Astro(nomie)-Trip

Wer sind wir schon wir winzigen Menschlein? Nichts und nichtig, verglichen mit der Unendlichkeit des uns umgebenden Alls! So unbedeutend und zugleich zerbrechlich, sterblich und bedürftig zumal, dass starkes Selbstvertrauen und jedwede (meist verdeckte, versteckte) Form des Narzissmus wie heftigste Realitätsverleugnung daherkommen. Kosmisch gesehen sind wir „Firlefanz“, wie ein Freund kürzlich treffend bemerkte, Tand,  oder aber freundlich-positiv im Gegenteil ausgedrückt: Ornament, Zierde, Singularität – in Größe, Mächtigekeit und degleichen Machokategorien aber sind und bleiben wir die Opfer der kosmischen Hackordnung.

Dennoch, genau deshalb, wegen Einzigartigkeit, Vielfalt, Vergänglichkeit, Veränderlichkeit, Freiheit und Kreativität sind unsere Existenzen wenn auch winzig, zugleich so unglaublich kostbar, ist insbersondere auch Liebe zum Leben, der Eros Freuds, mehr als ein dahingesäuselte Leerformel. Ob diese tiefe Wertschätzung sich selbst, seinen Freunden, der Familie oder gar der Menschheit gilt, ist hierbei höchstens zweitrangig, denn all diese Formen der (potentiellen) Brillanz erhebt uns über jede bloße Quantität. In der Singularität eines jeden Menschenlebens liegt eine der unermesslichsten Qualitäten. Wir sind zudem physisch-psychische Doublette, ein aus elementarem Stoff(-gemisch) zusammengesetzes Ding, das potentiell aus den gleichen Atomen – vertraut man denn dem Model der modernen Physik bis hinuter auf die ontologischen-existenzielle Ebene – besteht wie all die anderen Entitäten der belebten und unbelebten Natur um uns herum: Steine, Sand, selbst die Sonne, zugleich Staphylokokken, Salamander und Sojaschnitzel und so weiter…

Genug geschleimt, jetzt reicht es, schluss mit dem Narzissmus! Schluss also mit der sanften Seelenmassage, zurück zum realistisch-faktenharten Eingangston: Wir sind aus Sternenstaub – ja! So lyrisch schön und zugleich naturwissenschaftlich zutreffend diese Aussage auch sein mag, so ethisch unermesslich, neural komplex und ontologisch hervorragend (intelligentes) Leben auch immer sein mag, wir sind: bloßer Staub. Verglichen mit den abstrakten, unvorstellbar gigantischen Dimensionen dessen, was zuvor die Philosophen noch schwärmerisch und nach ihnen nun auch die modernen Wissenschaftler tendenziell nüchtern-elegant Universum oder Kosmos genannt haben, sind wir aus nur Marginalien, kleine Lichter in einem Meer aus strahlenden Sternen, in einem Ozean aus gleißenden Galaxien und – hier bricht zwangsläufig jeder Hauch von Poesie – in einer Masse an (Super- & Mega-)Haufen.

Trotz aller unbestreitbaren Vorzüge der Erde und der sie bewohnenden Menschheit reicht bereits ein flüchtiger Seitenblick auf die realitve Skalierung unseres eigenen kleinen Planeten im kosmischen Kontext, um uns eine Lehre in Mäßigung und Demut zu erteilen. Zwei Tugenden, sehr alte Tugenden, die dieser Tage etwas aus der Mode gekommen sind, jedoch nur dann schädlich werden können, wenn man es mit ihnen moralisch übertreibt und sie predigt – Stichwort: (Welt-)Religionen. Die Tiefgläubigen unter uns sind deshalb auch gut gewappnet für die anstehende Reise, können einfach die Schönheit der Schöpfung geniesen, entdecken in ihr womöglich das Werk oder die Präsenz ihrer Konfession der Wahl oder des nachgeburtlichen Zufalls. Jeder (naive) Narzisst jedenfalls und/oder anderweitig Selbstwerbeschädigte sei hier vorsorglich sowie ausdrücklich gewarnt: Die tröstende Passage war kalkuliert platziert, von nun an wird wieder hart und heftig desillusioniert.

