Fortschrittliche Affen

Einst haben die Kerls auf den Bäumen gehockt,
behaart und mit böser Visage.
Dann hat man sie aus dem Urwald gelockt
und die Welt asphaltiert und aufgestockt,
bis zur dreißigsten Etage.

 

Da saßen sie nun, den Flöhen entflohn,
in zentralgeheizten Räumen.
Da sitzen sie nun am Telefon.
Und es herrscht noch genau derselbe Ton
wie seinerzeit auf den Bäumen.

 

Sie hören weit. Sie sehen fern.
Sie sind mit dem Weltall in Fühlung.
Sie putzen die Zähne. Sie atmen modern.
Die Erde ist ein gebildeter Stern
mit sehr viel Wasserspülung.

 

Sie schießen die Briefschaften durch ein Rohr.
Sie jagen und züchten Mikroben.
Sie versehn die Natur mit allem Komfort.
Sie fliegen steil in den Himmel empor
und bleiben zwei Wochen oben.

 

Was ihre Verdauung übrigläßt,
das verarbeiten sie zu Watte.
Sie spalten Atome. Sie heilen Inzest.
Und sie stellen durch Stiluntersuchungen fest,
daß Cäsar Plattfüße hatte.

 

So haben sie mit dem Kopf und dem Mund
Den Fortschritt der Menschheit geschaffen.
Doch davon mal abgesehen und
bei Lichte betrachtet sind sie im Grund
noch immer die alten Affen.

 

Erich Kästner (1899 – 1974), Die Entwicklung der Menschheit (1932)


Ein neues Jahr, das für Euch hoffentlich wunschgemäß gut verlaufen wird, bietet mir leider weiterhin wenig Gelegenheit, für Quanzland zu texten. In diesem Sinne liefere ich bloß wieder schnödes Text-Fast-Food. Immerhin bleibt der anonyme Unruhestifter, dem wir dieses weitere Exemplar verdanken, fast so umtriebig wie zuvor; nun sogar mit leicht bekömmlicher Lyrik.

Mit reu– sowie demütigem Gruß, Euer Satorius    

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