Text-Fast-Food

Über dreifaltige Narrheit und milde Paradoxie

Etwas weniger ominös als das vorherige, erscheint das heute aufgefundene Text-Fast-Food dafür in Rückblick auf den Zusammenhang milde paradox. Wenn ein politischer Aktivist, dessen gewaltfreies Handeln ihn trotzdem zum Terroristen degradiert, nach einer über Monate unablässig fortgeführten Zitat-Anschlagserie überall in Quanzland auf einmal solche Töne, wie unten zu lesen, anschlägt, mischen sich Reue, Subversion und Radikalität untrennbar miteinander. Überdies die erste Dopplung eines Werks in dieser Folge, was entweder bedeutsam, irrelevant oder beides auf einmal sein könnte.

Einen guten Ausklang des Wochenendes, Euer Satorius


Soll ich zusammenfassen, was ich in meiner Einsamkeit und Freiheit gelernt habe? Das Gespinst des Lebens ist ein wunderbarer und sinnloser Tanz. Das Gespinst des Lebens ist ein Prozeß [sic!] mit einem beweglichen Ziel. Das Gespinst des Lebens ist ein vollkommenes Kunstwerk genau da, wo ich im Augenblick sitze. Diese Annahmen können innerhalb der Logik nicht alle zutreffen, aber sie sind trotzdem wahr. Um so schlimmer für die Logik.

 

[…]

 

Die größte Narrheit überhaupt ist die Annahme, dieser Augenblick könnte anders sein als er ist. Die zweitgrößte Narrheit ist, sich trotzdem für den Augenblick, so wie er ist, die Schuld zu geben. Die drittgrößte Narrheit ist, einen anderen Sündenbock zu finden. Die erste Narrheit heißt Phantasie [sic!, auch wenn es so schöner aussieht], die zweite Gewissen und die dritte Weltverbesserei. Diese Narrheiten sind allesamt Perversionen der Sprache, die auf dem Unterschied gründen zwischen dem, was wir uns vorstellen können und dem, was wir tatsächlich vorfinden und ertragen. Gerade diese Sprachperversionen haben uns zu Menschen gemacht und vielleicht machen sie uns eines Tages zu mehr als das. Wären wir völlig gesund, würden wir nie über etwas anderes nachdenken als das, was wir vorfänden und ertrügen, so wie andere Tiere.

 

Robert Anton Wilson (1932 – 2007), Die Illuminaten-Chroniken Band 3 – Der Schöpfer: S. 119f. (1992)

 

Etwas Ominöses für Zwischendurch

Die Frequenz der sog. Gedanken-Attentate unseres unbekannten Textspenders nahm zwar ab und der Sinn seiner Taten erschließt sich kaum mehr, aber er macht beharrlich weiter und fährt in seinem ominösen Tun fort. Schlau werde aus diesem Text-Fast-Food, wer will:


 

Was empfindet man? Was sieht man? Wunderbare Dinge, nicht wahr? Außergewöhnliche Schauspiele? Ist es wirklich schön? Und wirklich schrecklich? Und wirklich gefährlich? – Dies sind die gewohnten Fragen, welche die Unerfahrenen mit  einer gewissen, mit Furcht vermischten Neugier an die Eingeweihten richten. Man könnte sagen, es sei eine kindliche Ungeduld, etwas zu erfahren, wie sie beispielsweise bei Leuten, die ihre Ecke am Kamin nie verlassen haben, vorkommt, wenn sie sich einem Menschen gegenüber sehen, der aus fernen und unbekannten Ländern zurückkehrt.

 

Charles Baudelaire (1821 – 1867), Die künstlichen Paradiese: S. 23. (III. Das „Theatre de Seraphin“; 1860)

 

Der Preis der Tiefe

„Müssen Sie stets so paradox reden, guter Mann?“

 

„Das ist kein Oxymoron. Jene, die ein glückliches Leben führen, können nach den Dingen fragen, die unter der Oberfläche liegen. Wir aber, die wissen, was sich unter der Oberfläche verbirgt, wollen jede Illusion so lange wie möglich genießen. Die Farbe einer vollkommenen englischen Rose ist in meinem Kopf und nicht in der Blume, aber ich ergötze mich lieber an der Farbe als mir solche dummen Gedanken zu machen. Überlassen wir die Philosophie den Unschuldigen. Wir Veteranen des Abgrunds ziehen die Rosen, den Sonnenuntergang und schöne, nichtssagende Musik vor.“

 

„Bei Gott. Mann, Sie wissen ja selbst nicht, ob Sie ein sentimentaler Zyniker oder ein zynischer Gefühlsmensch sind.

