Es gibt heute sehr starke Vorbehalte, sich auf eine Definition der von uns erstrebten Güter festzulegen, sogar Bedenken, einen Vortrag über das gute Leben als solches zu halten. Wir leben in liberalen Gesellschaften, die ihre Vorstellung vom Guten „vor die Tür gesetzt“ haben. Warum? Zunächst weil wir den Dissens fürchten, den das Aufeinanderprallen von notwendigerweise konkurrierenden Vorstellungen hervorrufen könnte. Und schließlich weil wir Angst haben, dass die Mehrheit ihre Vorstellung vom guten Leben denen aufzwingen könnte, die sie nicht teilen. Das sind durchaus legitime Befürchtungen. Aber ich sehe keinen anderen Ausweg, als sich der Schwierigkeit zu stellen. Sonst werden wir den Angriffen des Marktes keine substanziellen Argumente [geschweige denn, Aktionen; D.Q.] entgegensetzen können.
[…]
Der Markt erschien uns als neutraler und sehr nützlicher Bewertungsmechanismus, der uns die Mühe schwieriger Kontroversen über das beste Mittel für die Bewertung eines Gutes ersparte. Gleichzeitig bemühten sich die liberalen Philosophen, die öffentliche Vernunft so stark wie möglich einzudämmen. Seitdem begannen wir zu verstehen, dass man die öffentliche Debatte nicht komplett auslagern darf. Denn das überlässt dem Markt immer mehr Bereiche des gesellschaftlichen Lebens und bringt uns in einen Zustand gesellschaftlicher Abgestumpftheit. Unsere Kultur überhitzt sich, denn sie ist im Wesentlichen sinnentleert, ohne einen moralischen oder geistigen Inhalt [, frei von Utopischem; D.Q.]
Michael J. Sandel (1953 – ), Gespräch unter dem Titel „Wir haben Angst vor dem guten Leben“, in: Philosophie Magazin Nr. 03/2015 (April/Mai), S. 73
Nirgendwann und Nirgendwo der Marktförmigkeit vieler Lebensbereiche den Spiegel vorzuhalten, ist aus der Mode gekommen. Dazu bedarf es in Quanzland nicht einmal mehr der Aktionen unseres werten Gedankenterroristen, und trotzdem verdanken wir ihm diese Schlaglichter auf zwei aktuelle Stimmen der Kritik. Ihr Gegner ist der Zeitgeist, der durch Quanzland weht.
Der anonyme Täter, den wir seit Anbeginn unserer Reise begleitet haben, bleibt dennoch eine Ausnahmeerscheinung in der Öffentlichkeit. Er ist wahrlich nicht alleine in seiner Opposition, wohl aber durch die Wahl seiner Mittel und Methoden gefährdet. Als Terrorist geächtet, steht er mit dem Rücken zum Hintergrund einer Meinungsmaschinerie, die Kritik gut portioniert und inszeniert geschehen lässt. Dass er angesichts seiner brisanten Lage nunmehr beginnt, seltsame Signaturen in die Text-Attentate einzuschreiben, erregt mein Interesse ebenso wie die neuerliche Aktualität der verwendeten Quellen.
Hier alsonnoch ein zweites Exempel seiner subversiven Aktivitäte der letzten Wochen, konsumierbar in einer marktfreien Light-Variante.
Mit anerkennendem Gruß an alle Nichthändler, Euer Satorius
Da muss ich widersprechen. Hinter dieser Haltung [Wir seien alle Kinder Mammons und als solche zur Vernunft befähigt; D.Q.] steht letztlich ein Rousseau’scher Ursprungsmythos, dass wir im Kern alle gut sind und es nur die Gesellschaft – oder die Zivilisation – ist, die uns verdirbt. […] Das lässt sich philosophisch auch als Frage nach dem Humanismus formulieren:
[…]
Haben wir ein Gemeinsames – ob man es jetzt biologisch oder theologisch definieren mag? Ich würde eher fragen: Wohin wollen wir? Das ist eine sowohl politische als auch philosophische Frage, die viel zu wenig gestellt wird, weil wir in einer Gesellschaft leben, die wenig Zukunftsemphase hat, sondern allenfalls, dass alles in zehn Jahren noch nicht gänzlich katastrophal sein wird.
Armen Avanessian (1974 – ), Gespräch unter dem Titel „Freund oder Feind?“, in: Philosophie Magazin Nr. 03/2015 (April/Mai), S. 63f.