Futtertieren und eingewanderten Nicht-Schädlinge zusammensetzen. Die wirklichen Schädlinge (Planarien, Schimmelpilze, Milben und dergleichen) werden begrifflich gesondert und müssen in der Praxis leider aus katgorischen Gründen bestenfalls sanft reduziert oder schlimmstenfalls hart eleminiert werden. Die Gesetzgebung des Notstands also, wobei die Grenze für diese inanimalische Diskriminierung sensibel, offen und durchlässig, von Situation zu Situation verhandelbar ist, Klugheit muss hier her, und vor allem gilt: VORSICHT – Lebensgefahr! Denn jedes Tier, jede Pflanze, auch jeder Pilz, jedes Kleinstleben oder ganz buddhistisch einfach, jedes Lebewesen, dass unseren Lebensraum gewollt oder ungewollt bevölkert hat, besitzt unverbrüchliche Lebensrechte und diese liegen mitunter qua sog. Intelligenz in unserer Verantwortung als Züchter/Halter/Pfleger/Diener von Lebewesen. Dieses prinzipielle Zugeständnis sind wir der (Um- &Tier-)Welt schuldig: Nichts Lebendes ist eine Ware, nichts ontologisch unser Eigentum!

Euer Hohepriester des Lebens und Administrator seiner Räume, Satorius

Die erste Bilderfolge Quanzlands: K(l)eine Utopien in „Bone“ oder Neo-Bied feat. NRx


Nein, wie schön, alles so grün und vital – von wegen!

Dieses prächtige und authentisch-verwackelte Amateur-Video, vermutlich aufgenommen in der Heimstatt besagten Amateurs, wurde mir über die Metatext-Redaktion anonym zugespielt. Es ist daraufhin Anlass geworden, für diesen allusionsreichen, aber letztlich argumentativ viel zu anfänglichen Artikel über eine politisch-pikante Polarität. Dieses Spannungsfeld versteckt sich als reflexiver Abgrund unter und hinter der zunächst beschaulichen bis erbaulichen Fassade eines Terraristik-Heim-Videos; es verbirgt sich eine politisch-brisante Problematik hinter der konkreten Oberfläche. Eine vemeintlich zyklisch wiederkehrende Systematik historischen Ausmaßes kündigt sich schlussendlich an: Rückzug trifft Reaktion!

Beginnen wir am Anfang am Ende, zunächst also auf der schönen Oberfläche: Mit der allzu positiven und allzu unvermittelten Einladung einer hörbar wohlbehaltenen Stimme, die für ein unbestimmtes „Uns“ spricht und den Zuschauer einlädt, einen vermeintlichen realexistierenden Ort namens „Bone“ zu besuchen, was nuschelinduziert an „Bonn“ oder auch „Baun“ erinnern könnte, aber tatsächlich ungewiss bleibt, endet das ansonsten vermeintlich selbstevidente Video.

Das Ganze hier ist, nebenbei und metatextuell bemerkt, der erste Auftritt bewegter Bilder innerhalb der neuerlich auch katergoriell wieder sanft expandierenden Grenzen Quanzlands. Ein neues Medium manifestiert sich damit in unserer bunten und vielfältigen Zwischenwelt und bildet damit den Ursprung für eine neue Unterform des Formats Lichtrausch: die Bilderfolgen. Nicht einzelne, fokussierte Motive, sondern großzahlige Folgen von ca. dreißig, nicht bewusst wahrgenommenen Bildern pro wahrgenommener Sekunde Lebenszeit malgenommen mit der Länge der jeweiligen Folge laden ziemlich hochzahlig zu einer rasanten Serien-Variante des bisher so kontemplativen Lichtrausches ein.

