Text-Fast-Food

Zeichen über Zeichen, … über Zeichen

Kann man das folgende Text-Fast-Food tatsächlich als subtile, pragmatisch-abstrakte Selbstauskunft werten oder doch nur als verwirrenden Gedankenfick? Man verzeihe mir diese derbe Sprache, aber das englische Kunstwort Mindfuck ist für mich eines der treffend-prägnanten Zeichen, mit welchen ich die bisherigen Funde und deren vermeintlicher Hintergrund interpretiere. Machen wir uns also weiter auf der Suche nach Zeichen in den Buchstaben und sofern wir keine zu finden vermögen, sind wir vielleicht dennoch prinzipiell frei, uns welche vorzustellen:


 

Ein Zeichen fungiert nicht als Zeichen, wenn es nicht alssolches verstanden wird. […]Dieses interpretierende Zeichen fungiert wie jedes Zeichen nur als Zeichen, insofern es seinerseits interpretiert wird, das heißt, daß [sic!] das Zeichen tatsächlich oder virtuell ein Zeichen desselben Objekts bestimmt, für das es selbst ein Zeichen ist. Also gibt es eine im Prinzip endlose Folge von Zeichen, wenn ein Zeichen verstanden wird, und ein Zeichen, das niemals verstanden wird, kann kaum ein Zeichen genannt werden.

 

Charles Sanders Peirce (1839 – 1914), Regeln des richtigen Räsonierens, in: Semiotische Schriften – Band 1, S. 424 (1902)

Eine schwergewichtige Frage

Wie, wenn dir eines Tages oder Nachts, ein Dämon in deine einsamste Einsamkeit nachschliche und dir sagte: „Dieses Leben, wie du es jetzt lebst und gelebt hast, wirst du noch einmal und noch unzählige Male leben müssen; […] die Frage bei Allem und jedem „willst du diess [sic!] noch einmal und noch unzählige Male?“ würde als das grösste [sic!] Schwergewicht auf deinem Handeln liegen!

 

Friedrich Nietzsche (1844 – 1900), Fröhliche Wissenschaft: S. 143 (Abschnitt 341; 1882)


Nachdem ich einige Tage kein Text-Fast-Food mehr gesichtet habe, ist mir nun endlich mal wieder eines ins Netz gegangen. Es scheint sich eine Vorliebe für Nietzsche herauszustellen, was aber angesichts des geistes-terroristischen Hintergrunds wenig verwundert. Wer mit dem Hammer zu philosophieren beliebte, dessen Denken kann seinerseits wohl mindestens als vielseitiges Werkzeug gebraucht und maximal als Waffe missbraucht werden. Eine tiefe Ambivalenz, die wohl allgemein allen Werkzeugen bzw. moderner Technologien zuteil wird. 

Was mir allerdings – um nicht weiter abzuschweifen – schleierhaft bleibt: Warum gibt sich der kriminelle, böse und verachtenswerte Rebell überhaupt die Mühe, sich immer wieder wissenschaftlichen Gepflogenheiten der korrekten Zitation zu unterwerfen; schlichter Mangel an Aufmerksamkeit oder doch eher die Anerkennung eines wichtigen Teils der Kultur von Quanzland aller radikalen Subversion der Ordnung zum Trotz? Womöglich ist dieser Terrorist mit Liebe zur akademischen Welt der Wissenschaft nicht der perfide und ketzerische Mann, den die Administration in all ihren Proklamationen heraufbeschwört. 

Ich jedenfalls finde dieses widersprüchliche Detail auffällig, wenn man die Aktion mit dem Text-Fast-Food als solches und die anderen, weniger intellektuellen Taten betrachtet, die diesem Täter und seinen Kreisen – vermutlich nicht ganz zu Recht aber auch nicht ganz zu Unrecht – angelastet werden. Falls einige von Euch über diese anderen Taten auf ihren Wegen noch nichts vernommen haben, werde ich gelegentlich berichten, was ich in den wenigen Wochen seit dem gemeinsamen Beginn und vielleicht noch in naher Zukunft so alles aufgeschnappt habe. Man kommt viel herum und dabei vor allem in Gespräche, wenn man auf Reisen neugierig und offen ist. Besonders die Nächte nach meinen kulinarischen Zwischenstopps mal hier mal dort, sind hierfür sehr ertragreiche Quellen. Wenn sie sich auch manchmal letztlich als Sumpf entpuppt haben.

Eventuell bald wieder mit der noch ausstehenden Premiere der Diskurse der Nacht zieht weiter des Weges, Euer Satorius

Sprachphilosophischer Käse

Sowas kommt dabei heraus, wenn Sprachphilosophie sich mit Beispielen schmücken möchte und dies dann aus subversivem Antrieb als Zettelchen an einem Baum landet. Hier also dieses Stück, das mindestens ein Schmunzeln verdient.