 

„Ich bin überzeugt, daß [sic!] es gefährlich ist, auf die Tiefe zu vertrauen, egal ob auf See oder an Land. Tiefgründige Menschen, tiefe Emotionen, tiefer Glauben, abgründige Gedanken und tückischer Treibsand — das alles ist gefährlich. Mir ist das Oberflächliche und Fröhliche lieber. Die Diebe und Strolche in der Regierung, die ich zuvor erwähnte, sind nur ein kleines Ärgernis, ein ehrlicher Politiker aber kann eine internationale Katastrophe auslösen.“

 

Robert Anton Wilson (1932 – 2007), Die Illuminaten-Chroniken Band 3 – Der Schöpfer: S. 37 (1992)


Dieses nächste, sporadisch daherkommende Text-Fast-Food entstammt einem dreibändigen Werk, das ich zufällig auch schon gelesen habe und definitiv als Fiktionales Kleinod zur Lektüre anempfehlen kann. Wenn man es insgesamt mit Wilsons Werk nicht allzu ernst nimmt, dann erhält der Leser darin viele ernstlich erwägenswerte Gedanken und vielleicht sogar die eine oder andere Weisheit zum Denkangebot. Voller Ironie und Humor, reich an Bezügen und mit polemischem Witz geschrieben werden tiefe Themen zumeist unterschwellig, teils auch ziemlich offensiv zur Sprache gebracht.

Getragen von einem sorglosen Idealismus und anarchisch frei von missionierender Sophistik wird die Gefahr heilig-missionarischen Eifers erfolgreich vermieden. Denn auf die tiefen Fragen und die abgründigen Spekulationen, die er vielstimmig und variantenreich inszeniert antworten lässt, könnte man durchaus mit philosophischer Passion und leidenschaftlichem Ernst reagieren. Ein Paradebeispiel spielerischen Umgangs mit Fragen großer Tiefe. Folgte man diesen quer durch sein vieltausendseitiges Lebenswerk, so ginge man auf verschlungenen, alles anderen als akademischen Pfaden wohl einmal eklektischen Schrittes den Themenkreis der philosophischen Tradition ab. Die meisterliche Verschränkung von Fiktion und Wissen, Wahrheit und Wahn letztlich immer auch von Ethik und Ästhetik gipfelt in einer im besten Sinne postmodernen und davon unabhängig in großer Literatur. Es drängen sich mir gerade Assoziationen an Jaques Derridas Idee der Dekonstruktion von Text und Welt auf, die ich Euch hier aus Rücksicht auf Interesse und Gemüt erspare.

Weitere lesenswerte Bücher dieses genial-komischen Barden tragen klangvolle Titel wie Illuminatius!, Cosmic TriggerDie neue Inquisition und Schrödingers Katze. Meine Auslassung von weiteren Schriften und der Hang zum Schreiben von Trilogien multiplizieren hierbei das Lesevergnügen nochmals.

Obacht also vor den Tiefen und viel Freude mit guter Illusion, Euer Satorius

Und wie haltet ihr es mit dem Unendlichen?

Ich weiß nicht, wer mich in die Welt gesetzt hat, und auch nicht, was die Welt und ich selbst sind; ich bin schrecklich unwissend in allen Dingen; ich weiß nicht, was mein Körper, meine Sinne, meine Seele und selbst jener Teil meines Ichs sind, der denkt, was ich sage, der über alles und über sich selbst Betrachtungen anstellt und sich nicht mehr als das übrige erkennt.