Von diesem singulären, finalen Satz aus also, vielmehr von seinem einzigen semantisch-markanten Wort aus, von diesem Leuchtturm des Sinns her, lässt sich das komplette und inhaltlich sonst unterkomplex scheinende Stück erhellen, durchleuchten und damit in seinen letztlich zutiefst politischen Konsequenzen überhaupt erst verstehen: „Bone“ (Man beachte: kursiv & „Ausrufung“) bezeichnet hierbei in meiner Lesart gewissermaßen nur grammatikalisch-lexikalisch einen echten Ort. Denn dieser profunde Nicht-Ort existiert exakterweise in Form einer virtuellen Utopie und ist damit ontologisch-redaktionell gesehen bloß ein fiktionales Fragment von Quanzland; ein gebrochener Splitter reinster Hyperrealität herausgesprungen aus einer spährischen Blase von Lebenswelt; in der nunmehr ein obskures Cyberkonstrukt seine kristallinen Strukturen chronologisch in die Höhe zu schrauben, zu stapeln beginnt.

Vor allem aber bietet dieses ominöse bis mysteriöse „Bone“ ziemlich viel Leben einiges an Raum, schafft Lebensräume, so viel steht neben aller unötiger Posie ganz faktisch fest und ist für alles Weitere der leitende Impuls. Natur wird dort in diversen Lebensräumen kultiviert, gleichsam geschützt und gehegt, augenscheinlich umfassend umsorgt. Vermutlich von einem gütigen Hausherren, man könnte ihn einen Mäzen des Lebens nennen. Er herrscht, regiert und reguliert das pflanzliche und tierische Leben dort gemäß seiner Gesetze, zugleich stehend unter den komplementären Kategorien, den Idealen von Ökologie wie Ökonomie, wohl immerdar versuchend, eine optimale Synthese aus beidem zu erreichen. Dort in „Bone“ hat er ein echtes Idyll, ein Kleinod von Heimlichkeit und Heiterkeit geschaffen und dafür schlussendlich nüchtern-rhetorisch betrachtet schlicht einen echten Neologismus geprägt. Soweit meine erst aufwärmende An-Interpretation des Videos.

[Kommentar @ Metatext-Redaktion: Vorsicht und Verzeihung lieber Leser! – fortgesetzte Lesegefährdung durch den folgenden Nerd-Absatz nach bereits wiederholt erfolgter Prosa-Poesie-Attacke, die wir schon beinahe als „Lyrik-Alarm!“ klassifiziert hätten]

Für Freunde der lateinischen Sprache und neugierig Etymologen sei nebenbei hinzugefügt, dass es sich prinzipiell um den semantisch unmöglichen Lokativ des substantivierten Adjektivs „bonus“=“gut“ handelt. Soweit der Latein-Bedeutungs-Noob, der aber immerhin ein respektabler Kenner der grammatischen Strukturen ist; der vokablegestählte Bedeutungsforscher hingegen differenziert tiefergehend und entdeckt dabei erstaunt, dass „bouns“ nicht bloß adjektivsch schlicht „gut“ sondern vielmehr auch „brav, gütig, tauglich, tüchtig, nützlich, ehrenhaft etc. pp.“ bedeutet und überdies substantivisch noch soviel meint wie „Ehrenmann, Herr, Kavalier, reichere Leute“, also im Prinzip die Pratrizier im alten Rom bezeichnet haben dürfte.

Es geht also, etymologisch hinter den Neologismus geschaut, um einen kosmopolitisch organisierten Ort, der von guten Gesetzen, geschaffen von einem unsichtbaren Philosophen-König, weise und klug, regiert wird; überdies um eine Welt der natürlichen Tüchtigkeit und der Lebensleistung, wo Taugliche und Untaugliche in kleinen Habitaten artgerecht eingepfercht, wettkämpfend dort gehalten und gezüchtet werden. Einen Förderer des Lebens scheinen wir vor uns zu haben, stillt er doch jedenfalls die Grundbedürfnisse seiner Schutzbefohlenen und lässt überdies der Natur nur wo nötig und dann nur technisch, nach Gusto und Gutdünken ihren sonst so freien Lauf. Mal wird er wohl in seinem Handeln liberal sein, mal paternalistisch, immer irgendwie idealistisch und am Überleben des Habitats und seiner (Primär-)Bewohner interessiert. Gott gewordenen Gutmensch oder terraristschen Spießer könnte man ihn somit auch nennen. Genaueres wissen wir ja derzeit nicht über den Urheber des Videos, die unsichtbaren Hand, die an die Glasgefäße und die Play-Taste gelegt wurde. Wir kennen ja nur ihr Werk und können dabei ihre Präsenz bloß durch Schatten und Schöpfung hindurch, also höchst indirekt erahnen; müssen somit notwendig spekulieren, zum wem die Hand wohl gehört und welche Attribute dem Besitzer der Hand wohl zukommen, welche Ideale womöglich in seinem Kopf herumspucken und wodurch sein Handeln letztlich also beeinflusst wird. Viel Raum trifft auf wenig Substanz.

