Medial-methodische Premiere: skurriles Hörspieltranskript aus den 70ern

Der letzte Detektiv - Schlachthaus von Michael Koser

Michael Koser (1938 – ), Schlachthaus. Der letzte Detektiv – Folge 4

Der letzte Detektiv - Testmarkt von Michael Koser

Michael Koser (1938 – ), Testmarkt. Der letzte Detektiv – Folge 1


Eine düster-sarkastische Zukunftsvision im Genregewand des Science-Fiction-Krimis, wie geschaffen für das Medium Hörspiel und absolut meinen Geschmack. Dieser wunderbare Fund eines sarkatisch-sprachgewandten, unheimlich klug und enorm kenntnisreich gewobenen Werks aus einem anderen Winkel von Zeit und Raum: Deutschland, 1984. Heraus aus den wilden Siebzigern, vorbei mit der Euphorie, wird ein dystopisch.kritischer Blick ins Jahr 2009 geworfen.

 

Vergleicht selbst, anschaulich und konkret, wie wenige von diesen humorigen Projektionen – Polemik und Genre wegen, vielleicht auch sei Dank – Realität geworden sind. Der Beitrag zum und Einfluss auf den geschichtlichen Verlauf der Dinge, den Kunst zu leisten vermag, mag klein sein, aber er existiert ganz gewiss. Ich hegen nämlich tief im Herzen voller Überzeugung die Hoffnung, dass Literatur zeit- und ortlos eine zvilisierende Kraft, ja zvilisatorische Macht innewohnt, in zurückgezogenm, in-sich-gekehrtem Fremddenken, sei es passiver als Leser oder aktiver als fiktionaler Autor, ein bessere Welt zu stimulieren oder wenigstens die Vermeidung einer schlechteren zu unterstützen. Wenigstens soviel traue ich der fein- wie schöngeistigen Seite des Schreibens, genauer ihrer potentiellen Wirkung auf die rezeptiv geöffneten Gemüter der neugierigen Lesserschaft zu.

 

Wer weiß schon, wie sich die realexistierende Konkurrenz der Kunst weiterhin so macht. Wenn Politik, Bildung, Erziehung, (epi-)genetische und geopolitische Geburtslotterie sowie soziales bis mediales Umfeld einen nicht zu unterschätzend großen Anteil dessen prägen, was wir narzisstisch verblendet UNSER Ich-Bewusstsein nennen, dann darf sich unser werter Herr Geist aber auch mal ein bisschen von sozial-politisch interessierter und vor allem relevanter Literatur wenn nicht weitreichend prägen, so doch ein wenig berieslen, beregnen lassen. Insbesondere ist die Kulturleistung des Lesens als Methode der Bewusstseinsformung deshalb so wertvoll, weil man sie, einmal gelernt und stetig gepfelgt, eigenständig und frei wählend für seine ureignen Lebenszwecke nutzen kann. Ihm haftet somit kaum ein Hauch von Schicksal mehr, nichts Zufälliges mehr an – Lesen und Hören, bisweilen sogar Sehen, können so betrachtet als reine Mittel der autonomen Bildung gelten, wenn denn Wille und (Lese-)Kompetenz das wünschen und erlauben.

 

Also Bitte, wortreiche Wassermassen voll geistreichen Witzes marsch, Euer Satorius


[Vereinigte Staaten von Europa, eine Gesellschaft unter den Bedingungen von kulturpessimitisch überzeichnetem, anarcho-apokalyptischem Hypermaterialismus. Ein edles Restaurant irgondwo in Babylon. Jonas – „nur Jonas. der letzte Detektiv und Sam“ – trifft sich erstmals mit einem anonymen Auftraggeber]

 

Jonas (Ich-Erzähler): Er war so schön, wie ein gelöstes Kreuzworträtsel. Sehr schön, merken – fürs Poesiealbum des Detektivs.

Jonas (Figurenrede): „Sagen sie einfach ‚Schwarzmarkt‘, schwarzer Organmarkt.

Klient („Er“): „Genau, das meine ich! Aber weil ich mich in solchen Sachen überhaupt nicht auskenne …“

Jonas (Figurenrede): „… soll ich Ihnen ein Organ organisieren?“.

