Monthly Archives: Juni 2016

Ratschläge gegen das sogenannte Glück

Satire in Bestform, von der Couch auf die Bühne und frei nach dem Credo „Wider dem Ausverkauf der Lebenskunst“, so persifliert ein leitender Psychiater die profitorientierte Bauernfängerei mit des Menschen ewiger Karotte; nein, nicht der Glaube, das andere „G“, das von „Glück“, das sogennante Glück – große Worte überall, große Verantwortung allenthalben. Ratgeber im Speziellen, deren glückshungrige Konsumentenschaft im Besonderen und eine beinahe penetrante philosophisch geschulte Kritik an der wahnsinnigen Normalität im Allgemeinen sind Themen von Manfred Lütz‘ Text und Werk.

Dabei gleicht der zynisch kolorierte, sehr kurzweilige Vortrag einem essayistischen, ja bisweilen einem wilden Ritt durch die Randbezirke großer „P’s“: Praktische Philosophie, Psychologie, Politik, Phänomenologie, Poetik, und immer wieder, den Pathologien von Pöbel und Psychotherapie und Publikum. Die Moral der Geschichte, immer in der Westentasche mitgereist, ist am Ende eben so einfach, wie ich ihr bedingungslos zustimme: Lasst Euer Existenz nicht unkritisch von außen vereinnahmen, seid innerlich aber zugleich offen für die anderen Existenzen dort draußen. Er fordert damit nicht weniger als Freiheit für das Glück um der menschlichen Würde und Singularität willen, Freiheit für all die vielen existenziellen Ideen (Gerechtigkeit, Liebe, Lust, Gott, Gut/Böse, etc. pp.), mit denen Markt, Macht und Mythos seit jeher, mit historisch wechselnder (Hoch-)Konjunktur ihre schmutzigen Spielchen treiben – mal der Eine mehr, mal der Andere, dann wieder die Dritte im unheiligen Bunde.

Wer es lieber primär und sogar gänzlich gratis hat, der kann in seiner Position als mildtätiger Zwangsspender der öffentlichen Rundfunkanstalten freimütig Gebrauch vom Angebot des SWR machen. Bequem im mitgeschnittenen O-Ton oder als neunseitiges Manuskript in Schrift gebannt ganz runterladen und komplett reinziehen: Manfred Lütz, Ich rate Ihnen zu einem Ratgeber mit gutem Rat (Multimedia-Link).

Mit absolut ideologie- wie strikt floskelfreien und außerdem garantiert total authentischen Grüßen, Euer Satorius


Philosophie hat die Aufgabe, die Welt zu verstehen und zu zeigen, wie man gut leben kann. Das ist eine überzeitliche Aufgabe, die vor 2.500 Jahren genauso wichtig war wie heute. Mir geht es darum, Menschen von Glücks-Ratgebern zu emanzipieren und ihnen auf Augenhöhe zu begegnen, wie Sokrates das gemacht hat. Sokrates hat keine Glücks-Ratgeber geschrieben, er hat überhaupt keine Bücher geschrieben, sondern er ist auf den Marktplatz gegangen und hat gesagt: Erkenne dich selbst.

 

[…]

 

Man muss aufpassen, dass im Rahmen der Psychotherapie normale Lebensschwierigkeiten nicht pathologisiert werden. Ich wurde neulich von einem Journalisten angerufen, der sagte, er würde eine Sendung über Burn-out machen. Ich war irgendwie gut drauf an diesem Tag und sagte: „Burnout gibt es doch gar nicht, in der ICD-10, der internationalen Klassifikation psychischer Störungen, ist Burnout als Krankheit gar nicht vorgesehen. Das ist eine Z-Kategorie, also so etwas Ähnliches wie Falschparken.“ Er war etwas verunsichert und sagte, er habe recherchiert, die Leute seien doch heute rund um die Uhr erreichbar durch Handy, Email usw. Ich habe geantwortet: „Im 30-jährigen Krieg waren die Menschen rund um die Uhr durch die Schweden erreichbar, das war viel unangenehmer. Im 19. Jahrhundert gab es 12 Stunden Arbeit unter Tage ohne Urlaub, im 20. Jahrhundert zwei Weltkriege. Wir müssen mal auf dem Teppich bleiben.“ Ich bestreite gar nicht, dass die Arbeit heute manche Menschen krank macht und dagegen muss man etwas tun, das ist ganz klar. Aber der Burn-out-Begriff ist völlig untauglich.