Theologisch gesprochen suchen wir die Eigenschaften Gottes; hoffen wir, dass wir beim Finden keinem Terrarien-Teufel auf dem Leim gegangen sein werden. Die Klassiker von Allmacht und Allwissen jedenfalls können wir schon mal demütig von der Liste der Attribute streichen. Dennoch kommt dem Halter von Heimtieren, insbesondere bezogen auf die Bewohnern solcher Habitate, eine derart große Macht zu, dass er praktisch relativ nah an Allmacht herankommt. Für die Geschöpfe, die arglos in ihren gläsernen Gefängnissen sitzen, spielt der Protagonist der Bilderfolge eine herausragende, lebensbestimmende Rolle. Er ist gewiss kein Gott, aber etwas konkret sehr Ähnliches ist er schon, eine Art transzendentes Wesen, das jenseits der Lebenswelt der Heimtiere wohnt, Wunder wirkt und seinen Schützlingen willkürlich gewährt und wieder entzieht.

Sollen wir hier netterweise, weil seine Schöpfung ja so hübsch anzuschauen ist, von einem kompetenten Herrscher, einem „tüchtigen Ehrenmann“ der Terraristik ausgehen? Ja das könnten wir, oder nein, das lassen wir, hinterfragen lieber kurz den thematischen Zusammenhang des Videos: Die Haltung (exotischer) Tiere und Pflanzen zu Hause. Denn wie kann sich ein tieferes, gar analytisches Verständnis unseres bewegten, bebilderten „Textes“ entfalten, ohne dass zuvor seine Inhalte thematisch erhellt wurden. Ohne ein wenigstens grundlegendes Vorwissen über die zu beurteilende Materie, das was der Fall ist also, kein legitimes Urteil. Ohne Verfahren und Beweise erscheinen weder Richter noch Angeklagter, noch Zeugen und Anwälte oder gar Polizisten und Henker auf unserer Bühne. Ohne einen vernünftigen Maßstab gibt es hier wie überall keinerlei Gut – ein fataler Eindruck, der tunlichst vermieden werden soll; weil banalerweise das Gute nur dann logisch überhaupt möglich ist, solange Hoffnung und Handlung auf Verbesserung zielen könnten.

Ist unser Halb-Gott mit Kamera nun „gut“ oder „böse“, ein Förderer des Lebens oder bloß ein machtbessener Teufel? Was verbirgt sicht unter der kitschig dekorativen Oberfläche dieser hübschen Heimtier-Oase; was also sind nun eigentlich Ideale und Werte einer „guten“ Terraristik; was also ist nötig, um solche schönen und sogenannten „Becken“ am Leben zu erhalten? Fragen, von deren Beantwortung her erst das nächste im Text verständlich werden wird. Denn die Sprungstelle zur hintergründigen, noch herbeizuführenden Politikdimension des zunächst harmlosen Hobbys erhellt sich argumentative erst ganz allmählich. Der Name des neuen Seiten-Themas deutet die dabei Problematik auch bestenfalls vage an: Lebensräume.

Glücklicherweise, und im Angesicht der Situation ein geradezu kosmisch-komischer Zufall, bin ich selbst Heimtierhalter von allerfrühesten Kindesbeinen an bis heute. Als langjähriger Pfleger von Säugetieren, Reptilien, Amphibien, Insekten und als Züchter diverser Algen, Bakterien, Pilzen und Pflanzen, vermag ich einiges zur Thematik beizusteuern, halte mich aber gerade deshalb maßvoll zurück – versprochen!

