Lichtrausch

Lange Stille, ein Flagge und neuerliches Flüstern

1 Jahr, drei Monate und drei Tage: Stille …

Zwischenzeitlich sind der 6. und 7. Jahrestag der Gründung Quanzlands vergangen, unbesagt und ungehört vorübergegangen. Nach fast sechs Jahren zuerst manischer, dann gesunder, sodann zunehmend verhaltener zuletzt depressiver Produktivität und Aktivität ist es still geworden in den Gassen und den Hütten, den Gärten, den (Frauen- und) Herrenhäusern sowie auf den Plätzen und Bühnen von Quanzland. Das Leben ging weiter, aber niemand hat davon berichtet, niemand davon Kenntnis genommen.

Zu sagen gibt es unermeßlich viel, hätte es seither unsagbar viele Anlässe gegeben, dennoch habe ich geschwiegen und anderes getan – warum? Nun, dafür gab und gibt es gute wie schlechte Gründe zu Hauf, die hier und jetzt auszubreiten mir müßig erscheint. Also verzichte ich darauf und komme unverzagt zur Sache: Es gibt Neuigkeiten, Quanzland hat sich eine Flagge gegeben, internationale Beziehungen geknüpft und Stellung bezogen.

Wir mögen ein unbedeutender Zwergstaat irgendwo in Europa sein; gleichwohl sind wir nicht kleinbürgerlich oder kleingeistig, denken und handeln wir global, kosmopolitisch und kunterbunt. Vielfalt und Einheit, auf den ersten Blick konträr, stumpf gedacht womöglich sogar unversöhnlich paradox, sind das Epizentrum unseres Wertsystem. Auf den zweiten, den klugen und besonnen Blick hin dürfte dieses moralische Credo jedem echten Demokraten evident sein, trotzdem ist es in all den vielen Spielarten von Demokratie auf unserer großen weiten Erde keineswegs selbstverständlicher Allgemeinplatz, schon gar nicht unumstößliches Fundament. Utopie und Ideologie zugleich, nunmehr sichtbares Zeugnis und offizielles Banner mit zugleich bescheidener Strahlkraft und unbestreitbarer Relevanz.

Was gibt es, was gilt es noch zu sagen? Große Themen, vielmehr bloße Schlagworte blitzen in meinem Geist auf, verschwinden aber ebenso rasch wieder im mentalen Zwielicht: Corona, Ampel, COP26 und einige weitere schließen sich an …

Aber es bleibt dabei, ein erstes Flüstern ist ertönt und möchte überhaupt nicht mehr sein, keinesfalls ein Brüllen, nicht ein Mal ein Raunen – lediglich mehr als Stille.

Mit neuerlichen Grüße und sich schüttelnden, kurz knackenden Fingern, Euer Satorius

Wider den Menschen

Patient (Sitting in a circle of a group therapy): I tell myself God has a plan for everyone. Maybe I just haven’t seen it yet.

William Delos: God? God’s fucking plan? Do you believe in Santa Claus, too?

Dr. Lang: All right, William. Do you want to share more of your thoughts with us?

Willam Delos: My thoughts? … Okay. I think … humanity is a thin layer of bacteria on a ball of mud hurtling through the void. I think if there was a god, he would’ve given up on us long ago. He gave us a paradise and we used everything up. We dug up every once of energy and burned it. We consume and excrete, use and destroy. Then we sit here on a neat pile of ashes, having squeezed anything of value out of this planet, and we ask ourselves: „Why are we here?“ You wanna know what I think your purpose is? It’s obvious. You’re here along with the rest of us, to speed the entropic death of this planet. To service the chaos. We’re maggots eating a corpse!

(Woman sobbing)

Patient: What the fuck is wrong with you?

William Delos (Chuckling first, then laughting out. Fade out …)

William Delos (Eward Allen Harris), in: Decoherence Westworld (Staffel 3, Episode 6, 6:09 – 8:00)


https://www.youtube.com/watch?v=N3xjGxqKpwM

Spieglein, Spieglein in meiner Hand, wer ist die schlechteste Gattung im ganzen Land? Die Wespen, die Tauben, die Ratten, vielleicht die Mücken, wären hierzu wohl die meistgenannten Antworten, wenn man „100 Leute auf der Straße fragte“, wie es dereinst bei Ruckzuck immer so schön hieß. Bei der Frage nach der besten Spezies wäre im Gegenzug wohl der Mensch unangefochten auf Platz 1, gefolgt von unseren liebsten Haustiere Hund und Katz oder Kandidaten wie Bienen, Delphine oder Pferde. Nach Kriterien für diese Einstufung zu fragen, erspare ich mir und Euch mal gediegen, denn so sachlich bin ich heute einfach nicht aufgelegt.