 

Ich sehe diese entsetzlichen Weiten des Weltalls, die mich einschließen, und ich finde mich an einen Winkel dieses gewaltigen Raums gefesselt, ohne daß [sic!] ich weiß, warum ich an diesen Ort und nicht vielmehr an einen anderen gestellt bin und warum diese kurze Frist, die mir zu leben gegeben ist, mir gerade zu diesem Zeitpunkt und nicht vielmehr zu einem anderen der ganzen Ewigkeit, die mir vorausgegangen, und der ganzen Ewigkeit, die auf mich folgt, bestimmt ist. Ich sehe überall nur Unendlichkeiten, die mich wie eine Atom und wie einen Schatten einschließen, der nur einen unwiederbringlichen Augenblick lang dauert.

 

Blaise Pascal (1623 – 1662), Gedanken. Über die Religion und einige andere Themen: Fragment 681 (Anhang; 1669)


Ungewohnt sensible, fast rechtfertigende Töne von unserem subversiven Unruhestifter. Trotz aller Mutlosigkeit und Verzweiflung, die in diesem wortreichen Text-Fast-Food mitschwingen, dennoch eine irgendwie tröstliche, eröffnende Perspektive. Im ungetrübten Blick ins Antlitz metaphysisch-physischer Unwissenheit und Bedeutungslosigkeit liegt nämlich auch ein kraftvoller Quell von tiefer Gelassenheit und kreativer Selbstbehauptung verborgen.

Wo nichts sicher, überhaupt nichts absolut bestimmt ist, da kann ich wählen und durchaus auch mal wählen lassen – je nach Temperament und Situation aktiv oder passiv, demütig oder mächtig. Womit wenigstens ein paar kleine semantische Bojen im Ozean der Existenz verankert und damit ein Halt im Angesicht des Unendlichen angeboten werden soll.

Da ich mächtig müde bin, ergebe ich mich nun aktiv und in Demut der Passivität des Schlafes, Euer Satorius

#SD1&2@Das doppelte Dalí-Delirium

Salvador Dalí (1904 – 1989), Die Metamorphose des Narziss (1937; London: Tate Gallery)

Dada düngt derzeit da, 

da Dalis Dasein deliziös dekantiert daherkommt. 

Denn derweil Dali das Denken derangiert,

deflagrieren die dollsten Deutungen.

Salvador Dalí (1904 – 1989), Die Auflösung der Beständigkeit der Erinnerung (um 1952 – 1954; New York: MoMA)

Deprimiert das den dahergelaufenen Deutungs-Debütant,

dann darf dieser dennoch das Doppelpack dekonstruieren.

Dada deduziert digitales Delirium,

deshalb den derben Denk-Durchfall desinfiziert deponieren.

Dekonstruktive Spukgeschichte

Wenn ich mich anschicken, des langen und breiten von Gespenstern zu sprechen, von Erbschaft und Generationen, von Generationen von Gespenstern, das heißt von gewissen anderen, die nicht gegenwärtig sind, nicht gegenwärtig lebend, weder für uns, noch außer uns, dann geschieht das im Namen der Gerechtigkeit. Der Gerechtigkeit dort, wo sie noch nicht ist, noch nicht da, dort, wo sie nicht mehr ist, das heißt da, wo sie nicht mehr gegenwärtig ist, und da, wo sie, ebensowenig wie das Gesetz, niemals reduzierbar sein wird aufs Recht.

 

Jacques Derrida (1930 – 2004), Marx‘ Gespenster – Der Staat der Schuld, die Trauerarbeit und die neue Internationale: S. 10f. (Auftakt; Hervorhebungen entsprechen dem Original; 1996)


Einer der Gründe – welch sibyllinische Synchronizität -, wegen denen ich kaum zum Ausbau dieser Seite komme, liefert hier das Material für ein weiteres eindrucksvolles Exempel der Gattung Text-Fast-Food. Denn just zitiertes Werk steht ganz oben im Literaturverzeichnis einer Arbeit, die ich im Rahmen meines Fernstudiums während der Reise verfasse. Allerdings verfolgen mich besagte Gespenster dank hunderten Seiten solcher und noch verfemterer Beschwörungsformeln seit geraumer Zeit – sogar bis in die Tiefen der Nacht!