Meine Tiere und Pflanzen (dem Stil zuliebe diskriminiere ich den Rest der biologischen Systematik im Folgenden – Tschüss: Algen, Bakterien und insbesondere ihr armen Pilze!) ihrer nirgendwo verbrieften Persönlichkeitsrechte zu berauben, fiele mir persönlich zwar trotzdem nicht ein; ich danke dem Regisseur jedoch dafür, dass er sich für uns seine ethischen Fingerchen schmutzig gemacht hat. Dank ihm bekam ich den Anstoß zu diesem Artikel und beiläufig die Gelegenheit mich zu outen: Ja ich halte Heimtiere, betreibe und beherrsche selbst Lebensräume!

Das Prinzip eines Lebensraumes ist hierbei denkbar simple, wenn auch die Praxis schwierig; für jede Gattung, jede Art und Weise der Haltung beginnt sie mit einer z.T. sehr steilen Lernkurve (Aquaristik war zunächst z.B. meine Nemesis). Es geht also um viel Lebenszeit und Arbeitkraft in Form von Lektüre, Planung, handwerklicher Umsetzung, Wartung und Optimierung. Letztlich zählt dabei immer die einfache Formel: Kenne die Bedürfnisse deiner Pfleglinge, die primären wie Raum, Licht, Wärme, Luft, Nahrung, Wasserqualität ebenso wie die sekundären Bedürfnisse, die sehr teilweise sehr divers sein können, und erfülle sie immerdar bestmöglich. Das klar formulierte Ideal hierbei lautet: Immer mindestens so artgerecht wie nötig und maximal so wie ökonomisch und ökologisch möglich; denn jedes Haus hat begrenzten Raum und jeder Mensch ein limitiertes Budget. Daraus folgt für die Praxis, dass der Schwierigkeitsgrad eines jeden spezifischen Lebensraumes von den technischen und methodischen Anforderungen abhängt, die nötig sind, um seine Bewohner bedürfnis-zu-befriedigen. Der Schimmelpilz (Ha, getrickst!) unter’m Klo beispielsweise lebt Leichterhand, fast wie von selbst; das Multi-Habitat-Gesellschaftsbecken mit 10 Primärbewohnern, die von circa 20 weiteren Tierarten und ebensovielen Pflanzenarten begleitet werden, hingegen erfordert ein hohes Maß an Wissen und Wartung, einen ganzen Technikpark und jahrelange Erfahrung, zudem viel Baumaterial und im Betrieb Unmengen Subsistenzmittel und einiges an Energie. Vor allem aber wird es immer wieder vorkommen, dass harte Entscheidungen über Leben und Tod rational erwogen und emotional vor dem eigenen Gewissen verantwortet werden müssen. Es geht um Leben und Tod.

So weit, so klar, aber was tun, wenn die Komplexität der Lebensraum-Parameter zunimmt, die potentiellen Lösungsstrategien für immer wieder auftauchende Herausforderungen kontrovers sind oder es schlicht keine greifbare Evidenz oder profunde Vorerfahrung gibt – die prognostische Qualität bröckelt manchmal einfach dahin. Gute Entscheidungen jedoch berücksichtigen nicht nur alle relevanten Fakten und die Interessen der betroffenen Lebensform, vor allem müssen sie die Zukunft in den Blick nehmen und kalkulierbar, kontrollierbar machen. Dabei hilft und orientiert ein wenig die Vergangenheit, hilft ein wenig die Erfahrung, aber ein lebensbedrohliches Risiko bleibt notwendig ständig bestehen. Leben ist also bedroht.