Zuvor aber noch eine ernsthafte Frage, eine durchaus rhetorische Frage, deren dennoch bemühte Beantwortung für Euch im Laufe dieses Artikels noch frappant bis brisant werden könnte: Wo befindet Ihr euch gerade? Eine simpel scheinende Frage, nicht wahr? Denkt kurz definitotrisch darüber nach und merkt Euch eure Antwort gut, insbesondere die Maße und Relationen, die das „Wo?–>Da!“ begleiten, und die vermutlich im Gros durch die Einheiten Meter und Kilometer oder mal mit Bezügen zur Erde oder sogar Sonne ausgefallen sein dürfen. Haltet Euch daran gedanklich fest.

Los geht’s also – bloß nicht festhalten! Hier und jetzt – wo und wann das bei Euch auch immer sein mag – beginnt der demütige Astro-Trip. Genau über eurem aktuellen Standort, knapp oberhalb unserer alltäglichen Lebenswelt starten wir, hinfort aus dem Alltag streben wir sogleich, weg von der Erde, hinaus in die Weiten des Weltalls (- ein, wie ich finde, guter Anwärter auf den Titel „Schönstes Wort der deutschen Sprache“). Wir verlassen dafür also zunächst rasch den Bereich unserer leiblich-wirklichen Sinnenumwelt – Meter Adé! Beinahe sofort, nach nur wenigen Sekunden Denkweg, landen wir fern der Anschauung bereits im reinen Denken. Dergestalt führt uns die eingeschlagene Reiseroute direkt hinein in und durch die Elfenbeintürme von Astronomie, Physik und Chemie. Eben noch standen/saßen/lagen wir im Arbeitszimmer/Bett/Wohnzimmer und fragten uns, wo wir sind oder was ich eigentlich von Euch will; vielleicht aber stellt Ihr euch auch schon vor, wie es dort droben wohl tatsächlich ist, da draußen in unserem heimischen Sonnensystem, der lieben Heimatgalaxis Milchstraße oder wagt euch noch weiter nach draußen in ein ominöses, unverschämtes und unbekanntes Universum.

Jetzt aber wirklich los und schwupps: Rocketjump! Mental rauschen wir ungehindert nach oben in den Himmel, kurz hinein in die Vogelperspektive, dann aber wird es plötzlich arg transzendent, deshalb lasse ich hier populärwissenschaftliche Grafiken für sich sprechen, deren Fund im letzten Jahr diesen Artikel hier überhaupt erst ausgelöst hat. Denn die Regionen, die wir betreten, in die wir uns wagen wollen, sind wie gesagt bloß noch vermittelt ansatzweise vorstellbar, eine nur durch Darstellung zugängliche Sphäre von Begriffen und Modellen, welche auf Messung, Gesetzen und gelehrten Spekulationen beruhen.

Bis (oder sogar ob jemals) eines Menschen Auge dieses atemberaubende All autonom erblicken wird, kann noch äonenlang leise-hallende, von fern her klingende Zukunftsmusik geduddelt werden. Derweil vergnügen wir uns mit hübschen Bildern plus klaren und erhellenden Grafiken, während wir uns unterdessen davor hüten sollten, diese Dimension wirklich verstehen, fühlen und begreiffen zu wollen. Es sei denn, wir staunen, oder, wie zuvor gespöttelt, wir erkennen in allem Folgenden das Wirken unseres Gottes, unserer Götter – dann nur zu: Euch allen wünsche ich gleichsam „bon voyage“!

1. Etappenziel: Die Grenzen unseres Heimatplaneten = Erde


Andrew Z. Colvin, Earth’s Location in the Universe (4. April, 201
Markus D., Luftschichten der Erde auf www.nfo-wetter-pohlheim.de (Link zur Originaldatei)

2. Etappenziel: Das heimische Planetensystem = Sonnensystem

Andrew Z. Colvin, Earth’s Location in the Universe (4. April, 2012)

3. Etappenziel: Die Nachbarsterne im galaktischen Spiralarm = Orion-Arm

Andrew Z. Colvin, Earth’s Location in the Universe (4. April, 2012)

4. Etappenziel: Unsere spiralarmige Heimatgalaxis = Milchstraße

Andrew Z. Colvin, Earth’s Location in the Universe (4. April, 2012)

5. Etappenziel: Unser angestammter Galaxien-Haufen = Lokale Gruppe

Andrew Z. Colvin, Earth’s Location in the Universe (4. April, 2012)

