Perry Rhodan (Neo): Ein hoffnungslos hoffnungsfroher Idealist und „positiver“ Populist

»Wenn wir in diesen Tagen von unserer Welt sprechen, richten wir die Augen zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit zum Horizont. Wir blicken nicht mehr nur vor unsere Füße, sehen nicht mehr nur unseren eigenen Schatten, sondern heben den Kopf und begreifen, dass wir nicht mehr allein sind. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich spüre in diesem Begreifen eine unbändige Kraft, die uns in den kommenden Jahrzehnten antreiben wird. Sie wird uns führen und leiten. Und sie wird uns zu Dingen befähigen, die wir bislang nicht einmal zu träumen wagten!
Wir stehen hier und heute zusammen. Vereint in der Trauer um jene Menschen, die wir verloren haben. Jene Menschen, die den Weg in eine bessere Zukunft nicht mehr an unserer Seite gehen können. Jene Menschen, die ihr Leben in der Überzeugung gegeben haben, dass eine solche Zukunft nicht nur möglich ist, sondern dass wir sie eines Tages erreichen werden. Jene Menschen, die wussten, dass die Zukunft nur auf einem Fundament in der Gegenwart gebaut werden kann, und die bereit waren, um jeden einzelnen Stein dieses Fundaments zu kämpfen – notfalls mit dem höchsten Einsatz, der ihnen möglich war!
Wir werden die Namen dieser Menschen niemals vergessen. Ebenso wenig wie das, was wir ihnen schuldig sind. Nämlich das zu vollenden, was sie begonnen haben. Auf ihrem Fundament ein Haus zu errichten, dessen Tür für jeden offen ist, das jedem Schutz und Wärme bietet, das uns alle endlich zu dem macht, was wir schon immer waren: Bewohner des wunderbarsten Planeten, den ich auf all meinen Reisen sehen durfte!
Wir stehen vor gewaltigen Herausforderungen. Manchem mögen die Aufgaben, die vor uns liegen, unlösbar erscheinen, die Hindernisse unüberwindbar und die Opfer, die wir bringen sollen, zu groß. Doch die Ereignisse der vergangenen Jahre haben gezeigt, dass wir allen Gefahren trotzen können. Man hat versucht, uns unsere Freiheit zu nehmen. Man hat versucht, uns unsere Heimat zu nehmen. Man hat sogar versucht, uns unsere Menschlichkeit zu nehmen! Doch all das hat uns nicht gebrochen. Wir sind immer noch da. Weil wir Menschen sind! Weil wir nicht aufgeben! Weil wir stets einmal öfter aufstehen als hinfallen!
Ich möchte Ihnen sagen, was ich sehe, wenn ich in die Zukunft blicke. Ich sehe, wie Grenzen verschwinden und uralte Feindschaften zerbrechen. Ich sehe, wie wir Krankheit und Hunger besiegen. Ich sehe Menschen aller Kulturen, aller Hautfarben und aller Religionen, die sich die Hände reichen. Und ich sehe eine neue, wunderbare Welt, die auf Basis von Freundschaft und Vertrauen entsteht.
Einige nennen mich deshalb einen gefährlichen Spinner. Andere einen Phantasten und Träumer. Man attestiert mir Realitätsferne, wirft mir vor, ich sei weltfremd und unbelehrbar idealistisch. Doch wo wären wir heute, wenn es keine Menschen gäbe, die träumen? Wenn es keine Menschen gäbe, die für das einstehen, was sie glauben? Menschen mit Prinzipien und der festen Überzeugung, dass wir in dieses Universum geboren wurden, um uns an ihm zu erfreuen, seine Wunder zu schauen und zu seiner Schönheit beizutragen?
Ich möchte Sie alle, jeden Einzelnen von Ihnen, einladen, mich auf meiner Reise zu begleiten. Ich verlange nichts, außer dass Sie Ihre Herzen für die unglaublichen Wunder öffnen, die da draußen auf uns warten. Haben Sie keine Angst. Sie sind nicht allein. Niemand von uns ist das. Wir stehen vor einem goldenen Zeitalter, und jeder von uns hat die Chance, Teil von etwas zu werden, das so viel größer und bedeutender ist als all die kleinlichen Streitereien, der engstirnige Egoismus, das Misstrauen und der Hass, die unser Denken vergiften und uns krank und bitter machen.
Kommen Sie mit mir! Es ist einfacher, als Sie denken. Es braucht nur ein wenig Mut, um den ersten Schritt zu tun. Ich stehe heute nicht als Politiker vor Ihnen. Nicht in meiner Eigenschaft als Protektor der Terranischen Union. Ich spreche zu Ihnen als Bewohner des Planeten Erde … als Mensch … als Terraner!«

 

[…]

 