Das Offene und Unbestimmte des Werdens lässt sich also weder beim Betreiben häuslicher Lebensräume aufheben, tendenzielle Laborbedingung hin oder her; noch vermag selbst ein idealer Betrieb des großen, menschlichen Lebensraumes, einer ganzen Gesellschaft gar oder sogar das globale Treiben der Menschheit dieses konstitutive Merkmal von Herrschaft und Politik aufzuheben. Ob eine dbzgl. Entscheidung also „gut“ oder nur „richtig“ ist, kann bisweilen bloß retrospektiv und somit selten eindeutig aus der Gegenwart heraus entscheiden werden. Zumal sich Werte und Emotionen, ideologische Blockaden und partielle Interessen als weitere Zumutungen in die sprachliche Gleichung einschreiben. Im Übergang vom Kleinen zum Großen, vom Hobby zur Politik, potenzieren sich die Widerstände und Komplexitäten. Denn wo sich die Heimtiere und Pflanzen in relativ geschlossenen Räumen effizient und diktatorisch regulieren lassen, da ist der mündige Mensch und ist die weite Welt eine unvergleichlich andere Herausforderung an Lebensraum-Politik, an Biomacht, um mit Foucault zu sprechen. Beiden Formen der Herrschaft geht es zuallererst um eine günstige und bestenfalls gütige Regulation von Lebensräumen und ihren Lebewesen, um das Über-Leben beider zu sichern. Hier wie dort ist Präzedenz in der Entscheidung eine seltene Angelegenheit, sind Fakten häufig nicht zweifelsfrei objektiv und Fiktionen nicht einheitlich intersubjektiv vermittelbar. Deshalb, trotz aller konkreten Differenz in Qualität und vor allem Quantität, taugen Terrarium, Aquarium, Paludarium und dergleichen mehr als Miniatur-Modelle für  bio-politische Dynamiken und deren Konzeption. Fortpflanzung, Nahrungsaufnahme, Gesundheit sind in beiden Kontexten bedeutsame (Be-)Handlungsfelder, die es zu kontrollieren und zu prognostizieren gilt, will man hierbei erfolgreich sein. Jedoch reicht die Analogiebildung nicht allzu weit, sprengen also bereits nur wenig höhere und zivilisatorisch feinere Domänen von Politik wie z.B. Wirtschaft, Wissenschaft und Diplomatie den Vergleich der beiden Welten.

Dennoch: Wer als terraristischer Autokrat auf der einen oder als wenig bis stark demokratisch legitimierter Souverän (Führer, König, Kanzler, Parteivorsitzender, Minister, Präsident oder wie auch immer betitelt) auf der anderen Seite die Leitung eines Lebensraumes übernimmt, muss Macht auf Lebewesen ausüben. Schlimmstenfalls bedeutet dies, in die Rolle eines hoffentlich immerhin utilitaristisch motivierten Massenmörders zu schlüpfen. Dann werden Leichterhand der Stabilität oder schlimmer noch der Bequemlichkeit wegen invasive Lebensformen dezimiert oder ganz eliminiert, werden schweren Herzens sekundäre Bewohner zugunsten von primären geopfert und letztlich wird als Ultima Ratio sogar die gutwillige Zerstörung und freiwillige Neuerschaffung eines Lebensraumes, die Apokalypse einer ganzen Welt billigend in Kauf genommen. Frei nach dem kalten reuelosen Optimierungscredo: Schluss jetzt damit; und nochmal von vorne – jetzt aber bitte richtig!

Biopolitik also, das weiß ich als leidgeprüfter Patron von Heimtieren und -pflanzen, ist ein schmutziges Geschäft, wobei Ethik und Edelmut gleichzeitig von Effektivität und Effizienz sowie von Eitelkeit und Eigensinn eingeschränkt werden. In jedem Fall findet eine Form der bewussten oder natürlich-blinden Selektion statt, werden die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen geworfen. Denn auch im gutbürgerlichen Glasskasten tobt, aller Rundumversorgung zum Hohn, eine selektive Schlacht ums Überleben.

Inwieweit nun die Lebensräume im einschlägigen Bewegtbild diesen Idealen genügen oder nicht, kann ich zwar so besehen nur erahnen, glaube aber, den Anspruch der Artgerechtheit erblickt zu haben. Ob und wie weit dieser Anspruch tagtäglich erfüllt und somit geheiligt wird, weiß nur der biopolitische Lebensraum-Halbgott selbst zu sagen; wenn das überhaupt jemand exakt zu sagen vermag. Denn nur wenn Natur und ihre Systematik vollständig verstanden und modellierte worden sind, werden die Kriterien und Bedingungen einer total artgerechten Natursimulation zweifelsfrei ermessen worden sein. So lange das aussteht, bleibt dem ambitionierten Biopolitiker dreierlei zu tun übrig: stete Wachsamkeit, kompetente Pflichterfüllung und besonnenes Eingreifen.

