Zeitlose Satire

Werden wir sie nicht mit gutem Recht die Töricht-Weisen nennen, da sie doch in Wirklichkeit überaus töricht sind, aber weise wie Thales erscheinen wollen? Unsere zeitgenössischen Rhetoren machen es offenbar so und kommen sich wie Götter vor, wenn sie doppelzüngig auftreten wie die Blutegel. Sie tun sich etwas darauf zugute, ihr Latein da und dort mit einigen griechischen Brocken gleichsam zu verbrämen, auch wenn sie gar nicht am Platze sind. Fehlen ihnen Fremdwörter, graben sie vier oder fünf Worte aus vergilbten Pergamenten aus und benebeln den Geist des Leser.

 

Erasmus von Rotterdam (1466 – 1536), Lob der Torheit: S. 15 (1511)


Unser Lieblings-Terrorist besitzt scheinbar Selbstironie oder täuscht sie doch immerhin vor. Ein erwähnenswert lesenswertes Werk, aus dem hier zitiert wird. Sogar ganz ohne Urheberschutz und damit frei – wie lebendige Gedanken sein sollten; ebenso frei verfügbar (Link zur PDF, mit bestem Dank an den Hoster auf http://www.welcker-online.de/). Das gesamte Buch belegt eindrucksvoll, wie schonungslos radikal und zugleich sympathisch humorvoll sich Geist in einem Text entfalten kann. Einer solch pergamentenen Satire verzeiht man – wie auch sonst – gerne den bisweilen sperrigen, gar gestelzten Stil.

Eine gute Nacht, Euer Satorius

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