 

[…]

 

Im pompejianischen Bordell sind Totenschädel an die Wände gemalt als Aufforderung: Mensch, denke daran, dass du stirbst, lebe jeden Tag lustvoll, carpe diem – nutze den Tag. Der Totenschädel beim Heiligen Hieronymus in der Wüste sagt in gewisser Weise etwas Ähnliches: Christ, denke daran, dass du stirbst, und lebe jeden Tag ganz bewusst – natürlich nicht im Bordell, das ist der Unterschied.

 

Manfred  Lütz (1954 – ), Ich rate Ihnen zu einem Ratgeber mit gutem Rat – Über das Gelingen (SWR2 Aula am 20. Dezember 2015), S.5, S.7 & S.8

Gespensterstunde der Worte

Willkommen in der Welt der Worte; nicht belangloser, harmloser Worte, sondern Wirklichkeit bestimmender und Macht ausübender Worte: Terrorismus. Dieses Gespenst des 21. Jahrhunderts geht um und macht fürchten. Überall ist es medial bis brachial präsent, jede Partei, sei sie Teil der Politik, des Krieges oder des Glaubens, bedient sich seiner im Gefecht der Worte. Kaum ein Wort verschreckt so viele gutmütige Geister und friedfertige Naturen wie der Terror in all seinen blutigen Gewändern und fratzenhaften Masken.

Die globale Dimension lässt Gespensterkollegen der nahen und fernen Vergangenheit erschaudern. Kommunismus, Christentum, Demokratie, Wissenschaft und Konsorten äugen neidisch auf ihren modernen Konkurrenten in punkto Systemerschütterung. Dass in diesem Fall das ethische Vorzeichen, aktuell wie historisch, ein dickes Minus ist, spielt für meinen amoralischen Vergleich keine Rolle, nur der mathematische Betrag zählt und da hat der Terrorismus klar die Nase vorn. Hoffen wir, mathematisch-metaphorisch das Grauen der Gewalt umschiffend, dass er in dieser Quantität und seiner unmenschlichen Qualität kein so dauerhaftes Signum unser Zukunft sein wird, wie das die Rekordhalter Wissenschaft, dicht gefolgt von den Weltreligionen bis heute geworden sind.

Die Vorzeichensituation dieser Kandidaten differenziert zu analysieren, würde mich überkomplex überfordern, wäre aber hochinterssant. Insbesondere die schonungslos neutrale Abrechnung zwischen Christentum und Islam quer durch die Weltgeschichte würde mich brennend interessieren. Wer von den beiden und den vielen anderen Religionen war wohl das Gefüge von Worten, in dessen Auftrag der meiste Terror verübt und die meisten Straftaten gegen die atheologische Sittlichkeit begagen wurden

Einen juristischen Vorgeschmack auf die bekanntermaßen weite Definitionsbreite dessen, was dieser Tage so alles als Terrorismus gilt und all dem semantischen Übel, das bereits von diesem Wortstamm abgeleitet worden ist und noch werden wird, liefert das Strafgesetzbuch der guten alten BRD. In Rechtsbenchmarks steht dieses „-land“ bei weitem besser dar, als Quanzland dies typischerweise von sich behaupten kann. Mit diesem Begriffsapparat bewaffnet, könnte man auch die Taten des einen oder anderen Staates wenigstens als semiterroristische Akte bezeichen, vom rechtlichen Geltungsraum und der hochheiligen Begriffs- und Paradigmengrenzen nationale Rechts im Angesicht von Souveränität mal frech und kritisch-moralisch abgesehen.

Hier in Quanzland, wo ich wie die meisten meiner Mitbürger nur Text-Terrorismus gewohnt bin, von dieser harmloseren Variante ver- und entwöhnt wurde, schlägt die Wirklichkeit vor echtem, physischem Terror fruchtbar bis furchtbar ein. Ich persönlich bin da noch typsich naiv-optimistisch, aber sogar ich höre bisweilen ganz leise Stimmen am Rande meines Bewusstseins wispern. Diese warnen mich, sähen Zweifel und wollen mir Angst einjagen. Alles nur zu meinem Besten, zu meinem Schutz. Dennoch widerstehe ich ihnen leidlich, lasse mich nicht verunsichern – aber wie lange noch?

Wie hingegen geht es Euch da draußen, die ihr gerade hier drinnen weilt, wie lautet eure Antwort auf eine perverse neue Gretchenfrage: Habt ihr Angst vorm Terrorismus?