Lebensräume bedürfen, wie jedes andere Hobby, wie jede Form existenzieller Praxis überhaupt, vor allem auch dreierlei: Investition, Aufmerksamkeit und insbesondere Zeit. Womit wir uns nach dem ersten politisch-finsteren Tal der Biopolitik einem zweiten Polit-Abgrund nähern: dem Rückzug ins private Idyll oder der sog. Politikverdrossenheit.

Frustriert von der Komplexität des Systems, der empfundenen Ineffektivität politischer Teilhabe und dem Mär vom alternativlosen Automatismus der Tagespolitk zieht man sich sich sukzessive aus der politischen Öffentlichkeit zurück, man diskutiert und demonstriert nicht mehr, deliberiert und  debattiert nicht mehr und überlässt das tunlichst und gefälligst den Anderen, schlimmestenfalls den bösen Politikern. Wenn sich solcherart die Bürger in ihrem alltäglichen Leben nicht mehr für ihre politischen Belange, die gesamte Gesellschaft und die sie formierenden Regeln und Prozesse interessieren, wird aus vermittelter Selbstherrrschaft zunehmend Fremdherrschaft; aus einer ursprünglichen Demokratie ein andere „…-kratie“.

Ein vermeintlich ewig wiederkehrender Kreislauf vollzieht sich, das Rad der politischen Zeit beginnt sich von neuem zu drehen und historische Veränderungen liegen in der Luft. Klassischerweise dargestellt bei Aristoteles, dem Urvater der politischen Philosophie (erweitert um sein modernes Google/Wiki-Simulakrum), klingt die Reflexion auf dieses Phänomen dergestalt an:

Anzahl der Herrscher Gemeinwohl Eigennutz
Einer(-Wenige) Monarchie Tyrannis
Einige(-Viele) Aristokratie Oligarchie
Alle Politie Demokratie

Derzeit herrscht wohl lokal irgendwas in Richtung von Oligarichie/Demokratie bzw. Aristokratie/Politie, je nach dem, ob Optimismus oder Pessimismus beim einem vorherrschen; oder in ein paar anderen, moderner klingenden Worten: Technokratie, Infokratie und Bürokratie, alles gründlich ökonomisch („kapitalistisch“) eingefärbt. Ganz offiziell besteht eine freiheitlich-demokratische und soziale, rechtsstaatliche und föderale „Bundesrepublik“. Viele Worte, aber wer kennt sie alle schon ganz und gar, weiß exakt, was sie bedeuten sollen; selbst nach Schule und Studium der Materie bleibt ein großer Gedankenraum für Subjektivität übrig. Zumal global gesehen  sowieso die absonderlichsten Permutationen regieren. Es herrschen „X-Kratien“. 

Hinzu kommt, dass laut Aristoteles und vieler seiner namenhaften Fans in der historischen Rezeption, also quer und längs durch in Epochen und Traditoinen der Geistesgeschichte Geschichte an sich als zyklisch gedacht wurde und wird. Es dreht sich also das Rad der Regierungsformen munter und unablässig weiter, ohne dabei je etwas wirklich anderes, so etwas wie echten historischen Fortschritt hervorzubringen – so die Denkart. Eine erzkonservative Vorstellung, die der Pendellogik der meisten modernen Demokratien mit ihrem effektiven Zweiersystem (Links gegen Rechts, bürgerliches Lager vs. sozial(istisch)e Partei, konservative contra progressive Politik) auf fatale Art zu ähneln scheint. Hier ändert die Regierungspartei/-koalititon binär ihren Namen, dort gibt es echte, aber systematische enge Abwechslung; hier scheinbar nur den Wechsel zwischen 0 oder 1 – böse Zugen sprechen sogar aus diversen Gründen (ewige Mitte, politische Ökonomie, wahlfixierter Aktionismus etc.) von dauerhaftem 0,5 -, dort klar klassifizierte Wertebereiche zwischen 0 und 1. Genug der metaphorischen Zahlenanalogie, denn wie dem im analytischen Detail auch immer sei, auch Geschichte lebt: Überall enstehen neue Formen und Varianten des Neuen aus dem Alten, passen sich Mensch und System jeweils veränderten Bedingungen an.

