Melancholisch-pharmakologische Utopie

Wo der letzte Textangriff – allem medialen Trubel zum Trotz – inhaltlich eigentlich nur eine kleine Gruppe an Intellektuellen betroffen hatte, wendet dieses neuerliche Beweisstück terroristischer Subversion sich schlicht an alle Menschen von Quanzland. Wenn deshalb hierauf nicht noch heftigere Verrisse und Anfeindungen folgten, wäre ich doch sehr verwundet.

Der Text hätte eine unglaublich sozial-kulturelle Sprengkraft, würde seine Kritik ernst genommen und seine Appelle in historische Tat umgesetzt. Da es aber genug schöne, bequeme und anerkannte – kurz normale – Alternativen zu dem darin angedeuteten Lebensentwurf gibt, begnügt sich der typische Einwohner Quanzlands lieber mit allerlei Zerstreuung, anstatt zu fernen Ufern aufzubrechen.

Eine Utopie im besten Sinne des Wortes haben wir also hier vor uns: Kritik des Bestehenden und konkreter Entwurf des Besseren. Allerdings krankt sie an einem naiven und idealistischen Pathos. Geblendet von diesem unterschätzt der Entwurf die verbreitet Angst vor den Abgründen der Seele, den Tiefen des Ozeans Namens Geist. Die Wenigsten ertragen die erschreckende Stille und den schmerzlichen Verzicht; wo doch soll viele Reize locken und Bedürfnisse – künstliche wie natürliche – nach Stillung dürsten. Dennoch und gerade wegen ihrem träumerischen Idealismus sind die Worte Albert Hoffmanns getragen von nüchternem Ernst und zugleich durchdrungen von kreativer Hoffnung – eine seltene und erstrebenswerte Haltung.

In mild-utopischer Stimmung wünscht Euch nur das Beste, Euer Satorius


 

Dieses Bedürfnis steht im Zusammenhang mit der geistigen und materiellen Notlage unserer Zeit. Es erübrigt sich, im einzelnen aufzuzählen, wo es nicht mehr stimmt in unserer Welt. Gemeint sind auf geistigem Gebiet Materialismus, Egoismus, Vereinsamung, Fehlen einer religiösen Lebensgrundlage; auf der materiellen Ebene Umweltzerstörung infolge Technisierung und Überindustrialisierung, drohende Erschöpfung der natürlichen Reserven, Anhäufung von ungeheuren Vermögen bei einzelnen bei gleichzeitiger zunehmender Verarmung einer Großzahl der Bevölkerung. Diese bedrohliche Entwicklung hat ihre geistige Ursache in einer dualistischen Weltanschauung, in einer bewusstseinsmassigen Aufspaltung des Welterlebens in Subjekt und Objekt.

[…]

Alle Mittel, alle Wege, die zu einer neuen, universalen Geistigkeit führen, verdienen, gefördert zu werden. Zu diesen gehört vor allem die Meditation, die durch verschiedene Methoden unterstützt und vertieft werden kann; durch Yoga-Praktiken, Atemübungen, Fasten usw. und durch sinnvollen Einsatz von gewissen Drogen als pharmakologische Hilfsmittel. Die Drogen, die hier gemeint sind, gehören zu einer besonderen, als Psychedelika und neuerdings auch als Entheogene bezeichneten Gruppe von psychoaktiven Substanzen. Ihre Wirkung besteht in einer enormen Stimulierung der Sinneswahrnehmungen, einer Verminderung oder gar Aufhebung der Ich-Du-Schranke und einer Bewusstseinsveränderung im Sinne einer Sensibilisierung und Erweiterung.

 

Albert Hofmann (1906 – 2008), Vorwort zur Enzyklopädie der psychoaktiven Pflanzen von Christian Rätsch (1957 – ): S.2 (1988)

Schreibe einen Kommentar