6. Etappenziel: Der Haufen der Haufen = Virgo-Superhaufen

Andrew Z. Colvin, Earth’s Location in the Universe (4. April, 2012)

7. Etappenziel: Der heimliche (Mega-)Superhaufen = Lanaikea

Andrew Z. Colvin, Earth’s Location in the Universe (4. April, 2012)

8. Etappenziel: Das Ende unserer Reise, die Grenzen der Ausdehnung (oder der Vermittlung)


Andrew Z. Colvin, Earth’s Location in the Universe (4. April, 2012

8. – 1. Die zurückgelegte Reiseroute im schonungslos ungeschönten Rück- und Überblick


http://www.astro.princeton.edu/universe/

Wow, was für ein Trip! Wenn wir, am Ziel angekommen, dann so im Nichts rumstehen, außerhalb des sich angeblich seit dem Urknall ausdehnenden Universums rumlungern, dann könnten wir hochgerechnet 70 Trilliaden (7*10²²=70000000000000000000000) Sterne gleichzeitig im Blick haben und aus selbigem verlieren. So jedenfalls das Paradigma der modernen Naturwissenschaft, keine Rede dort von Unendlichkeit, nur von super, mega, giga gigantisch großen Zahlen und Dimensionen.

Gemäß besagtem Weltbild ist die Geschichte von allem rasch erzählt, in einer exorbitanten Stauchung erzählter Zeit auf kaum eine Minute Lesezeit: Einst war alles in einem Punkt vereint – die sog. Singularität; dann passierte irgendwas seltsames, es wurde schief und krum, Zeit und Raum begannen – der sog. Urknall; in Raum und Zeit expandierte sodann die zuvor im Knall entstandene Materie, formte sich aus, erkaltete und differenzierte sich aus; bildete daraufhin nach und nach neue Formen, wie Sterne und Planeten, aber auch Schwarze Löcher und Dunkle Materie; brachte nunmehr an freundlichen Orten wie Mutter Erde (und womöglich auch dazwischen) allerlei Leben in seinen abgefahrensten Varianten und Variationen hervor; und schließlich evolutionierte alles Leben und das All expandierte glücklich bis ans Ende seiner Tage, wobei die Debatte über das Ende der Geschichte unter uns Erdenkindern derzeit offen bis kontrovers geführt wird.

Wir Sucher jedenfalls mäßigen uns demütig, werden still vor dem Antlitz des Alls und Angesichts unserer zuvor gegeben, nunmehr klein und irrelevant scheinenden Antwort auf die Frage „Wo?“; wir sind in der gefühlten und ungewissen Unendlichkeit gestrandet, sprechen von Myriaden und messen bei weitem nicht mehr in Metern, sondern in abstrakten, namenlosen Maßeinheiten. Die Äonen aber, die Zeit hingegen blieb stumm und wird das auch bleiben; wo doch schon der Raum uns derart überwältigt, würden die Untiefen der Zeit unseren Horizont wohl endgültig sprengen. Trösten wir uns also mit den warmen Worten vom Beginn, versichern uns somit gleichsam unseres Wertes, verbürgt durch unsere ganz persönliche Singularität; oder einfach dadurch, dass das All schlich unt einfach schön ist. Die Vorstellung zuletzt, dass unsagbar viele Lebewesen überall im All sich gleiche und ähnlich Fragen stellen oder nicht stellen, ist ebenfalls relativierend und kompensierend, Anker und Hafen zugleich.

Was auch immer das Weltall und der Rest im Kern auch sein mögen, gilt: Heilig sind die wortlos Staunenden, seelig noch die, die geflissentlich Gewissheit suchen, verflucht jedoch diejenigen, welche kosmische Wahrheit(en) ihr eigen nennen – ob sie Theologen, Astrologen oder Astronomen sein mögen, den Theos, Logos oder Nomos, also Gott, Sinn oder Gesetz gefunden zu haben glauben! Denn auch wenn mir die Gesetzessuche der Astro-Nomie durchaus sympathisch ist, sich zudem sehr viel mehr Mühe bei der Überzeugungsarbeit seiner Gläubigen gibt und sogar Selbstkritik übt und kultiviert, verbleibe ich in kindlichem Staunen über die große weite Welt des Weltalls – Demut und Maß hin oder her!

In agnostisch-atheologischer Neugier, Euer spätnächtlicher Sternenkucker Satorius

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