Möge die Eure ruhig und friedlich verstreichen, Satorius der Ghostbuster        

Fortschrittliche Affen

Einst haben die Kerls auf den Bäumen gehockt,
behaart und mit böser Visage.
Dann hat man sie aus dem Urwald gelockt
und die Welt asphaltiert und aufgestockt,
bis zur dreißigsten Etage.

 

Da saßen sie nun, den Flöhen entflohn,
in zentralgeheizten Räumen.
Da sitzen sie nun am Telefon.
Und es herrscht noch genau derselbe Ton
wie seinerzeit auf den Bäumen.

 

Sie hören weit. Sie sehen fern.
Sie sind mit dem Weltall in Fühlung.
Sie putzen die Zähne. Sie atmen modern.
Die Erde ist ein gebildeter Stern
mit sehr viel Wasserspülung.

 

Sie schießen die Briefschaften durch ein Rohr.
Sie jagen und züchten Mikroben.
Sie versehn die Natur mit allem Komfort.
Sie fliegen steil in den Himmel empor
und bleiben zwei Wochen oben.

 

Was ihre Verdauung übrigläßt,
das verarbeiten sie zu Watte.
Sie spalten Atome. Sie heilen Inzest.
Und sie stellen durch Stiluntersuchungen fest,
daß Cäsar Plattfüße hatte.

 

So haben sie mit dem Kopf und dem Mund
Den Fortschritt der Menschheit geschaffen.
Doch davon mal abgesehen und
bei Lichte betrachtet sind sie im Grund
noch immer die alten Affen.

 

Erich Kästner (1899 – 1974), Die Entwicklung der Menschheit (1932)


Ein neues Jahr, das für Euch hoffentlich wunschgemäß gut verlaufen wird, bietet mir leider weiterhin wenig Gelegenheit, für Quanzland zu texten. In diesem Sinne liefere ich bloß wieder schnödes Text-Fast-Food. Immerhin bleibt der anonyme Unruhestifter, dem wir dieses weitere Exemplar verdanken, fast so umtriebig wie zuvor; nun sogar mit leicht bekömmlicher Lyrik.

Mit reu– sowie demütigem Gruß, Euer Satorius    

Fast-Food nur mehr Fast-Food

Das „Ende der Welt“ kann entropischen Untergang bedeuten, der alles begräbt; dann enthalten gerade die Äonen keine Spur mehr von unseren Erdentagen. Anders jene hypothetisch-helleren „Natur-Vollendungen“, sie verbinden sich, wo sie behauptet wurden, mit menschlicher Meta-Historie; gleichsam erst mit einer Zukunft der menschlichen Zukunft, mit einem totaliter Neuen, mit einer nicht nur echten, sondern absoluten Zukunft.

 

Ernst Bloch (1895 – 1977), Experimentum Mundi. Frage, Kategorien des Herausbringens, Praxis: S. 95f. (1975)


Die liebe Zeit – ist wohl eines der kostbarsten Güter. Da ich sie für Brot(-zutaten-)erwerb und Brotzubereitung einsetze, bleibt hier wieder nur von Text-Fast-Food zu berichten. Nebenbei fließt noch viel Schreibzeit in andere Textbaustellen, deren Prioritäten Quanzland leider übertreffen. Vielleicht landet gelegentlich ein Ergebnis dieser Textarbeiten hier zur allgemeinen Begutachtung. Eventuell passiert bald wieder etwas, möglicherweise aber auch nicht, sicher aber letztlich dann doch irgendwie.

Keine Macht der Weihnacht, Euer Satorius

Offenbarung der Hure!

Und es kam einer von den sieben Engeln, die die sieben Schalen hatten, redete mit mir und sprach: Komm, ich will dir zeigen das Gericht über die große Hure, die an vielen Wassern sitzt, mit der die Könige auf Erden Hurerei getrieben haben; und die auf Erden wohnen, sind betrunken geworden von dem Wein ihrer Hurerei. Und er brachte mich im Geist in die Wüste. Und ich sah eine Frau auf einem scharlachroten Tier sitzen, das war voll lästerlicher Namen und hatte sieben Häupter und zehn Hörner. Und die Frau war bekleidet mit Purpur und Scharlach und geschmückt mit Gold und Edelsteinen und Perlen und hatte einen goldenen Becher in der Hand, voll von Greuel und Unreinheit ihrer Hurerei, und auf ihrer Stirn war geschrieben ein Name, ein Geheimnis: Das große Babylon, die Mutter der Hurerei und aller Greuel auf Erden. Und ich sah die Frau, betrunken von dem Blut der Heiligen und von dem Blut der Zeugen Jesu. Und ich wunderte mich sehr, als ich sie sah.

