#CDF3 @ Der Mönch, das Meer und eine Wissensgrenze

Caspar David Friedrich (1779 – 1840), Der Mönch am Meer (um 1808 – 1810; Berlin: Alte Nationalgalerie)


Ein vereinzelter Mönch in der stummen Begegnung mit einem ozeanisch-düsteren Horizont, kaum mehr Semantik und Zeichenfähiges liefert dieses Werk dem nüchternen Rezipienten, der ohne Lust an Kunstkritik wahrnimmt. Ob der Mönch in metaphysischer Versenkung über die schleichende Tötung Gottes durch den Menschen verzweifelt oder unter der schier ewigen Wiederkehr physischen Kriegsleids in Europa leidet, bliebt eben so offen, wie der Horizont düster und unbestimmt ist. Ob Düsternis für einen Künstler jenseits der Lichtmetaphorik negativ im nicht-logischen Sinne gewesen war, klingt als Interpretationsfrage schon ein wenig konkreter und werkimmanenter. Bevor hier ernstlicher Prinzipienbruch droht: genug des versuchten Sinns.

Derweil bleibe ich meinem philosophischen Credo auch hier treu und stelle maximal derartige, neugierige Fragen an ein singuläres Phänomen, das Bild ist und Text sein kann, aber nicht muss. Historischer Kontext, geistesgeschichtliche Trends, biografische Situation oder werkspezifische Analyse sind allesamt nur mehr oder weniger gesicherte Perspektiven auf ein einzigartiges Phänomen. Als mehr oder weniger elaborierte, methodisch versierte Theorien und Modele der Welt vermögen sie so einiges zu leisten; nicht aber die Offenheit eines intellektuellen oder ästhetischen Ereignisses total zu schließen. Für diese kühne Behauptung braucht es nicht einmal ein Werk von kunsthistorischem Rang, dazu reicht bereits ein kleiner putziger, profan-schmutziger Gedanke, ein Wort oder ein Zeichen – alle sind offen und dynamisch.

Warum Caspar David Friedrich dieses Werk auf diese Weise zu dieser Zeit geschaffen hat? Wer weiß das schon – sicher ist nur eines: Er hatte seiner Mit- und Nachwelt etwas zu sagen. Was das sei, bleibt pure Spekulation. 

Wenn ich mir hingegen die nachfolgende, wissenschaftliche Darstellung über die Entstehungszeit des ästhetischen Werks betrachte, hier nicht ganz zufällig eine geschichtlich-politisch-kartographische Abstraktion, dann komme ich ernsthaft ins Grübeln: Wer fängt die Zeit und ihren Geist wohl besser ein, wer stellt die vergangene Welt nicht nur unter ästhetischen Gesichtspunkten glaubhafter, fühlbarer und feinsinniger dar? Urteilt selbst und kneift vorsichtshalber die Augen zusammen, denn es droht ein beinahe expressionistischer Farbenschauer. Ohne das die Wissenschaft dadurch dem romantischen Mönch besonders überlegen wäre, sind beide ein Zugang zur Vergangenheit.


Putzger, Historischer Weltatlas (89. Auflage, 1965)


Einem grotesken Stillleben gleich, vergleiche ich hier nicht nur Äpfel mit Birnen, sondern setze einfach mal Ästhetik und Schein gegen Logik und Wissen – vielleicht gar Sein – in Szene: unfair, unsauber, unverschämt und unsagbar unnötig. Oder lässt sich die unbestimmt-offene Atmosphäre des düsteren Horizontes auch noch in unseren historisch-helllichten Tage interpretativ übertragen?

Der politische Status quo, von Technologie und Ökonomie damit grob abstrahiert, ist vielleicht gar nicht so anders, wie vor 200 Jahren. Jedenfalls ist der globale Zustand nicht so anders, wie der Vergleich unzeitgemäß und unangemessen scheint. Ach könnte ich nur malen, ergebe sich vielleicht gar Sinn. 

So, genug des dilletantischen Wilderns in disziplinär-fremden Gefilden; euch und mir ausgewogene Träume, Euer Satorius 

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