Klar ist: Geschichte permutiert ständig und eventuell gibt es dabei gewisse Grundtypen oder Muster, eine Art politischer Attraktor. Die Zeit jedenfalls ist im Fluß; und wir schwimmen darin oder sitzen bestenfalls mit anderen zusammen in einem kleineren oder größeren Boot; suchen Halt und gründen Familien, Dörfer, Länder bilden Rudel, Herden, Nationen und erfinden Religionen, Ideologien, Strukturen; letztlich vermischt sich sowies wieder alles und mündet in das harmlose Abstraktum: Gesellschaft. Die meisten von uns sitzen also durch Geburt zufällig in dem einen oder anderen der Boote, sind Teil der einen ode anderen Gesellschaft, je nach Charakter und Situation um die Strömungen und Turbulenzen der Historie wissend oder sie geflissentliche ignorierend. Aber jedes Boot, externe Strömungsdynamik hin oder her, wird gesteuert. Es bewegt willentlich, ändert seine Position in einem schwierigen Terrain; weiß nicht, was kommt, was hinter der nächsten Biegung, des Flußes seiner nächsten Eng-, Sprung- und/oder Flachstelle auf ihn zukommt. Fluß oder Ozean, Werden oder Sein, in jedem Fall wird navigiert und das tun immer: Der Menschen.

Denn die tolldreiste, simple-reduzierende Metaphern-Genealogie der sozial-historischen Wirklichkeit führt uns zum Wesenskern der Bildfolgen-Analyse zuück; zur politischen Praxis und der ganz konkreten Frage: Reagieren oder relaxen, ein unklares Verhältnis, ein bisschen von beidem, oder keines – wie die Logik uns gnadenlos und klar gebietet. Oder nicht?!

Bevor ich hier am Ende der Analyse eines schönden Heimvideos, des davon ausgelösten, assoziativ-argumentativen Roadtrips unter die Oberfläche des Phänomens, hin zur Oberfläche der (Bio-)Politik, nun auch noch anfange spekulativ frei zu drehen, zu sinnieren, zu fabulieren, zu explodieren, beende ich die Gedankenkette lieber abrupt mit einem doppelten Text-Fast-Food hinter dessen wiederum eigener Oberfläche sich ganz eigene Abgründe auftun würden.

Das Lager des Reagierens vertritt hierbei historisch konkret eine obskure Ideologie, die sog. Neoreaction oder NRx. Primär im Angelsächsischen verwurzelt ähnelt dieses Amalgam aus Monarchie, Markt und Science-Fiction der Art der Regierungsführung bei unseren lieben Lebensräumen. Mit Hilfe von Technik reguliert ein guter Vater, KI und/oder CEO, den Lebensraum optimal und effizient – Qualityland!

Die Adepten des Relaxens enden schließlich exemplarisch im Neo-Biedermeier, betrieben die extravagantesten Freizeitkativitäten, zerstreuen und optimieren sich unsterschiedlichst: bloggen, bauen Lebensräume, erlernen alte und erfinden neue Handwerke, betreiben krasse Sportarten und reisen pauschal bis abenteuerlich individuell, ernähren sich bewusst vegan bis ohnmächtig industriell. Neo-Bied ist überall und droht, in der wirklichen Lebenswelt noch weniger, wie es in der digitalen Technik-Blase mit ihren autistischen Tendenzen lockt – Stichwort: MEINE Virtualität. Umgeben sind wir von einem Wirr-Warr an Produkten und Dienstleistungen, Netzwerken und Plattformen, Freunden und Folllowern. Wir leben dort, wo sich permanent alles Mögliche ereignet, und existieren dann, wann sich mit nur einem Klick respektive Tap alles permanent warenförmig verwirklichen lässt – hierbei rhetorisch-polemisch mal eine perverse bis paradoxe Ressourcenvielfalt angenommen: Viel hart erarbeitetes Gehalt ausgeben in einer zugleich und zeitgleich stattfindenden, üppigen wie erholsamen Freizeit. Ein klassisches Dilemma wiederholt sich: Leben um zu arbeiten und arbeiten um zu leben.