So sind wir biblisch gesprochen doch Gottes Ebenbilder, die Krone der Schöpfung gar, und deshalb berufen, über die Schöpfung zu wachen. Zugleich sind wir aber auch übermäßig neugierig, ungehorsam, selbstgefällig und solcherart (erb-)sündig, sodass wir kurzhand aus dem Paradies verbannt und auf den Planeten gesetzt wurden. Andere Religionen sind da ebenso ambivalent und trauen uns alles im Spektrum von „heilig“ bis „verdorben“ zu. Anthropologie und Philosophie, Psychologie und Soziologie, Geschichts- und Poltikwissenschaft differenzieren die Menschheit gleichmaßen schonungslos, ob bloß empirisch oder sogar normativ. Die Bilanz bleibt wenigstens durchwachsen, fällt bisweilen tendenziell doch eher pessimistisch aus.

Und trotzdem möchte ich, wie eingangs bereits behauptet, spekulieren, mögen sich die meisten selbst recht gerne, halten unsere Gattung für gut, fortschrittlich, zivilisiert und dergleichen mehr. All diesen Menschen halte ich die obigen Quellen entgegen, fordere sie auf bar jeder Illusion und ohne Euphemismen mit sich und uns ins Gericht zu gehen. Sind wir wirklich gut im breiten Sinne dieses diffusen Wortes?

Mit selbstkritischem Gruße, Euer Satorius

Ihr könnt schauen, was ihr wollt, aber: Dark

An Freiheit des Menschen im philosophischen Sinne glaube ich keineswegs. Jeder handelt nicht nur unter äußerem Zwang, sondern auch gemäß innerer Notwendigkeit. Schopenhauers Spruch: ´Ein Mensch kann zwar tun, was er will, aber nicht wollen, was er will`, hat mich seit meiner Jugend lebendig erfüllt und ist mir beim Anblick und beim Erleiden der Härten des Lebens immer ein Trost gewesen und eine unerschöpfliche Quelle der Toleranz […]. Nach dem Sinn oder Zweck des eigenen Daseins sowie des Daseins der Geschöpfe überhaupt zu fragen, ist mir von einem objektiven Standpunkt aus stets sinnlos erschienen. Und doch hat andererseits jeder Mensch gewisse Ideale, die ihm richtunggebend sind für das Streben und für das Urteilen.

Albert Einstein (1879 – 1955), Mein Weltbild, S. 416.


Sanfter Trommelwirbel, ein zögerlicher Tusch und verhaltener Applaus tönen durch den digitalen Äther – Quanzlands lebt noch, ich lebe noch:

Urspünglich wollte ich Schopenhauers aphoristischen Ausspruch zur Willensfreiheit zitieren, musste dann jedoch rasch feststellen, dass dieses Zitat bloß vermeintlich von dem verehrten Philosophen stammt, sondern nachweislich eine Verdichtung Albert Einsteins ist, der darin Schopenhauers Philosophem, wenn auch treffend, zusammenfasst.

Soviel als Auftakt – aber warum komme ich überhaupt darauf und was zur Hölle, oder für die Gottlosen unter Euch: was zum Geier, war denn in letzter Zeit bei mir und mit Quanzland los? Klar ist, dass dieser Blog heftig brach lag, während ich mich zeitgleich in einem intellektuellen Ödland herumgetrieben und wenig bis keinen Text hervorgebracht habe.

