Lichtrausch

#HB1 @ Fantastisch-finstere Visionen eines Heiligen

Hieronymus Bosch (1450 – 1516), Die Versuchung des Heiligen Antonius (um 1505 – 1510; Lissabon: Museu Nacional de Arte Antiga)

Hier haben wir ein Thema und ein Motiv vor uns, das über ein Dutzend namenhafte und sicher weit mehr unbekannte Interpretationen erfahren hat. Da mir Phantastik im Allgemeinen und surreale Kunst im Besonderen sehr zusagen, finden sich in dieser Reihe viele reizvolle Bilder für meine und damit auch Eure Augen.

Seht Euch ruhig reuelos satt an meisterhaft inszeniertem Wahnsinn. Aber mal ehrlich – reinigt der Genuss, nein das Durchfühlen von Wahn, Alptraum und Qual in seinen archetypischen Facetten wirklich von all dem Negativen – Weltschmerz – so wie es die Katharsis-Lehren seit Aristoteles wiederkäuen? Ich zweifle meinerseits stark daran, aber wie immer gilt in Quanzland: Reflektiere ein Jeder für sich selbst und lausche ein wenig in die mentale Stille, ob da eine Antwort auf diese freche Frage lauert.

Mehr zu den vielen verschiedenen Versionen der verängstigenden Visionen des Heiligen Antonius, meist farbenfroh koloriert und immer wunderbar-fantastisch inspiriert, wird in Zukunft vorgestellt – fest versprochen!

In tiefer Versenkung und mit einer nicht so tiefen Verbeugung, Euer Satorius

#CDF3 @ Der Mönch, das Meer und eine Wissensgrenze

Caspar David Friedrich (1779 – 1840), Der Mönch am Meer (um 1808 – 1810; Berlin: Alte Nationalgalerie)


Ein vereinzelter Mönch in der stummen Begegnung mit einem ozeanisch-düsteren Horizont, kaum mehr Semantik und Zeichenfähiges liefert dieses Werk dem nüchternen Rezipienten, der ohne Lust an Kunstkritik wahrnimmt. Ob der Mönch in metaphysischer Versenkung über die schleichende Tötung Gottes durch den Menschen verzweifelt oder unter der schier ewigen Wiederkehr physischen Kriegsleids in Europa leidet, bliebt eben so offen, wie der Horizont düster und unbestimmt ist. Ob Düsternis für einen Künstler jenseits der Lichtmetaphorik negativ im nicht-logischen Sinne gewesen war, klingt als Interpretationsfrage schon ein wenig konkreter und werkimmanenter. Bevor hier ernstlicher Prinzipienbruch droht: genug des versuchten Sinns.

Derweil bleibe ich meinem philosophischen Credo auch hier treu und stelle maximal derartige, neugierige Fragen an ein singuläres Phänomen, das Bild ist und Text sein kann, aber nicht muss. Historischer Kontext, geistesgeschichtliche Trends, biografische Situation oder werkspezifische Analyse sind allesamt nur mehr oder weniger gesicherte Perspektiven auf ein einzigartiges Phänomen. Als mehr oder weniger elaborierte, methodisch versierte Theorien und Modele der Welt vermögen sie so einiges zu leisten; nicht aber die Offenheit eines intellektuellen oder ästhetischen Ereignisses total zu schließen. Für diese kühne Behauptung braucht es nicht einmal ein Werk von kunsthistorischem Rang, dazu reicht bereits ein kleiner putziger, profan-schmutziger Gedanke, ein Wort oder ein Zeichen – alle sind offen und dynamisch.

Warum Caspar David Friedrich dieses Werk auf diese Weise zu dieser Zeit geschaffen hat? Wer weiß das schon – sicher ist nur eines: Er hatte seiner Mit- und Nachwelt etwas zu sagen. Was das sei, bleibt pure Spekulation. 

