Gegen TTIP/CETA und für (digitale) Politisierung

Da ich meine Zusage gegenüber der Metatext-Redaktion, aktiver und produktiver mit den Diskursen der Nacht umzugehen, weiterhin nicht so recht ernstgenommen habe, hole ich das jetzt aus wirklich ernstem Anlass nach. So kurz vor der zweiten Abrechnung der Metatext-Redaktion mit mir und meiner Leistung oder, schöner gesagt, dem 1. Jahresjubiläum von Quanzland, gibt es neben vielen anderen einen besonderen Anlass zur Sorge und damit einen Grund für politischen Aktivismus.

Auch wenn Quanzland ein Ort von Zweckfreiheit und Weltvergessenheit ist, beidem gleichsam mit semantisch-ästhetischer Spielereien nachgegangen wird, es muss Ausnahmen geben. Was also bringt mich dazu, Ernst und Fakten den Vorrang vor Fiktion und Eigensinn zu geben?

Es geht nicht um die drängende und eskalierende Flüchtlingsproblematik; auch nicht um die Zerrüttung Europas von innen und den Niedergang der (hiesigen) politischen Kultur; ebenso nicht um neorealistische Renaissance in der internationalen Politik, wobei die Stichwörter Ukraine, Naher Osten, Afrika und Südostasien kurz aufblitzen; sondern um TTIP und CETA.

Tolldreister Tausch von Idealen gegen Profit oder Teuflische Täuschung von Industrie und Politik fallen mir hierbei in spontaner Assoziationen ein, wobei der reale Hintersinn der Abkürzung Transatlantic Trade und Investment Partnership da schon viel angenehmer in den Ohren der Öffentlichkeit klingen dürfte. Viel zu angenehm, viel zu rhetorisch geschönt werden hier tiefe Einschnitte in politische Errungenschaften deutscher und europäischer Geschichte verpackt. Dass CETA, inhaltlich zwar ähnlich, aber etwas prosaischer, Comprehensive Economic and Trade Agreement bedeutet, verhindert nicht, dass ich auch hier forsch von Canada und Europa torpedieren die Allgemeinheit sprechen möchte.

Einige erinnern sich vielleicht noch düster und etwas vage an das sog. Fracking oder die einst so medienwirksam inszenierten Chlor-Hühnchen, vielleicht sogar an die dadurch drohende Suspendierung von Rechtsstaatlichkeit und nationaler Souveränität. Manch einer ist womöglich mit einem unzeitgemäßen Langzeitgedächtnis gesegnet, was Politik und deren Kritik angeht, und sieht in solchen Verhandlungen eine teilweise Neuauflage des 2012 zurecht gescheiterten ACTA-Vertragswerks, nun halt auf bilateraler Ebene. Was aber ist in der breiten, medialen Öffentlichkeit noch übrig geblieben von der berechtigten Empörung, wieviel konnte mit staatsbürgerlichem Prostest erreicht werden und vor allem kann noch erreicht werden? Ich hoffe in beiden Fällen: Einiges, wenn nicht Vieles. Denn ohne einen öffentlichen Diskurs über solche hochbrisanten Themen, fehlte jeder Demokratie ein wichtiges Korrektiv, mangelte es unseren politischen Systemen an seiner Voraussetzung.

Bevor ich mich in oberflächlicher Polemik oder theoretischem Kleinklein verliere, komme ich nun langsam zum Kern dieses Artikels. Da die Debatte um die fragwürdige Thematik etwas zu erlahmen scheint, zu Recht und zu Unrecht von anderen Themen verdrängt wird, gilt es aufmerksam zu machen. Auch stehen hierbei die allgemeineren Fragen zur Debatte was dieser Tage politisch ist und wie man heutzutage politisch sein kann?

In einem reflektierenden Klimax möchte ich darauf versuchen zu antworten: Neugierig zu sein, sich daraufhin quellensensibel zu informieren, bildet die unerlässliche Basis; brave wählen zu gehen, schadet erstmal auch nicht; mit seinen interessierten Mitmenschen über allgemeine und spezielle Politiken zu reden, die Desinteressierten zurückhaltend für solche Gespräche zu begeistern und dabei für seine Überzeugungen einzutreten, ist auch nicht eben unwichtig, ohne dabei – selbstredend – die Meinung des Gegenüber respektlos, damit ohne gutmütigen Versuch des Verständnisses abzulehnen oder zu erzwingen; sich politisch zu engagieren, also eine Initiative persönlich zu unterstützen, damit auf den diversen verfügbaren Wegen mit politischen Entscheidern zu kommunizieren, zu protestieren, petieren und demonstrieren, kann sicher schon etwas mehr bewegen; gar eine solche Beschwerde selbst auf den Weg zu bringen, eine Bewegung zu gründen oder zu finanzieren, eventuell einer Partei beizutreten oder sich in der (Lokal-)Politik selbst zu bemühen, sorgt bereits merklich für Einfluss und ermöglicht gezielte Veränderung; mit offenem Angriff und Leidenschaft politisch motiviert tatsächlich Leiden zu schaffen, auf die Barrikaden zu gehen, zu kämpfen, schießt hingegen definitiv über Ziel hinaus – aktuell jedenfalls; ultimativ und paradox zugleich ist schließlich, nichts zu meinen und nicht handeln, nicht entscheiden zu wollen.

Aus dieser Bandbreite und deren ungesagten Zwischentönen hat jeder Bürger eines politischen Systems zu wählen. Wer sich, wie angedeutet, einer solchen Wahl verweigert, in dem er sagt, er sei eben nicht politisch und habe keine oder zu wenig Ahnung von sowas, noch gar Lust auf Politik, denn man könne doch sowieso nichts verändern, auch der ist ungewollt politisch. Politisch neutral zu sein, Nicht-Meinen und Nicht-Wählen sind genau wie Nicht-Kommunizieren eine performative Unmöglichkeit. Agiere ich nicht, unterlasse ich also meine Partizipation, tun andere es für mich mit und erfreuen sich meines delegierenden Schweigens. Als Element eines jeden (wirklich politischen) Systems bin ich, ob ich das will oder nicht, immer Teil von dessen sich selbst regulierender Dynamik.

So, genug der Reflexion und der Missionierung gegen die grassierende Krankheit der Politikverdrossenheit – was also kann man konkret im Falle von TTIP und CETA tun? Informieren, Kommunizieren und Agieren sind möglich und nötig: Einige Ressourcen dafür habe ich für Euch in einer kleinen Linksammlung zusammengestellt. Zudem hängen noch Links für einen allgemeinen, bequemen Weg in die Welt der digitalen Bürgerlichkeit an. Und keine Sorge, auf Parteienwerbung verzichte ich, denn es geht um die Sache und nicht um beliebige Bekenntnisse.

Wer das Kritisierte nach Lektüre, Nachdenken und Meinungsbildung noch gut findet – nun, gut – auf dessen Meinung bin ich schlicht gespannt: also gerne her mit Kommentaren zum Thema, welcher Couleur auch immer.

Mit Lust, Neugierde und Hoffnung, Euer Satorius  


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