Fatal wäre es definitiv, nicht das dies auf breiter Front drohte, würden politikverdrossener Freizeitjünger und (progressiv-)reaktionärer Technonerd politisch zusammenkommen. Den einen interessiert die Politik nicht, der andere sieht die Geschicke der Gesellschaft gern in den Händen einer guten Hierarchie, den Fängen eines weisen Oberhauptes demütig übereignet. Viel Spaß also mit: Neo-Bied feat. NRx!

Your high-quantity, divers-quality Content-Blogger, Satorius


Neo-Bied (Neo-Biedermeier)

Gerne bezeichnet man das aktuelle Zeitalter als Neo-Biedermeier, was auch zutrifft, beschränkt man den Begriff auf einen Rückzug ins Private. Doch die Zeitgenossen des historischen Biedermeier waren immerhin nur Untertanen, die sich ins erzwungene Schweigen schickten und Blumenbilder malten, statt Bajonette gegen die Paläste zu richten. Die jetzigen Biedermeier dagegen sitzen mit in den Palastkanzleien, verwalten die Unterdrückung und spekulieren darauf, ihren Clan dort zu halten, wenn sie Blumenbilder ins iPad malen. Die historischen Biedermeier versuchten auch nicht, sich durch Charity-Spenden und organische Produktion von ihrer Mitschuld freizukaufen. Sie hatten ihre irren Despoten wenigstens nicht gewählt, sondern waren ihnen ausgeliefert.

Leo Fischer (1981 – ), Neo-Biedermeier (https://www.neues-deutschland.de/artikel/1050869.neo-biedermeier.html, zuletzt: 18.06.18)


NRx (Neo-Reaction)

Reading Moldbug is like listening to somebody who informs you of his plan to take care of the termites by burning his mansion down and then starts romanticizing life in a log cabin despite never having lived in one.

But then Moldbug, unlike a lot of his followers, doesn’t want to move into the log cabin, even if he’d take it over his current digs. So what’s the actual prescription?

It’s this: Democratic governments will be replaced with sovereign joint-stock corporations, their shares to be owned perhaps but not necessarily by property holders or residents of the realm. The shareholders will elect an executive, who will have plenary authority to rule as he wishes, kill as he wishes, enslave as he wishes, etc. But he won’t do such nasty things, because it would be simply incompetent. The corporation gets its income from property taxes; subjects of the realm may leave whenever they wish; and so genocide will be terrible for business. Should the executive prove to be incompetent, the shareholders may string him up at will and replace him with someone abler.

Jason Lee Steorts, Politics & Policy: Against Mencius Moldbug’s ‘Neoreaction’ (June 5, 2017; https://www.nationalreview.com/2017/06/problems-mencius-moldbug-neoreaction/, zuletzt: 18.06.18)


Link-Sammlung zu Neo-Bied:

  1. https://de.wikipedia.org/wiki/Biedermeier (Übersicht zur namensgebenden, historischen Epoche)
  2. http://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/gesellschaft-rueckkehr-des-biedermeier-138495.html (Zeitdiagnostisches Exempel, zufällig dem sog. Qualitätsjournalismus entnommen)
  3. https://www.pinterest.de/pin/362539838727116043/ (Bunte Vielfalt eines biederen bis paternalistischen Hobbys)

Link-Sammlung zu NRx:

  1. http://neoreaction.net/ (Primäre Plattform der brisanten Bewegung)
  2. http://unqualified-reservations.blogspot.com/ (Kontext des TFF und somit programmatischer Primärtext)
  3. http://slatestarcodex.com/2013/10/20/the-anti-reactionary-faq/ (Sekundärer Überblick, der beginnende Viralität belegt)