Klient („Er“): „Ahä – köstlich. Sie haben den Nagel mitten ins Gesicht getroffen … ähe … Scherz beiseite. Sie Jonas besorgen mir eine Bauchspeicheldrüse. Wie immer, wo immer – keine Fragen, keine Probleme. Sie liefern; ich zahle – jeden vernünftigen Preis, und ihr Honorar natürlich.“

Jonas (Figurenrede): „80 Euros por Tag und Spesen.“

Klient („Er“): „Nicht gerade wenig – was tun sie dafür?“

Jonas (Figurenrede): „Nicht gerade wenig – alles, was ich mit meinem Gewissen vereinbaren kann.“

Klient („Er“): „Oh äh, sie haben ein Gewissen? Wie entzückend altmodisch … und äh: Können Sie?“

Jonas (Figurenrede): „Kann ich was?“

Klient („Er“): „Meinen Auftrag mit ihrem Gewissen vereinbaren?“

 

Jonas (Ich-Erzähler): Im Prinzip, ja. Nicht hunderprozentig, aber 90 Prozent waren ja auch nicht so schlecht. Wenn ich auf dem Schwarzmarkt eine Bauchspeichdrüse auftrieb, dann schadete ich ja schließlich keinem, dachte ich. Im Gegenteil: Ich rettete dem pseudonymen Herrn Pankreas das Leben; und Geld brauchte ich auch – ich brauche immer Geld. Also ja, dachte ich. Aber ich sagen nicht „Ja!“, noch nicht.

 

[…; Szenenwechsel. Jonas und Sam arbeiten im 22m²-Büro-Appartment, das für einen sozialen Nützlichkeitsstatus von rund Zwo schon recht groß dimensioniert ist]

 

Sam (Figurenrede): „Hinterlasser der Fingerabdrücke bzw. Speichelspuren heißt Julian van Brendel; Bürgernummer:77M03031961.“

Jonas (Figurenrede): „Beruf?“

Sam. (Figurenrede): „Parapsychagoge.“

Jonas (Figurenrede): „[Nutüzlichkeitsstatus]Status?“

Sam (Figurenrede): „Zwokommazwofüneff, oh Stern von Bethlehem!“

Jonas (Ich-Erzähler): Ich darf vorstellen, Computer Typreihe Doktor, Versuchsreihe Chrysossthomos, MacCoy Incorporated, Baujahr 2005, Rufname Sam Fähigkeiten – fast unbegrenzt; Fehler, nur einer: Sam leidet an verbaler Überfütterung. Er hat zuviele Sprachprogramme im Speicher und kommt damit nicht so richtig klar, ansonsten ist er ein Goldstück – wenn man siich an seine Ausdruckweise gewöhnt hat. Und das ist nicht leicht.

 

[…; Direkt weiter gehts mit dem schrägen Sam, nachdem Jonas dem nicht mehr namenlosen Klienten fast reinen Gewissens zugesagt hat]

 

Sam (Figurenrede): „Keinesfalls über die normalen Datenbänke, Euer Wohlerzogenheit, da in denselben keinerlei Informationen in Bezug auf illegale Praktiken zu finden sein dürften.“

Jonas (Figurenrede): „Weiß ich selbst Sam., dazu brauche ich keinen Computer – alos hintenrum…“

Sam (Figurenrede): „Jawohl, Chef! Von hinten durch die Brust ins Auge – haha!“

Jonas (Figurenrede): „Ebenfals: haha! Farge: wie?“

Sam (Figurenrede): „In der Tat, Prinz Eisenherz, dies ist die Frage!“

Jonas (Figurenrede): „Wie wärs denn mit den Hypo?“

Sam (Figurenrede): „Darf ich Euerer Lordschaft zu dero fast überirdischen Auffassungsgabe beglückwünschen. Die Sache hat nur einen gang, ganz kleinen Haken: Den Code für die Datenbank der Hygienepolizei kenne ich zu meinem Bedauern nicht.“

Jonas (Figurenrede): „Du nicht, Sammy, aber ich, …“

Sam (Figurenrede): „… Sie Meister? Kann ich es glauben?!“

 

Michael Koser (1938 – ), Schlachthaus. Der letzte Detektiv – Folge 4: 5:41 – 9:51 [Min:Sekunden]

Schreibe einen Kommentar