Fiktionale Kleinode

#HB1 @ Fantastisch-finstere Visionen eines Heiligen

Hieronymus Bosch (1450 – 1516), Die Versuchung des Heiligen Antonius (um 1505 – 1510; Lissabon: Museu Nacional de Arte Antiga)

Hier haben wir ein Thema und ein Motiv vor uns, das über ein Dutzend namenhafte und sicher weit mehr unbekannte Interpretationen erfahren hat. Da mir Phantastik im Allgemeinen und surreale Kunst im Besonderen sehr zusagen, finden sich in dieser Reihe viele reizvolle Bilder für meine und damit auch Eure Augen.

Seht Euch ruhig reuelos satt an meisterhaft inszeniertem Wahnsinn. Aber mal ehrlich – reinigt der Genuss, nein das Durchfühlen von Wahn, Alptraum und Qual in seinen archetypischen Facetten wirklich von all dem Negativen – Weltschmerz – so wie es die Katharsis-Lehren seit Aristoteles wiederkäuen? Ich zweifle meinerseits stark daran, aber wie immer gilt in Quanzland: Reflektiere ein Jeder für sich selbst und lausche ein wenig in die mentale Stille, ob da eine Antwort auf diese freche Frage lauert.

Mehr zu den vielen verschiedenen Versionen der verängstigenden Visionen des Heiligen Antonius, meist farbenfroh koloriert und immer wunderbar-fantastisch inspiriert, wird in Zukunft vorgestellt – fest versprochen!

In tiefer Versenkung und mit einer nicht so tiefen Verbeugung, Euer Satorius

Politische Plaudereien am revolutionären Frühstückstisch

„Hier du, früher, das mit dem Feudalismus und der Ständehierarchie, das war echt ne klasse Sache! Zurück zur Monarchie!“, sage ich, mitten ins Blaue hinein.

„Nein, du Dummerchen“, unterbricht mich Plutokrach mit mildem Spott, „das ist keinesfalls denkbar: klingt scheiße, ist auch wirklich scheiße und nicht mal annähernd diskussionswürdig!“

„Die Attische Demokratie und die Römische Republik, so stelle ich mir das vor. Das waren zwei erstklassige Epochen, ganz gewiss gute Vorbilder. Die Namen gehen nicht nur leichter von den Lippen, die klingen sogar richtig gut!“, wirft Pita kross ein.

„Da hat er Recht, wobei die moderneren Formen eine gute Weiterentwicklung der antiken Vorläufer waren: England, Amerika, Frankreich, EU und Co. Kg., Inc., Copyright, TM waren echt optimal“, schließt sich Plutokrach mit einem verschwörerischen Lächen auf den Lippen an.

„Das nehme ich doch auch. Nicht lang zögern, zugreifen und reinbeißen. Herr Ober, ein Mal Demokratie & Republik, aber zackig bitte. Gut durchgebraten, also well done meine ich. Ja, so mag ich die beiden am liebsten – Hauptsache nicht mehr blutig!“, lallt Highmitch im Vollrausch vor sich hin.

„Ey, Highmitch, du bist ein Hohlkopf! Aber für euch anderen, habe ich ein paar Einwände und Erwägungen: Das alles hat damals nur funktioniert, weil der üppige Wohlstand, der diese Staatsformen mitunter überhaupt erst ermöglicht hat, von Zwang, Raub und Krieg getragen wurde. Ohne Sklaven für die harte Arbeit, Frauen für Heim und Herd und Barbaren zum Plündern wäre in der Antike nicht viel gelaufen. Und in der Neuzeit – tja – da waren es die indoktrinierten Arbeiter und kompetenten Karrieristen, Massen an bequemen und unmündigen Wähler. Eigentlich herrschte weltweit ein politisch ungezügelter, höchst asymmetrisch angelegter Konsumkapitalismus, der in Kombination mit einer weltweiten Finanzmafia, den sog. Banken und ihren Anlegern, die Mitmenschen an der Nase herumführten. Zahlen und Wachstum waren mehr Wert als die Menschenkinder und ihre Mutter Erde. Glaubt mir einfach, das war echt nicht ohne damals. Wenn man genauer hinschaut war die Angelegenheit höchst doppelbödig und dubios; destruktiv und desaströs ja allemal, wie wir alle wissen sollten. Wir müssen uns endlich mal was wirklich Neues ausdenken. Die Vergangenheit und ihrer politischen Ideale sind aber definitiv eine gute Inspirationsquelle, dagegen habe ich nichts einzuwenden – aber eben nicht mehr als das“, wendet Galle in einem bitter-utopischen Monolog ein.

Alle starren wir ihn an, sagen aber unsererseits Nichts. Damit bringt er unsere ansonsten so illustre Runde abrupt zum Schweigen. So sitzen wir minutenlang am verschwenderisch gedeckten Frühstückstisch und grübeln, jeder für sich, stumm und nachdenklich vor uns hin. Jeder spekuliert, analysiert, differenziert und entwirft letztlich mehr oder weniger plausible politische Systeme für die eigene und vor allem für unsere gemeinsame Zukunft. Nach der Revolution ist vor der Revolution, das wäre doch sicher ein tolles Motto. Das denke ich mir gerade noch als plötzlich Geschichte, Mensch und Zufall in einem Affenzahn auf uns zugerast kommen und uns alle zusammen …

So stelle ich mir gute Science-Fiction-Dramatik vor, nicht so seicht und implizit, wie hier nun als Text-Fast-Food folgt. Die dreibändige Buchreihe von Frau Collins ist trotzdem und allem anderen, was man einwenden mag und könnte, irgendwie dennoch lesens- bzw. in meinem Fall genauer hörenswert gewesen. Und schön anzusehen ist ihre zügig zurechtgeschnittene Hollywood-Verwurstung allemal: Popcorn in the hands, it’s Mainstream-Time!

Mit parodistischen wie frühmorgendlichen Grüßen, Euer Satorius


 

»Und wenn wir gewinnen, wer würde dann die Regierung bilden?«, fragt Gale.

 

»Alle«, antwortet Plutarch. »Wir werden eine Republik gründen, in der die Einwohner jedes Distrikts einschließlich des Kapitals ihre eigenen Vertreter wählen können, damit diese in der Zentralregierung für sie sprechen. Schau nicht so skeptisch! Das hat früher auch schon mal funktioniert.«

 

»In Büchern«, brummt Haymitch.

 

»In Geschichtsbüchern«, sagt Plutarch. »Und wenn unsere Vorfahren das konnten, dann können wir das auch.«

 

Mit unseren Vorfahren sollten wir eigentlich nicht so angeben, finde ich. Wenn man sieht, was sie uns hinterlassen haben, die Kriege, den zerstörten Planeten. Offensichtlich haben sie sich keine Gedanken über die Leute gemacht, die nach ihnen kamen. Trotzdem, die Idee mit der Republik klingt verlockend im Vergleich zu unserer jetzigen Regierung.

 

Suzanne Collins (1962 – ), Die Tribute von Panem – Flammender Zorn: S.106f. (Band 3; 2011)