Bis bald, Euer Satorius


Die Prozedur, ein Stück Käse auf die Waage zu legen und nach dem Ausschlag der Waage den Preis zu bestimmen, verlöre ihren Witz, wenn es häufiger vorkäme, daß [sic!] solche Stücke ohne offenbare Ursache plötzlich anwüchsen, oder einschrumpften

 

Ludwig Wittgenstein (1898 – 1951), Philosophische Untersuchungen: S. 90 (1953)

Transzendentale Kamelle

Ich nenne daher die Erklärung der Art, wie sich Begriffe apriori auf Gegenstände beziehen können, die transzendentale Deduktion derselben und unterscheide sie von der empirischen Deduktion, welche die Art anzeigt, wie ein Begriff durch Erfahrung und Reflexion über dieselbe erworben worden und daher nicht die Rechtmäßigkeit, sondern das Faktum betrifft, wodurch der Besitz entsprungen.

 

Immanuel Kant (1724 – 1804), Kritik der reinen Vernunft: S. 104 (1781)


Ein neuer, freier Tag ein neues Zitat von unserem ebenso unbekannten wie subversiven Terrorist. Immerhin schadet es uns nicht direkt und ob die öffentliche Ordnung von Quanzland so erhaltenswert ist bleibt abzuwarten. Insofern erfreuen wir uns während des Weges weiter an den Leckereien aus dem Intellektuellen Naschglas; heute mit einer etwas zäheren, dadurch nicht minder bedeutenden, trotzdem irgendwie ollen Kamelle.

Ich begebe mich weiter des Weges und melde mich gelegentlich mal mit den Eröffnungen der Diskurse der Nacht und der Kulinarik.

Beste Reisewünsche, Satorius

Plakativ-pathetische Programmatik

Nach einer anstrengenden Woche in der einen Welt, bleibt für die andere zunächst wenig Energie. Ein wenig wurde aber schon wieder geweckt, als ich kürzlich eines der bisher propagandistisch fiesesten Text-Fast-Foods gesichtete habe. Ich wähle mittlerweile aus der Fülle bewusst die Interessanteren aus. Solche, die mehr über den ideologischen Hintergrund der Anschlagsserie zu geben vermögen. Dieses Folgende ist ganz sicher von solchem Kaliber.

Gesegnet mit Wochenende grüßt die ebenso Gesegneten, Satorius


Ich bin. Wir sind.

 

Das ist genug. Nun haben wir zu beginnen. In unsere Hände ist das Leben gegeben. Für sich selber ist es längst schon leer geworden. Es taumelt sinnlos hin und her, aber wir stehen fest, und so wollen wir ihm seine Faust und seine Ziele werden.

 

Ernst Bloch (1885 – 1977), Der Geist der Utopie: S. 11 (Absicht; 1918)

… und der Mahner

Da ist mir doch kürzlich tatsächlich der eigentlich Inhalt in der Aufregung über das spannende Rätsel in Vergessenheit geraten. Ob nun öfter neben den Zitaten solche Aufgaben zu finden sein werden?

In gespannter Erwartung, Euer Satorius


Ach, das ist meine Trauer: in den Grund der Dinge hat man Lohn und Strafe hineingelogen – und nun auch noch in den Grunde eurer Seelen, ihr Tugendhaften!

 

Friedrich Nietzsche (1844 – 1900), Also sprach Zarathustra: S. 70 (1883 – 1885)

Beweismittel #1

Hier ein erstes Exempel von Text-Fast-Food! Es war eines der ersten und wurde bereits in den frühen Tagen der nunmehr mehrwöchigen Terrorserie konfisziert und direkt für interne Infoveranstaltungen von Administration und Wächterpolizei transkribiert.

Ohne weitere Kommentare zur Lektüre empfohlen. Die deutsche Übersetzung habe ich mir als Nicht-Poet trotzdem mal munter selbst angemaßt

 

Text-Fast-Food

Mit vielen Grüßen von weiter vorne auf unserer Route, Euer Satorius


If the doors of perception were cleansed every thing would appear to man as it is, Infinite. For man has closed himself up, till he sees all things thro‘ narrow chinks of his cavern.

Wenn die Pforten der Wahrnehmung gereinigt würden, so würde dem Menschen alles so erscheinen, wie es ist: unendlich. Der Mensch nämlich, hält sich selbst solange eingeschlossen, bis er alle Dinge durch die schmalen Schlitze seiner Höhle sieht.