Ein erklärter Freund des gediegenen Textterrors und zugleich unerbittlicher Feind des militanten Terrorismus, Euer Satorius


§ 129a
Bildung terroristischer Vereinigungen

(1) Wer eine Vereinigung gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1. Mord (§ 211) oder Totschlag (§ 212) oder Völkermord (§ 6 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder § 12 des Völkerstrafgesetzbuches) oder
2. Straftaten gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 239a oder des § 239b zu begehen,

oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

 

(2) Ebenso wird bestraft, wer eine Vereinigung gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1. einem anderen Menschen schwere körperliche oder seelische Schäden, insbesondere der in § 226 bezeichneten Art, zuzufügen,
2. Straftaten nach den §§ 303b, 305, 305a oder gemeingefährliche Straftaten in den Fällen der §§ 306 bis 306c oder 307 Abs. 1 bis 3, des § 308 Abs. 1 bis 4, des § 309 Abs. 1 bis 5, der §§ 313, 314 oder 315 Abs. 1, 3 oder 4, des § 316b Abs. 1 oder 3 oder des § 316c Abs. 1 bis 3 oder des § 317 Abs. 1,
3. Straftaten gegen die Umwelt in den Fällen des § 330a Abs. 1 bis 3,
4. Straftaten nach § 19 Abs. 1 bis 3, § 20 Abs. 1 oder 2, § 20a Abs. 1 bis 3, § 19 Abs. 2 Nr. 2 oder Abs. 3 Nr. 2, § 20 Abs. 1 oder 2 oder § 20a Abs. 1 bis 3, jeweils auch in Verbindung mit § 21, oder nach § 22a Abs. 1 bis 3 des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen oder
5. Straftaten nach § 51 Abs. 1 bis 3 des Waffengesetzes zu begehen,

oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wenn eine der in den Nummern 1 bis 5 bezeichneten Taten bestimmt ist, die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern, eine Behörde oder eine internationale Organisation rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt zu nötigen oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates oder einer internationalen Organisation zu beseitigen oder erheblich zu beeinträchtigen, und durch die Art ihrer Begehung oder ihre Auswirkungen einen Staat oder eine internationale Organisation erheblich schädigen kann.

 

(3) Sind die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung darauf gerichtet, eine der in Absatz 1 und 2 bezeichneten Straftaten anzudrohen, ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.

 

(4) Gehört der Täter zu den Rädelsführern oder Hintermännern, so ist in den Fällen der Absätze 1 und 2 auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

 

(5) Wer eine in Absatz 1, 2 oder Absatz 3 bezeichnete Vereinigung unterstützt, wird in den Fällen der Absätze 1 und 2 mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Wer für eine in Absatz 1 oder Absatz 2 bezeichnete Vereinigung um Mitglieder oder Unterstützer wirbt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

 

(6) Das Gericht kann bei Beteiligten, deren Schuld gering und deren Mitwirkung von untergeordneter Bedeutung ist, in den Fällen der Absätze 1, 2, 3 und 5 die Strafe nach seinem Ermessen (§ 49 Abs. 2) mildern.

 

(7) § 129 Abs. 6 gilt entsprechend.

 

(8) Neben einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten kann das Gericht die Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden, und die Fähigkeit, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, aberkennen (§ 45 Abs. 2).

 

(9) In den Fällen der Absätze 1, 2 und 4 kann das Gericht Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

Juristische Intelligenz der BRD, Strafgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), das durch Artikel 1 des Gesetzes vom 30. Mai 2016 (BGBl. I S. 1254) geändert worden ist

Anarchistisches TFF-Potpourri

Mit einer großangelegten multimedialen Terrorperformance hat er zugeschlagen, heftig und unerbittlich, landesweit und vieltausendfach. Als die redlichen Bewohner von Quanzland heute morgen erwachten, erwartete sie so einiges an Subversion und dieser Zustand setzte sich bis in den späten Mittag hinein fort:

Nahezu jedes E-Mailkonto quoll über von anarchistischem TFF, an allen öffentlichen Orten fluteten entsprechende Flugblätter das Bewusstsein der Bürger, Werbeflächen waren über Nacht idealistisch zweckentfremdet, Busse und sogar einige Polizeiwagen überfallartig anarcho-geairbrusht worden. Die Krörung der Aktion und der Kollaps kam persönlich per Tagespost. Ein Einschreiben pro Bewohner brachte nicht nur die Zustelldienste, sondern alle größeren Institutionen, Unternehmen und Einrichutngen mit Poststelle und definierten Tageszielen gehörig ins Wanken. Einzig ausgenommen von diesem postalischen Wahnwitz waren Krankenhäuser und  – verstehe, wer will – biologisch arbeitenden Bauernhöfe mitsamt ihrem Personal.