Wenn ich mir hingegen die nachfolgende, wissenschaftliche Darstellung über die Entstehungszeit des ästhetischen Werks betrachte, hier nicht ganz zufällig eine geschichtlich-politisch-kartographische Abstraktion, dann komme ich ernsthaft ins Grübeln: Wer fängt die Zeit und ihren Geist wohl besser ein, wer stellt die vergangene Welt nicht nur unter ästhetischen Gesichtspunkten glaubhafter, fühlbarer und feinsinniger dar? Urteilt selbst und kneift vorsichtshalber die Augen zusammen, denn es droht ein beinahe expressionistischer Farbenschauer. Ohne das die Wissenschaft dadurch dem romantischen Mönch besonders überlegen wäre, sind beide ein Zugang zur Vergangenheit.


Putzger, Historischer Weltatlas (89. Auflage, 1965)


Einem grotesken Stillleben gleich, vergleiche ich hier nicht nur Äpfel mit Birnen, sondern setze einfach mal Ästhetik und Schein gegen Logik und Wissen – vielleicht gar Sein – in Szene: unfair, unsauber, unverschämt und unsagbar unnötig. Oder lässt sich die unbestimmt-offene Atmosphäre des düsteren Horizontes auch noch in unseren historisch-helllichten Tage interpretativ übertragen?

Der politische Status quo, von Technologie und Ökonomie damit grob abstrahiert, ist vielleicht gar nicht so anders, wie vor 200 Jahren. Jedenfalls ist der globale Zustand nicht so anders, wie der Vergleich unzeitgemäß und unangemessen scheint. Ach könnte ich nur malen, ergebe sich vielleicht gar Sinn. 

So, genug des dilletantischen Wilderns in disziplinär-fremden Gefilden; euch und mir ausgewogene Träume, Euer Satorius 

#CDF2 @ Düsteres Alptraumland

Nach einem hoffnungsvollen, sattfarbigen Fernblick in singuläre Traumländer, bietet uns das zweite Werk des gleichen Künstler ein gänzlich anderes Motiv in fast umgekehrter Stimmungsfarbe: Albtraumland liegt hier assoziativ näher.

Aber was wäre Himmel ohne Hölle, Licht ohne Schatten, Glück ohne Trauer? Eine solche programmatische Monotonie wäre sowohl ästhetisch ermüdend als auch der launischen Oszillation des wirklichen Lebens absolut unangemessen. Ein Romantiker ohne Sinn für die Ambivalenzen des Lebens erschiene mir überdies reichlich verdächtig.

In Vorfreude auf ein nostalgisch-genussvolles Wochenende, Euer Satorius

Caspar David Friedrich (1779 – 1840), Abtei im Eichwald (um 1809 – 1810; Berlin: Alte Nationalgalerie)

#CDF1 @ Singuläres Traumland

Da bildende Kunst nach meinem Verständnis pure Singularität erzeugt, sobald sie wahrgenommen und bedacht wird, verweigere ich jeden inhaltlichen Kommentar. Zum Kontext allerdings reicht ein einziges Wort, welches gleichwohl weder der einzigartigen Zeit noch dem eigenwilligen Künstler gerecht werden kann: Romantik!

Lassen wir uns von einem ersten Bild aus einer mehrteiligen Folge von Bildern entführen, tief hinein in eine fremde Zeit und eine andere Welt. Damit verbindet sich auch ein Apell, soviel nämlich von seiner eigenen Welt stillzustellen, wie möglich, und sich einzustimmen, einzulassen auf das andere Subjekt im und hinter dem Objekt. Hier und heute bittet uns namentlich einer der bekanntesten Maler Deutschlands – Caspar David Friedrich – mit einem seiner bekanntesten Werken – den Lebensstufen – in (s)eine romantische Welt.

Auf den Weg ins Traumland, Euer Satorius

Nachtrag der Metatext-Redaktion: Im Idealfall führt ein Klick auf das Bild zu dessen vollpixeligem Genuss – also munter klicken und klotzen!


Caspar David Friedrich (1774 – 1840), Lebensstufen (um 1835; Leipzig: MdBK)