 

William Blake (1757 – 1827), The Marriage of Heaven and Hell / Die Hochzeit von Himmel und Hölle (Frei nach Satorius): S.7 (1790 – 1793)

 

Terrorexzess mit Text-Fast-Food schädigt nicht nur Baumbestand!

Willkommen in (m)einem zweiten Text,

zu einer der rätselhaften, neueren Entwicklungen im Quanzland dieser Tage wurde mir ein bedenklich stimmender Text zugetragen. Einer Entwicklung, deren Kunde sogar bis über die Grenzen des Landes hinweg die Runde gemacht hat. Von Terror und natürlich fein säuberlich zwischen den Buchstaben versteckter Unruhe ist darin die Rede.

Vielleicht erfahren wir mehr über die Mentalität des Terroristen, wenn einige der mysteriösen Zettelchen von pflichtbewussten Bürgern entfernt oder dank der unermüdlich ermittelnden Wächterpolizisten sichergestellt werden. Aber was erzähle ich Euch! Lest erst einmal selbst, was für eine perfide Melánge aus schnöder Literatur, sophistischer Journalistik, billiger Popkultur und öffentlicher Proklamation – also Propaganda der gefährlichsten Sorte – ich in die Finger bekommen habe.


Der Weg ist gesäumt von kargen, nein kläglichen Winterbäumen und die eisigen Klippen der herannahenden Herausforderungen rauben nicht nur den erbaulichen Fernblick, sondern zuweilen auch etwas mehr, etwas tiefer, etwas weiter drinnen. Dennoch vermag es die farbenfrohe Allianz aus Horizont und Richtung der Atmosphäre etwas milde Euphorie zu spenden, ihr vielleicht sogar den feierlichen Hauch von Utopie zu verleihen.

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Die müden und mutlos gewordenen Wanderer erwarten, wenn sie sich denn auf ihrem Weg zu den Pforten des Quanzlands überhaupt je umblicken, verwitterte, auf den in Laufrichtung abgewandten Flanken der Bäume angebrachte, klitzekleine Zettelchen. Lassen die Erschöpften sich in ihrer Neugierde zugleich zu Neuem erfrischt von ihrem Weg abbringen, so werden sie mit allerlei, scheinbar erquicklichen Sentenzen, Aphorismen und Fragmenten belohnt. Mal von tiefem Geist beseelt, mal verstörend in ihrer Wahrheit, gelegentlich weise erhellend oder doch wie so häufig, verworren und unklar hinter einem Dickicht an Worten. Immer jedenfalls eines interessierten Blickes würdig; Baum für Baum, Schritt für Schritt entspannt sich ihnen rückwärts blickend ein Mosaik aus Facetten menschlicher Geisteskraft. Hier bieten sich also dem unentschlossen Ideentourist, zitatfertig aufs Dichteste hin fein filetiert, die erlesensten Bissen an Text-Fast-Food, welche die großen Ideenschmiede der Menschheitsgeschichte hervorgebracht, haben, selbstverständlich zeitgemäß to go,… but more then to-go,… to think-about.

„Bravo, welch couragierter Sozial-Aktionismus!“, könnte man bis hierhin vielleicht denken. Doch weit gefehlt, werte Mitbürger, etwas böses geht um! Was Tatortfoto und Bericht bisher bewusst und euphemistisch ausgespart haben, zerstört jeden Anflug von Anerkennung für diese Installationen sofort und endgültig. Es spuken nämlich unter diesen vermeintlich erhellenden Geistern  sehr viele gefährliche Gespenster umher, die mit versteckter aber um so spöttischeren Bitterkeit bewaffnet, subtilen Weltschmerz säend zu düsterstem Grübeln verführen. Diese inhaltliche Ambivalenz gibt neben den fatalen praktischen Folgen für den wertvollen Baumbestand, denn die klitzekleinen Zettelchen sind grotesker Weise mit vier bleiernen Kleinstheringen angebracht, großen Anlass zur Sorge um das öffentliche Wohl. In Teilen der Administration sieht man sogar die nationale Sicherheit gefährdet und fordert härtere Gesetzte sowie einen höheren Etat der Wächterpolizei. Aus diesem aktuellen, wie tief erschütternden Anlass bittet die Administration alle wachsamen Mitbürger um sachdienliche Hinweise, die zur Aufklärung der Täterschaft dieser Straftaten beitragen könnten.

