Eine Zuflucht vor den Diskursen der Nacht

Es ist endlich soweit: Zu Hause!

Ich habe mich nun tatsächlich in der provinziellen Peripherie von Quanzland häuslich niedergelassen. Allen politisch-kulturellen Bedenken zum Trotz, es bleibt meine Heimat. Die Verschiebungen in Politik und Öffentlichkeit, die sich, zunächst befürchtet, zwischenzeitlich leider als weitgehend zutreffend herausgestellte haben, setzen mir zwar ein wenig zu; dennoch, die Vorteile und Annehmlichkeiten im Privaten überwiegen in der Abwägung klar. Hier bleibe ich erstmal, schaue mich um und lebe mich ein.

Denn ein sehr Gutes haben die rapiden und radikalen Veränderungen der politischen Hierarchie und institutionellen Struktur von Quanzland: Meine Anklage, meine Akte und die persönlich von mir oder durch mich betroffenen Akteure sind allesamt spurlos verschwunden. Vermutlich irgendwo in den düsteren Tiefen dessen, was man abstrakt und harmlos Geschichte nennt.

Wie revolutionär diese von Statten ging, muss ich gelegentlich noch in Erfahrung bringen – mit den erschreckend selten gewordenen, klaren und reinen Quellen. Positive und hoffnungsvoll-naive Gemüter sprechen dieser Tage von Fortschritt und preisen das, was aller Wahrscheinlichkeit nach eine irgendwie gewaltsame Revolution war und eventuell noch ist, fast unisono als notwendige Reform. Wenn diese Frohnaturen Redakteure und Herausgeber renommierter Medien sind, schleicht sich der Begriff Propaganda als Verdachtsmoment in meine Hirnwindungen. Aktuell noch subtil und hintergründig, nur sporadisch und leise wispernd, gilt es dieses Hirngespenst entweder zu bannen oder herzlich willkommen zu heißen. In meinem neuen Domizil wäre jedenfalls noch genug Platz für Neuanschaffungen und Zuwachs.

Da ich aus Gründen der Wahrheitsfindung also darauf angewiesen bin, meine Nase in allerlei aktuelle und historische Texte zu stecken, bin ich kürzlich auf ein neues, terroristisches Fragment gestoßen. Dass dieses englische Text-Fast-Food für einigen Wirbel sorgt, dürfte unseren altbekannten Gedankenterroristen beglücken.

Er hatte mit dieser vor vier Tagen aufgetauchten, intellektuellen Provokation die Gemüter der Staatsgeistlichkeit von Quanzland spürbar erhitzt. So hatten ein großer Anteil der Professorenschaft auf die philosophische Anfeindung, wenigstens mit verärgerten, teilweise gar mit unflätigen bis obszönen Stellungnahmen reagiert. Bei der Publikation halfen dann mediale Multiplikatoren derart eifrig mit, sodass aus einer akademischen Mücke ein innenpolitischer Elefant geworden ist: Etwa konzertierte Stimmungsmache?

Einer der vielen, verdächtigen Text war mir – wie anfangs gesagt – in die Hände gefallen und hatte sofort mein Interesse geweckt. Einfach erstaunlich, wie viel öffentliche Aufmerksamkeit unser altbewährter Aktivist damit bekommt: Ich möchte ihn nur noch ungern einen Terroristen nennen. Ich hege ja seit Längerem eine wachsende, intellektuellen Sympathie diese(n) Menschen gegenüber. Seitdem ich auf meiner Reise zurück in meine alte Heimat unterwegs war – treue Mitreisende erinnern sich eventuell – und vor allem seit ich hier angekommen bin und lebe, hat sich das Dunkel des Falls Terrorexzess mit Text-Fast-Food schrittweise ein klein wenig erhellt. Soweit zumindest, um sagen zu müssen: Ich bin ich in meinen Zweifeln milde bestärkt; verliere dadurch die Hoffnung auf Heimat aber nicht.

Integrität und Authentizität von Medien und Institutionen hier in Quanzland, stehen für mich nun also insgesamt auf dem Prüfstand. Wobei ich dem staatlichen Informationsmoloch und der Handvoll, noch verbliebenen, privat-wirtschaftlichen Medienkonzerne mit der gleichen, methodisch-kalten Skepsis begegnen möchte. Der Umgang mit Mr. X, wird dabei einer meiner journalistischen Lackmustest sein. Man bräuchte im Ideal eine profundes Insider-Wissen und könnte dann abwarten, um ganz sachlich zu beobachten wer, was, wie verdreht. Da dies wohl so schnell nicht passieren wird, finden sich vielleicht noch andere tagesaktuelle, möglichst politische Themen, deren Hintergründe direkter, unvermittelter erfahren werden können. Es gibt derzeit viele Kontroversen die in Frage kämen: Krieg vor der Haustür, Elend an den Grenzen, Zwietracht und Diskriminierung im Inneren und Äußeren.

Schon der hochverehrte Epikur riet zu einem Leben im Verborgenen, fern von großer Politik, Geschichte und Geschäft. So lag sein Schule – passend und konsequent zugleich: Ein Garten – abseits des Zentrums vor den Toren Athens. In seiner 58. Weisung formuliert kurz und knapp, dabei ermutigend imperativ: Befreien muss man sich aus dem Gefängnis der Alltagsgeschäfte und der Politik.

Wie immer viel geschrieben, wenig erklärt, fast nichts gewusst und so komme ich schließlich mit dem eigentlichen Aufhänger des Textes, nun als Absacker, zu einem Ende; sonst verirre ich mich noch in den Diskursen der Nacht und finde am Ende womöglich nicht mehr heraus und zurück in mein Haus – die ultimative Zuflucht.

Hin- und hergerissen zwischen heimatlicher Geborgenheit und nächtlich-diskursiver Skepsis, Euer Satorius


Without consciousness the mind-body problem would be much less interesting. With consciousness it seems hopeless. The most important and characteristic feature of conscious mental phenomena is very poorly understood. Most reductionist theories do not even try to explain it. And careful examination will show that no currently available concept of reduction is applicable to it. Perhaps a new theoretical form can be devised for the purpose, but such a solution, if it exists, lies in the distant intellectual future.

 

[…]

 

Strangely enough, we may have evidence for the truth of something we cannot really understand. Suppose a caterpillar is locked in a sterile safe by someone unfamiliar with insect metamorphosis, and weeks later the safe is reopened, revealing a butterfly. If the person knows that the safe has been shut the whole time, he has reason to believe that the butterfly is or was once the caterpillar, without having any idea in what sense this might be so. (One possibility is that the caterpillar contained a tiny winged parasite that devoured it and grew into the Butterfly.)

 

Thomas Nagel (1937 – ), What is it like to be a bat?, in: The Philosophical Review LXXXIII – 4, S. 435 & 450 (October 1974).

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