Auf ein Neues: Hallo Gutenberg, hallo Gegenwart!

Was ist denn hier passiert, frage ich mich als müde gewordener, bisweilen verzagter Blogaspirant nach einer trägen Phase? Gutenberg bringt mich auf Trab, macht nicht nur alles anders, sondern auch vieles neu bei uns in Quanzland! Beispielsweise und konkret ist die ehemalige Formatierung von Text-Fast-Food im Detail unmöglich geworden und vermutlich auch die Form vieler anderer Formate. Deshalb heißt nun die Devise: Nicht zwanghaft am Alten kleben, lieber frei heraus das Neue erschaffen.

Block für Block entsteht hier und heute aus Anlass eines gelesenen Textes, der zuvor gefunden und für relevant oder wenigstens witzig befunden wurde, die neue Konvention für zukünftiges TFF. Mal sehen und abwarten, was hier in wenigen Sekunden erzählter Erzählzeit erscheint und wie lange die wirkliche Arbeitszeit auf dem Weg aus dem soliden Hardcover in meinen Händen heraus hinein in die hiesige Blogsphäre braucht.


Der Philosophie, der Religion und der Wissenschaft läuft die Zeit davon. Die Menschen diskutieren seit Jahrtausenden über den Sinn des Lebens. Wir können diese Debatte nicht endlos fortsetzen. Die sich anbahnende ökologische Krise, die wachsende Bedrohung durch Massenvernichtungswaffen und das Aufkommen neuer, disruptiver Technologien werden das nicht erlauben. Wichtiger noch: Künstliche Intelligenz und Biotechnologie verschaffen der Menschheit die Macht das Leben zu verändern und zu manipulieren. Schon sehr bald wird irgendjemand entscheiden müssen, wie wir diese Macht nutzen – und zwar auf der Basis irgendeiner impliziten oder expliziten Erzählung über den Sinn des Lebens. Philosophen sind sehr geduldige Menschen, doch Ingenieure sind weit weniger geduldig, und am allerwenigsten Geduld haben Investoren. Wenn wir nicht wissen, was wir mit der Macht, Leben zu manipulieren, anfangen sollen, werden die Marktkräfte nicht ein Jahrtausend lang warten, bis wir eine Antwort darauf gefunden haben. Die unsichtbare Hand des Marktes wird uns ihre eigene, blinde Antwort aufzwingen.

Yuval Noah Harari (1976 – ), 21 Lektionen für das 21. Jahrhundert, S. 17 (Einleitung)


Et voilà – ohne die Minuten tatsächlich gezählt zu haben, ist es zwischenzeitlich passiert: Das neue Gewand für den schnellen Texthappen von Heute und Morgen ist fertig geschneidert. Vor allem aber ist ein Bann gebrochen, bin ich wieder frei von Lese-/Schreibunlust und lustig auf Lese-/Schreibgenuss. Auf den Regress folgt nun wieder der Progress – so und soweit zumindest das aktuelle Credo!

Damit zurück zum Wesentlichen: Dem Text und dem Text über den Text, was nicht zufällig an Derridas Bild der Spur der Spur bei simultanem Verlöschen der Spur gemahnt. Hararis Spuren zu folgen, wie sie sich im Staub der Geschichte abzeichnen und durch den Sand der fließenden Zeit winden, immer mit Blick auf das Zukommende orientiert, erfüllt mich mit Vorfreude. Denn schon nach nur kurzer Aufwärm-Recherche, wenigen Seiten der Einleitung und der ursprünglich durch persönliches Gespräch geweckten Neugierde auf diesen Autoren, verspüre ich eine Sympathie für Hararis Denkstil und Werte. Wenn auch der literarische Stil bisher eher karg und nüchtern ausgefallen ist, so tut das der Relevanz der Themen und vermuteten Brillanz des Historikers keinen Abbruch.

Er unternimmt Großes, will vieles auf einmal und wagt große Schritte und Würfe. In seiner dritten Monographie nach Eine kurze Geschichte der Menschheit (2011) und Homo Deus. Eine Geschichte von Morgen (2015) setzt er sich dennoch bisweilen demütig das ambitionierte Ziel, die wichtigsten Entwicklungsstränge der Gegenwart zu entwirren. Nach der Schnellvariante der Menschheitsgeschichte, also aus der beruflichen Domäne heraus mit Blick auf die Vergangenheit, gefolgt von dem inspirierenden Exkurs in die Zukunft, wagt er sich nun also an das Zeitgeschehen und nimmt die Gegenwart in den Fokus seiner Betrachtung. Es geht ihm damit ausdrücklich um den undenkbar schmalen Grat namens Präsens, das zwischen den beiden (Un-)Endlichkeiten Futur und Präteritum fristet, eingekeilt, flüchtig dahineilt, noch keine Erinnerung, kein Dokument, nicht mehr Erwartung, fern der Prognose, stattdessen ereignet sich bloßes, nacktes Geschehen – feucht, heiß, glitschig und mysteriös.

Ob es dem Historiker auf dem Weg durch gefährlichste der drei Zeitebenen abermals gelingt, klare, kritische und konstruktive Begriffe zu entwerfen, um die jüngsten Entwicklungen und Ereignisse stattlich einzukleiden und so gesellschaftsfähig, also verständlich und zumutbar zu machen, bleibt abzuwarten. Die nächsten Wochen werden mich jedenfalls durch die 21 Lektionen führen, soweit ich eben bereit bin, mich belehren zu lassen und gelehrig zu bleiben. Der Lehrer hinterlässt bei mir allenfalls und zunächst einen guten ersten Eindruck – mach‘ was daraus, Yuval!

Euer optimistischer Denk-/Lese- und Schreib-Re­ha­bi­li­tand, Satorius

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