Inhalt dieser abertausend text-terroristischen Nadelstiche waren Leaks diverser kompromittierender Informationen über Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, insbesondere waren die Mitglieder des Wächterrates betroffen sowie einflussreiche Intellektuelle und populäre Stars. Da diese Enthüllungen und Skandale jedoch jenseits der Grenzen von Quanzland beinahe bedeutungslos sein dürften, habe ich einige der interessanteren Text-Fast-Foods abgetippt. Dieser Tradition war der unbekannte, angebliche Einzeltäter natürlich nicht untreu geworden. So war jedem Textattentat ein kurzes, zumeist anarchistisch angehauchtes Zitat beigefügt.

Wie die Obrigkeit nun noch die Theorie von der Einzeltäterschaft aufrecht erhalten will, bleibt noch abzuwarten. In den um Deeskalation bemühten Pressemitteilungen war noch keine Rede von ernsthaften Inhalten oder gar echten Konsequenzen, diese wurden hektisch vertröstet und auf die nahe Zukunft verdrängt.

In freudiger Erwartung der medialen Nachbeben und vor allem poltitischer Nachwehen, Euer Satorius


 

Wacht auf, denn eure Träume sind schlecht!

Bleibt wach, weil das Entsetzliche näher kommt.

Nein, schlaft nicht, während die Ordner der Welt geschäftig sind!

Seid mißtrauisch gegen ihre Macht, die sie vorgeben für euch erwerben zu müssen!

Wacht darüber, daß eure Herzen nicht leer sind, wenn mit der Leere eurer Herzen gerechnet wird!

Tut das Unnütze, singt Lieder, die man aus eurem Mund nicht erwartet!

Seid unbequem, seid Sand, nicht das Öl im Getriebe der Welt!

Günther Eich


Das Verläßlichste sind Naturschönheiten. Dann Bücher; dann Braten mit Sauerkraut.

 

Es ist nichts so absurd, daß Gläubige es nicht glaubten. Oder Beamte täten.

 

Nur die Phantasielosen
flüchten in die Realität;
und zerschellen dann, wie
billich, dran.

Arno Schmidt


Um heute Künstler zu sein, muß man auch Philosoph sein, nicht in dem Sinne, daß man Platon oder Aristoteles gelesen haben muß, sondern insofern, als man sich die Frage nach dem Einsatz zu stellen hat: Was macht man da eigentlich?

Jean-François Lyotard


Aufgabe von Kunst ist es heute, Chaos in die Ordnung zu treiben.

 Theodor W. Adorno


Dadaismus ist eine Strategie, wie der Künstler dem Bürger etwas von seiner inneren Unruhe, die ihn nie in Gewohnheit einschlafen läßt, mitteilen, wie er den Erstarrten durch äußere Beunruhigung zu neuem Leben aufrütteln will, um ihm den Mangel an innerer Not und Bewegung zu ersetzen.

Udo Rukser


Ich sehe meine Lebensaufgabe im wesentlichen darin, eine Art Reizmittel zu sein – nicht etwas wirklich Destruktives, sondern einer der beunruhigt, der desorientiert. Einer, der den Alltagstrott gerade insoweit unterbricht, daß das Opfer auf den Gedanken kommt, es könnte vielleicht mehr geben, als die bloße Langeweile des Daseins.

Elvis Costello


Zugleich hoffe ich auf die Bereitstellung eines universalen Sozialhaushaltes, so daß jeder Mensch über die Mittel verfügt, die er benötigt, um so zu leben, wie er möchte. In diesem Verlangen nach Utopia bin ich Anarchist. Die einzige Herrschaft, der ich traue, ist meine eigene Selbstbeherrschung.

John Cage


Revolution ist die Bewegung zwischen zwei Zuständlichkeiten. Hierbei stelle man sich nicht das Bild einer sich langsam drehenden Rolle vor, sondern eines ausbrechenden Vulkans… Alle Revolution ist aktiv, singulär, plötzlich und ihre Ursachen entwurzelnd. Revolution entsteht, wenn ein Zustand unhaltbar geworden ist: mag dieser Zustand in den politischen oder sozialen Verhältnissen eines Landes, in einer geistigen oder religiösen Kultur oder in den Eigenschaften eines Individuums stabilisiert sein. Die treibenden Kräfte der Revolution sind Überdruß und Sehnsucht, ihr Ausdruck ist Zerstörung und Aufrichtung. Zerstörung und Aufrichtung sind in der Revolution identisch. Alle zerstörende Lust ist eine schöpferische Lust (Bakunin). Einige Formen der Revolution: Tyrannenmord, Absetzung einer Herrschergewalt, Etablierung einer Religion, Zerbrechen alter Tafeln (in Konvention und Kunst), Schaffen eines Kunstwerks; der Geschlechtsakt. Einige Synonyma für Revolution: Gott, Leben, Brunst, Rausch, Chaos.

Laßt uns chaotisch sein!

Erich Mühsam