»Es gibt klügere Leute als mich, die behaupten, dass unsere Existenz auf einem Zufall beruht. Auf der Tatsache, dass das Universum so unvorstellbar groß ist, so unglaublich vielfältig, dass früher oder später eine Spezies wie wir Menschen ganz zwangsläufig entstehen musste. Ich bin nicht dieser Meinung. Ich glaube, dass wir eine Aufgabe haben. Jeder von uns. Wir werden in diese Welt geboren, um etwas zu tun, und unser Leben ist die Zeit, die uns zur Verfügung steht, um herauszufinden, was das ist.«
Farouq rieb sich die Nase. »Wie kannst du da so sicher sein?«
»Schau dich um«, antwortete Rhodan. »Schau dir die Welt an, in der wir existieren. Und dann sag mir mit voller Überzeugung, dass du all diese Schönheit für ein Zufallsprodukt hältst. Schau in den Nachthimmel hinauf, und dann sag mir, dass all diese Pracht und der Überfluss eine bloße Laune der Natur sind. Öffne deine Augen an jedem beliebigen Ort, und dann versuche mich davon zu überzeugen, dass dem Universum keine tiefere Bedeutung innewohnt; dass es nichts weiter ist als eine wahllose Kombination aus Raum, Zeit und Materie. Nein, Farouq. Das ist schlicht und einfach unmöglich!«
Minutenlang sagte keiner etwas. Sie saßen einfach nur da und schauten auf den See hinaus, folgten den Bewegungen des Wassers und ließen sich die Sonne ins Gesicht scheinen.
»Hast du deine Aufgabe gefunden?«, durchbrach Tom schließlich die Stille.
Rhodan schloss für einen Moment die Augen, was die Empfindung von Wärme auf seiner Haut verstärkte.
»Ich glaube schon«, gab er zurück. »Auch wenn ich es weniger als Aufgabe und eher als Chance bezeichnen würde. Das Schicksal hat mich in die Lage versetzt, viele Dinge zum Guten zu verändern. Diese Möglichkeit bekommen nur sehr wenige. Ja, wir haben schwere Rückschläge hinnehmen müssen. Aber die Erfolge sind ebenfalls deutlich sichtbar. Hunger und Armut sind fast vollständig besiegt. Seit Gründung der Terranischen Union haben sich die Lebensbedingungen von Milliarden Menschen spürbar verbessert. Wir konnten einige Krankheiten ausrotten, die noch vor fünfzig oder hundert Jahren Millionen umgebracht haben. Wir bekommen die Probleme der Umweltzerstörung nach und nach in den Griff. Die Erde ist sicher kein Paradies, aber ich finde, wir sind auf einem ziemlich guten Weg.

 

 

Rüdiger Schäfer (1965 – ), Als ANDROS kam …Perry Rhodan Neo, Band 190, 91% & 95% [@Satorius: Bei E-Books als Quelle werde ich von nun an aus pragmatischen Gründen nur noch den %-Anteil der zitierten Stelle am Gesamtwerk angeben]

Trifftiges findet sich bisweilen inmitten selbst trivialster Unterhaltungsliteratur; hier lauschten, lassen wir Perry Rhodans Worte, der seinerseits Namesgeber und gutmenschlich-optimistischer Protagonist des längsten und umfangreichsten Science-Fiction-Epos aller Zeiten ist. Gegen diese fiktionale Welt und den dazugehörigen Kosmos verblassen Star Trek und Star Wars gleich doppelt, objektiv quantitativ wie subjektiv qualitativ – keine Chance Hollywood! Perry Rhodan also – ja, ich gestehe nunmehr mein bisher verstecktes Fandom!

Einer Version seiner privaten Utopie zum Abschluss des TFF korrespondiert zu Beginn der öffentliche Utopismus seiner Rede an die krisengeschüttelte Menschheit. „Utopismus“ hier im Sinne eines positiven, weil konstruktiven Populismus verstanden, der nach Versöhnung qua politischer Realisierung drängt und dazu rhetorische Mittel wie manipulative Methoden gleichermaßen instrumentalisert. „Utopie“ hingegen gedacht als eine narrativ konzipierte wie historisch orientierte, somit fiktional wie faktisch angebundene Erzählung über eine gute Welt, der authentische Glaube an eine bessere Zukunft und die prinzipielle wie konkrete Möglichkeit der Menschheit und des Menschen zum echten Fortschritt. Individueller Idealismus im Inneren geht hierbei einher mit kollektivem Populismus im Äußern, in Rhodans Äußerungen als Politiker und Vater schillert es gewaltig. Licht wird von Schatten umspielt, dialektisch und fatal verschränkt geistern Humanismus, Heroismus und Moralismus durch die Zeilen des Textes – „Terraner aller Planeten vereinigt Euch, verteidigt Euch!“

Bevor ich aber der Versuchung erliege, intensiv zu analysieren und anschließend massiv zu interpretieren, womöglich schlussendlich gar zu dekonstruieren, überlasse ich Euch und eurem Bewusstsein freimütig das TFF. Zumal ich ich höchster fiktionaler Erregung der dritten Episode der achten Staffel von GoT entgegenfiebere. In dieser episch eingeleiteten Episode wird vermutlich der über neun lange Jahre Erzählzeit hinweg gespannte Bogen sich schließen und lösen. Während die (Über-)Lebenden in Winterfell auf die Nicht-mehr-Lebenden von jenseits und diesseits der Mauer treffen, bleibt abzuwarten, ob es noch eine unerwartete, doch erwartete Wendung gibt und ob die Autoren die Eier hatten, entgegen Konvention und Klischee, das einzig würdige Ende für die Geschichte zu verfassen: Oh Herr, lass es bitte eine Tragödie sein!

Immer auf der Suche nach fiktionaler Spannung in einer faktisch spannenden Welt, Euer Satorius

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