Der Preis der Tiefe

„Müssen Sie stets so paradox reden, guter Mann?“

 

„Das ist kein Oxymoron. Jene, die ein glückliches Leben führen, können nach den Dingen fragen, die unter der Oberfläche liegen. Wir aber, die wissen, was sich unter der Oberfläche verbirgt, wollen jede Illusion so lange wie möglich genießen. Die Farbe einer vollkommenen englischen Rose ist in meinem Kopf und nicht in der Blume, aber ich ergötze mich lieber an der Farbe als mir solche dummen Gedanken zu machen. Überlassen wir die Philosophie den Unschuldigen. Wir Veteranen des Abgrunds ziehen die Rosen, den Sonnenuntergang und schöne, nichtssagende Musik vor.“

 

„Bei Gott. Mann, Sie wissen ja selbst nicht, ob Sie ein sentimentaler Zyniker oder ein zynischer Gefühlsmensch sind.

 

„Ich bin überzeugt, daß [sic!] es gefährlich ist, auf die Tiefe zu vertrauen, egal ob auf See oder an Land. Tiefgründige Menschen, tiefe Emotionen, tiefer Glauben, abgründige Gedanken und tückischer Treibsand — das alles ist gefährlich. Mir ist das Oberflächliche und Fröhliche lieber. Die Diebe und Strolche in der Regierung, die ich zuvor erwähnte, sind nur ein kleines Ärgernis, ein ehrlicher Politiker aber kann eine internationale Katastrophe auslösen.“

 

Robert Anton Wilson (1932 – 2007), Die Illuminaten-Chroniken Band 3 – Der Schöpfer: S. 37 (1992)


Dieses nächste, sporadisch daherkommende Text-Fast-Food entstammt einem dreibändigen Werk, das ich zufällig auch schon gelesen habe und definitiv als Fiktionales Kleinod zur Lektüre anempfehlen kann. Wenn man es insgesamt mit Wilsons Werk nicht allzu ernst nimmt, dann erhält der Leser darin viele ernstlich erwägenswerte Gedanken und vielleicht sogar die eine oder andere Weisheit zum Denkangebot. Voller Ironie und Humor, reich an Bezügen und mit polemischem Witz geschrieben werden tiefe Themen zumeist unterschwellig, teils auch ziemlich offensiv zur Sprache gebracht.

Getragen von einem sorglosen Idealismus und anarchisch frei von missionierender Sophistik wird die Gefahr heilig-missionarischen Eifers erfolgreich vermieden. Denn auf die tiefen Fragen und die abgründigen Spekulationen, die er vielstimmig und variantenreich inszeniert antworten lässt, könnte man durchaus mit philosophischer Passion und leidenschaftlichem Ernst reagieren. Ein Paradebeispiel spielerischen Umgangs mit Fragen großer Tiefe. Folgte man diesen quer durch sein vieltausendseitiges Lebenswerk, so ginge man auf verschlungenen, alles anderen als akademischen Pfaden wohl einmal eklektischen Schrittes den Themenkreis der philosophischen Tradition ab. Die meisterliche Verschränkung von Fiktion und Wissen, Wahrheit und Wahn letztlich immer auch von Ethik und Ästhetik gipfelt in einer im besten Sinne postmodernen und davon unabhängig in großer Literatur. Es drängen sich mir gerade Assoziationen an Jaques Derridas Idee der Dekonstruktion von Text und Welt auf, die ich Euch hier aus Rücksicht auf Interesse und Gemüt erspare.

Weitere lesenswerte Bücher dieses genial-komischen Barden tragen klangvolle Titel wie Illuminatius!, Cosmic TriggerDie neue Inquisition und Schrödingers Katze. Meine Auslassung von weiteren Schriften und der Hang zum Schreiben von Trilogien multiplizieren hierbei das Lesevergnügen nochmals.

Obacht also vor den Tiefen und viel Freude mit guter Illusion, Euer Satorius

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