 

Johannes von Patmos, Martin Luther (Hrsg.) et al. (Nicht zuverlässig datierbar), Die Offenbarung des Johannes. In: Die Bibel – Das Neue Testament, 17,1 – 17,6 (68 – 96 n. Chr.)


Illustration aus der Ottheinrich-Bibel (Text vermutlich 1425 – 1430; Bilder ca. 1530 – 1532), Die Hure Babylon


Ein Lebenszeichen; sowohl von mir, als auch von unserem anonymen Unruhestifter! Die kürzlich bestrittenen Etappen meiner Route waren einfach zu spannend und (zeit-)intensiv. Was sage ich, sind es noch immer. Für die schnell Offerte dieses Fundstücks an Text-Fast-Food und Lichtrausch finde ich gerade noch die Zeit. Stilistisch-seltsame Register hat er gezogen. Bild und Text mit religiösem Hintergrund und hierbei sogar eines der hermetischsten Bücher der Bibel, lassen aufhorchen und verwundern wenigstens mich. Glassklar ist trotz aller Esoterik immerhin Eines: Wer die hier gemeinte Hure ist; seine erklärten Feinde nämlich, die aktuelle Obrigkeit von Quanzland und ihre Unterstützer wie mancher allzu hörige Untertan!

Dieser Tage sind mir die dortigen, politischen Verhältnisse jedoch noch höchst suspekt, deswegen meine vage Sprache. Als ich vor vielen Jahren fortging, war das politische System samt seiner Zivilkultur noch leidlich freiheitlich-demokratisch. Allerdings zeichneten sich schon damals erste Verfallserscheinungen und weitreichende Tendenzen ab, die mir große Sorge bereiteten. Mitunter waren diese Fehlentwicklungen und mein Umgang mit ihnen ein Grund für meinen nicht ganz freiwilligen Weg ins Exil. Bevor ich nun aber – entgegen meinem Vorsatz – ins Erzählen gerate: schnell weiter, es gibt so viel zu erleben!

Hoffentlich bald wieder mit mehr Zeit für Text, Welt und vor allem Euch, Satorius

Zeitlose Satire

Werden wir sie nicht mit gutem Recht die Töricht-Weisen nennen, da sie doch in Wirklichkeit überaus töricht sind, aber weise wie Thales erscheinen wollen? Unsere zeitgenössischen Rhetoren machen es offenbar so und kommen sich wie Götter vor, wenn sie doppelzüngig auftreten wie die Blutegel. Sie tun sich etwas darauf zugute, ihr Latein da und dort mit einigen griechischen Brocken gleichsam zu verbrämen, auch wenn sie gar nicht am Platze sind. Fehlen ihnen Fremdwörter, graben sie vier oder fünf Worte aus vergilbten Pergamenten aus und benebeln den Geist des Leser.

 

Erasmus von Rotterdam (1466 – 1536), Lob der Torheit: S. 15 (1511)


Unser Lieblings-Terrorist besitzt scheinbar Selbstironie oder täuscht sie doch immerhin vor. Ein erwähnenswert lesenswertes Werk, aus dem hier zitiert wird. Sogar ganz ohne Urheberschutz und damit frei – wie lebendige Gedanken sein sollten; ebenso frei verfügbar (Link zur PDF, mit bestem Dank an den Hoster auf http://www.welcker-online.de/). Das gesamte Buch belegt eindrucksvoll, wie schonungslos radikal und zugleich sympathisch humorvoll sich Geist in einem Text entfalten kann. Einer solch pergamentenen Satire verzeiht man – wie auch sonst – gerne den bisweilen sperrigen, gar gestelzten Stil.

Eine gute Nacht, Euer Satorius