Monthly Archives: Februar 2016

Ein nietzscheanisches Geister-Zwitschern

„Werde der, der Du bist“, sagt Zarathustra. „Verwirklich Dich selbst!“, sagen Therapeuten; in den meisten Fällen haben sie keine Ahnung, was sie damit sagen. Nietzsche hat es gewusst: Du entdeckst Dich selbst als himmellosen Engel, als eine einsame Gestalt, die friedlos und immer unbefriedigt von animalischen Trieben dazu verführt wird, illusionäre Heimaten zu erschaffen.

 

Thomas Hürlimann (1950 – ), Nietzsches Regenschirm


An sich ein schöne Sache, so eine Heimat, sofern man noch eine hat. Für sich aber derezit eine gefährliche Sache, da Heimat als rares Gut begriffen und damit gründlich missverstanden wird. Daraufhin wird sie fatal folgerichtig als ständig bedrohnt erfahren, gar zu schützen versucht. Zuletzt wird sie tapfer verteidgt, mit defensiven bis offensiven, allseits geheiligten Mitteln. Munter und eifrig sind die Wächter der Heimat im Einsatz gegen die gefürchteten Fremden von draußen hinter den Grenzen. Der Gastfreundschaft zum Trotz und Hohn, steht hier, diesseits, das Volk und dort drüben, jenseits, die da, sie da, die anderen halt..

Diese Wanderer und ihre Schatten werfen ein grelles, entlarvend klares Licht. Tiefschwarze Schlagschatten zeichnen sich deutlich gegen den Hintergrund ab, scharf und kalt konturiert – Schwarz gegen Weiß. Während die Bauern mauern, teilen die Könige, Bischöfe und Ritter den Gewinn brav unter sich auf, ziehen munter ideologische Furchen quer durch Freiheit und Öffentlichkeit. Sie alle nutzen als Instrument, was einst war ein echtes Ideal: Europa. Erwacht sind wir allesamt, jäh und unwirsch, vorbei ist der Väter utopischer Traum.

Er herrscht der historisch-furchtbare Zirkel, rund herum geht es geschwind. Jede Runde immer wieder das Gleiche; und noch Mal herum, immer wieder und weiter drehrt sich das ewige Rad. Hinter seinen schnell rotierenden Speichen, fast nicht zu erkennen im Taumel der Zeit, sitzt und wirkt er, lüstern und verschlagen zugleich, ein düsterer Dämon mit unheiligem Namen: Der Wille zur Macht.

Bereit zur Geisterjagd und offen für Gäste, Euer Satorius

Die Rückkehr der Kulinarik

Knusprig-buntes Gemüsemiteinander

Metadaten des Gerichts 

Kochniveau: 3/10  Dauer: ca. 70 Minuten  Art: Hauptgericht Kosten: Mittel

Rezept zum Ausdrucken: Knusprig-buntes Gemüsemiteinander (PDF)

Zutatenliste

  • 1 große Süßkartoffel (Ungefähr 400g)
  • 1 Hokkaido-Kürbis (Ca. 1kg)
  • 2 mittlere rote Zwiebeln
  • 1/2 Stange Lauch
  • 100g getrocknete Tomaten (In Öl eingelegt, das aufgefangen und auch verwendet wird)
  • 3 EL Tomaten-Öl (s.o.)
  • 50g Kürbiskerne
  • 50g Schwarzkümmel(-samen)
  • 1 TL Cumin (Gemahlener Kreuzkümmel)
  • 1 TL Chilipulver
  • 1 EL Salz
  • 1 EL schwarzer Pfeffer
  • 1 EL Bärlauch (Getrocknet oder frisch)
  • 1 TL Knoblauchgranulat (Alternativ 1 Zehe Knoblauch fein gehackt)
  • 200g Feta (Immer besser den „Echten“, der nicht aus Kuhmilch, sondern aus Schafs- oder gar Ziegenmilch hergestellt wird)
  • 100g Mozzarella (Hier muss es nicht unbedingt die exquisite Büffelmilchvariante sein, schaden würde es aber auch nicht, außer vielleicht dem Budget)

Praxis-Anleitung

  1. Zu Beginn die Süßkartoffel und den Hokkaido schälen und daraufhin in mundgerechte Würfel von ein bis zwei Zentimetern schneiden, damit später die Garzeit dem Käse wegen gering gehalten werden kann.
  2. Danach den Backofen auf 200 C° vorheizen lassen. 
  3. Sodann die Zwiebeln geschält in grobe Halbringe schneiden, den Lauch waschen und ebenfalls halbiert in Ringe schneiden sowie die getrockneten Tomaten fein hacken. Sollten frischer Bärlauch oder Knoblauch verwendet werden, auch diese nun vorbereiten.
  4. Eine ausreichend große Auflaufform mit einem Teil des aufgefangenen Tomaten-Öls einstreichen und die folgenden Zutaten hineingeben und miteinander vermengen: Kürbis, Süßkartoffel, Zwiebel, Tomaten, eine Hälfte vom Schwarzkümmel, den Kürbiskerne und dem Bärlauch sowie die übrigen Gewürze. Anschließend allessamt mit dem restlichen Öl beträufeln.
  5. Die Gemüseschicht zum Abschluss mit zerbröseltem Feta und gezupftem Mozzarella bedecken und zuletzt mit der zweiten Hälfte Kürbiskerne, Schwarzkümmel und Bärlauch garnieren.
  6. Nun ca. 25 Minuten auf mittlerer Schiene im Ofen garen und überbacken. Der Bräunungsgrad des Käses wird hierbei zum zweiten Kriterium für das Ende der Backzeit: Knusprig goldbraun sollte er schon sein.

