Weg, weg mit Wünschen, Reimen, Schwänken!
Trinkt fleißig, aber trinket still!
Wer wird an die Gesundheit denken,
wenn man die Gläser leeren will?
Gotthold Ephraim Lessing (1729 – 1781), Eine Gesundheit auf die Gesundheiten, in: Lieder (1771)
Wein, wenn ich dich jetzo trinke,
Wenn ich dich als Jüngling trinke,
Sollst du mich in allen Sachen
Dreist und klug, beherzt und weise,
Mir zum Nutz, und dir zum Preise,
Kurz, zu einem Alten machen.
Wein, werd‘ ich dich künftig trinken,
Werd‘ ich dich als Alter trinken,
Sollst du mich geneigt zum Lachen,
Unbesorgt für Tod und Lügen,
Dir zum Ruhm, mir zum Vergnügen,
Kurz, zu einem Jüngling machen.
Gotthold Ephraim Lessing (1729 – 1781), An den Wein, in: Lieder (1771)
Ihr Alten trinkt, euch jung und froh zu trinken:
Drum mag der junge Wein
Für euch, ihr Alten, sein.
Der Jüngling trinkt, sich alt und klug zu trinken:
Drum muß der alte Wein
Für mich, den Jüngling, sein.
Gotthold Ephraim Lessing (1729 – 1781), Der alte und der junge Wein, in: Lieder (1771)
Wein ist stärker als das Wasser:
Dies gestehn auch seine Hasser.
Wasser reißt wohl Eichen um,
Und hat Häuser umgerissen:
Und ihr wundert euch darum,
Dass der Wein mich umgerissen?
Gotthold Ephraim Lessing (1729 – 1781), Die Stärke des Weins, in: Lieder (1771)
Ein trunkner Dichter leerte
Sein Glas auf jeden Zug;
Ihn Warnte sein Gefährte:
Hör‘ auf! du hast genug.
Bereit vom Stuhl zu sinken,
Sprach der: Du bist nicht klug;
Zu viel kann man wohl trinken,
Doch nie trinkt man genug.
Gotthold Ephraim Lessing (1729 – 1781), Antwort eines trunknen Dichters, in: Lieder (1771)