Aus internen Quellen sickerte die kurz vor Redaktionsrotation die Information durch, die Taten hätten einen terroristischen Hintergrund. Sogar von einem Bekennerschreiben sei hinter vorgehaltener Hand die Rede. Es gehe dem mutmaßlichen Einzeltäter mit seiner Aktion um zweierlei: Sowohl um einen „radikalen Aufruf zum Meinungspluralismus, der aber zugleich die intellektuellen Traditionen der mannigfachen Kulturen ernstnimmt“ [Bekennerschreiben: S. 1, Vers 23f.]. Zum anderen um einen (land-)wirtschaftspolitischen Protestakt gegen privatisierte Monokulturen an hässlichen aber ertragreichen Winterbäumen. „Die demütige Schönheit der natürlichen Natur darf nicht weiterhin so schamlos einer kommerziellen Schnödheit der kulturellen Natur geopfert werden“ [Bekennerschreiben: S.83 und vgl. Fußnote 23 auf S.43], so das zweite derzeit vorliegende Zitat aus dem in seiner Existenz noch nicht bestätigten Schreiben. Hoffen wir, dass diesem Öko-Sozio-Terroristen schnell das Handwerk gelegt werden kann. In der Zwischenzeit ist jeder rechtschaffende Bürger dazu angehalten, das mysteriöser Weise immer wieder überall von Neuem angebrachte Text-Fast-Food im Sinne des Gemeinwohls zu entfernen und gut verwahrt bei der nächsten Dienststelle der örtlichen Wächterpolizei abzugeben.

Ob mit oder ohne gut verwahrten Beweismitteln für unsere treuen Wächter, das bleibt natürlich deine persönliche und freie Entscheidung. Jedoch werden diejenigen, welche zur Wahrung der Sicherheit und Ordnung beitragen, mit einem großzügigen, einjährigen Loyalitätsbonus auf ihr persönliches Grundeinkommen belohnt. Sei also frei und zugleich klug, denn das ist pragmatische Rechtschaffenheit und diese ist einer der wichtigsten Grundpfeiler der Quanzländischen Kultur. Also Vorsicht werter Wanderer, aber vor allem treuer Mitbürger, verweile nicht zu lange an solch Orten von Delinquenz und Subversion. Begib dich lieber geschwind zurück auf den guten, direkten Weg zu deine Tageszielen; und zu den Pforten eines tugendhaften Quanzlands, auf das wir alle zurecht Stolz sein können und stolzer sein werden, und sicher dir nebenbei deinen Bonus noch heute!


Was ist in meiner Heimat passiert, wenn derartige Nachrichten selbst hier am Rand der Welt, also noch kilometerweit vor den nominellen (Staats-)Grenzen von Quanzland, bereits so bedrohlich tönen? Ich werde wirklich unsicher, ob die Zeit für eine Rückkehr bereits reif ist, versuche aber trotz dieser Neuigkeiten zuversichtlich zu bleiben. Ob wir wohl auch etwas von diesem Text-Fast-Food oder besser diesen bewusstseinsverändernden Textbomben zu fassen bekommen. Ich jedenfalls bin sehr neugierig. Immerhin dieser Trost bleibt mir an diesem Punkt des Weges, womit dieses unwürdige Textstück oben tatsächlich ein profundes Stück Wirklichkeit darstellt.

Nach dieser Eröffnungsetappe unserer gemeinsamen Reise nach und später durch Quanzland ist dennoch überraschende, erste Ernüchterung eingetreten. Nachdem wir so frohgemut vor knapp einem Monat zufällig am Hafen einer unbedeutenden Stadt, an einer ebenso unbedeutenden Küste eines hingegen sehr bedeutenden Kontinents angekommen waren, war viel Zeit vergangen. Bei einem flüchtigen und sehr einseitigen, aber zufälligen und unverbindlichen Gespräch war die Rede von seltsamen Themen (Denk-Welten, Kulinarik, etc.) und von komischen Phrasen: einer wachsenden Welt, verantwortungsloser Freigeistigkeit, geistigen Tänzen. Meine Güte war da ein Stilfindungs- und insgesamt Orientierungsprozess noch unvollkommen. Nun aber hat sich das Chaos sortiert und die seltsame Abstraktheit der Welt sich damit weitgehend gelegt. Damit entstehen nun immer vertrautere Formen und Inhalte von Text und Welt.

Jeder ist in der Zwischenzeit seinen Geschäften nachgegangen und hat also auch eigene Reisevorbereitungen getroffen. Ein kleines Stück des gemeinsamen Weges sind wir nun zusammen gegangen. Aber wie es auf Reisen so ist jeder hat seine eigene Pläne und Interessen. Wir bleiben aber definitiv digital verbunden, auf der Reiseroute nach Quanzland. Ich als Rückkehrer, ihr als Touristen, werden sich unsere Wege  unweigerlich wieder kreuzen. Und achtet auf dieses womöglich wirklich lesenswerte Text-Fast-Food. Wenn ich was in dieser Richtung aufschnappe, gebe ich umgehend Nachricht davon.

Bis die Tage an einer anderen Wegeskreuzung, Euer Satorius