Wahr oder unwahr – das ist hier die Interpretation

Entbirgt Sprache Seiendes, bezeichnen Worte Bedeutungen, ja einen fundamentalen Sinn, der hinter ihrer Lautgestalt und den zur Konservierung verwendeten Buchstaben zu Grunde liegt, fern allen arbiträren Zufällen? Ja, sagt Gadamer und ist damit der gleichen Ansicht wie die meisten unter uns; Nein, sagen hingegen auf ihre je ganz eigene Weise sowohl Derrida als auch Nietzsche, uvm.

Ich bin da höchst ambivalent, wandle mich, wende mich von der Mehrheit ab und tendiere zunehmend zur Fraktion der Skeptiker. Ich hoffe noch auf die monistische Kraft der Sprache, sei sie gesprochen oder geschrieben, befürchte jedoch, dass sich ihre „absolute Wahrheit“ letztlich performativ-paradox verflüchtigen wird. Um es positiv zu wenden: Ich glaube pragmatisch an die kommunikative Funktion, wie ich moralisch von der Möglichkeit und Notwendigkeit einer vernünftigen Verständigung überzeugt sein möchte; halte zudem eine von totalitären Zwängen befreite Sprache für wünschenswert, weil sie frei wäre für Neuheit, Zukunft und Fortschritt, aber auch für ein bloßes Spielen im Garten der rhetorischen Künste, insbesondere im Sandkasten poetischer und literarischer Leichtigkeiten.

Mit einer Zitatmontage gesprochen: Ist eine Rose eine Rose und wird immer eine Rose bleiben oder könnte dereinst eine Rose etwas anderes sein, vielleicht gar eine Rose?

Es mag Bereiche geben, in denen zu Recht auf Exaktheit und Stabilität von sprachlichen Zeichen gepocht wird: Recht, Mathematik, naturwissenschaftlich-technische Disziplinen, analytische Philosophie und dergleichen mehr, dennoch sollten wir zusammen mit den Sprachkritikern anerkennen, dass ein lebendiger Austausch zwischen Subjekten sich weder auf objektive, noch gar auf totale Gewissheiten reduzieren lässt. Im Zweifelsfall muss man darüber reden, nachhaken, fragen, dabei stotternd, erklärend und um Verständigung ringend, immer der Möglichkeit gewahr, dass die eigene Interpretation fehlgehen könnte, daneben liegen können muss. Je mehr Zurückhaltung ist dabei angeraten, desto fremder der Mensch, desto indirekter und technischer das Medium des Gesprächs, desto größer die eigenen Erwartungen, das eigene Ego.

Also kurz und gut: Nehmt mich, meine und die Sprache überhaupt nicht sonderlich ernst; habt allem voran Freude im spielerischen Umgang mit Sender, Empfänger und eurem Medium, vertraut auf die gelingende Praxis und lasst die Theoretiker in ihren kargen Kämmerlein einsam, trost-, furcht- und fruchtlos vor sich hingrübeln!

Im wilden Wechsel von dunklem Sinn und lichtem Unsinn, Euer Satorius


Natürlich hat Gadamer auf seine Weise recht. Wer redet, will verstanden werden. Nur, wie Derrida sogleich bemerkt hat, der Wille ist ein äußerst fragwürdiger Garant dafür, dass das Verstandenwerden auch realisiert wird. Wieso sollte der Wille des einen den anderen verpflichten? Und außerdem: Wieso sollte man eigens etwas wollen, zu dem soweiso alle verpflichtet sind. Die Garantie auf Verständigung, die der Wille geben soll, muß den weiten Umweg über die Installation als transzendentalpragmatische Norm nehmen, um den Leser überhaupt zu erreichen. Und selbst dann hängt alles davon ab, ob er auch bereit ist, sich der Norm zu fügen. Das aber ist zunehmend unwahrscheinlich. Es genügt jemand wie Nietzsche, der kurzerhand erklärt:

„Man will nicht nur verstanden werden, wenn man schreibt, sondern ebenso gewiss auch nicht verstanden werden.“ (Nietzsche: KSA 3, S. 633)

Den Preis den Gadamers Hermeneutik entrichtet, um der Möglichkeit der Alternative von Verstehen und Missverstehen zu entgehen, besteht letztlich in der Streichung des Lesers als Adressaten der Interpretation, und zwar zugunsten von Sedimenten des Seins, die sich an seinen Entscheidungsspielräumen vorbei in ihm ablagern.

„Die eine träumt davon, eine Wahrheit und einen Ursprung zu entziffern, die dem Spiel und der Ordnung des Zeichens entzogen sind, und erlebt die Notwendigkeit der Interpretation gleich einem Exil. Die andere, die dem Ursprung nicht länger zugewandt bleibt, bejaht das Spiel und will über den Menschen und den Humanismus hinausgelangen, weil Mensch der Name des Wesens ist, das die Geschichte der Metaphysik und der Onto-theologie hindurch, das heißt im Ganzen seiner Geschichte, die volle Präsenz, den versichernden Grund, den Ursprung und das Ende des Spiels geträumt hat.“ (Derrida: Die Struktur, das Zeichen und das Spiel im Diskurs der Wissenschaften vom Menschen. In: Die Schrift und die Differenz, S. 441)

Matthias Schöning, Gesten der Interpretation, Gadamer und Derrida, S. 6f.