Offen gestanden kann ich bisweilen nicht einmal tun, was ich will, noch gar vermag ich, zu wollen, was ich will. So weit, so abstrakt – konkret hätte ich in den letzten zwei Jahren hier gerne hunderte von Artikeln platziert und unterdessen mindestens einen Roman und obendrauf ein Dutzend kleinere Textprojekte vorangebracht und abgeschlossen. Aber das Leben hat so seine Eigendynamik(en) und der Wille – hehren Idealen, schönen Utopien und schnöden Vorsätzen zum Trotz – ist und bleibt ein diffuses, unstetes und sonderbares Wesen. Da kann man sich, kann ich mir noch so viel vorstellen, es gibt Bedingungen und Bewegungen unter, außer und über meinem kleinen Ich, die überwältigend und unterminierend sein können; wobei sich mir hierzu die geläufige Metapher vom Ich als Schiffbrüchigem, geklammert an eine winzige Planke inmitten eines endlos scheinenden Ozeans, assoziativ aufdrängt, den dort die Wogen des Meeres bisweilen stürmisch umtoben, der von der schwarzen Tiefe, unermesslich und unergründlich, bedroht wird, ständig in Angst vor dem Unbekannten unter ihm, stets in Furcht vor dem Ertrinken und Verhungern.

Gründe für meinen literarischen Verzicht, gute wie schlechte, gibt es Legion: Vaterschaft, Lust- und Disziplinlosigkeit, Selbstständigkeit, (Zerstreuungs-)Sucht, ein kürzlicher Umzug und eine unbegreiffliche und manchmal unkontrollierbare Werkangst. In der Summe blieb also wenig Zeit und Lust zum Schreiben, gab es viele Hemmnisse und Widerstände.

In einer solchen Situation verfängt der Schopenhauersche Determinismus, tendenziell fatalistisch, reflexiv natürlich optimal, macht er uns doch etwas freier von der Last der utopischen Verantwortung. Einer Verantwortung für all das, was wir irgendwie wollen, irgendwie aber auch nicht, weil wir aus welchen Gründen auch immer nicht dazu kommen, verhindert und gehemmt sind. Ich stelle mir etwas Zukünftiges, moralisch positiv und logisch auch negativ gemeint, vor, will etwas erreichen oder unterlassen, aber dann kommt es anders.

Nun aber genug vom zutiefst persönlichen Hinter- und Untergrund, zurück zur Oberfläche des vermeintlichen Schopenhauer- letztlich aber doch Einstein-Zitats und dessen seriastischen Kontext. Denn immerhin passiv-rezeptiv bleibt für mich Fiktionales, Literatur und Film bzw. vor allem Serie, gewiss zeitlebens wichtig und alltagsprägend. Kurzum, ich habe neuerlich abermals viele nahezu ausnahmslos gute Serien „gebinged“: Utopia, Game of Thrones, Altered Carbon, The Expanse, 100, Twin Peaks, Westworld, The Witcher, Lost in Space, Haus des Geldes, (Fear) The Walking Dead, Black Mirror, um die Wesentlichen und neuesten zu nennen, und eben auch und nicht zuletzt Dark, dessen dritte und zugleich letzte Staffel verheißungsvoll mit unserem einschlägigen Fehlzitat eröffnet wird.

Diese Serie, ihres Zeichens die erste deutsche Netflix-Produktion, hat mich unterdessen besonders gefesselt. Nicht nur, weil sie ein furioser Genremix aus Mystery, Science-Fiction, Horror und Drama, gewürzt mit einer wohldosierten Prise Soap-Opera, ist, sondern weil sie atmopspährisch immens dicht und zumindest bis in die dritte Staffel hinein rezeptive wie intellektuell durchaus anspruchsvoll daherkommt. Bisweilen übertrieben, krud und verworren, schauspielerisch nicht immer grandios, hatte ich dennoch immer den Gesamteindruck einer gelungenen Erzählung. Trotz aller Unwirtlichkeit und Unwirklichkeit bin ich in Winden, dem fiktionalen Ort der Geschehnisse, heimisch geworden, habe mich mit den vielen Figuren, gleich ob Protagonist, Antagonist oder Nebenfigur – eine Differenzierung zumal, die hier höchst brisant bis interessant ausfällt -, angefreundet. Folge für Folge dringt man tiefer ein in die anfangs undurchdringlich scheinende Dunkelheit, enträtselt dabei ein spannendes Mysterium, lernt eine kuriose bis groteske Stadt und ihre dementsprechenden Bewohner kennen, insbesondere die vier zentralen Familie Kahnwald, Nielsen, Tiedemann und Doppler, und verstrickt sich in einen komplexen Plot voller Wendungen, Blendungen, Tief- und Höhepunkten. Was soeben beinahe wie allglattes Marketing klingt, formuliere ich authentisch und taktisch zugleich, denn mehr zum Inhalt zu sagen, wäre töricht und unangemessen, will ich Euch hiermit doch ermuntern, die Serie so zu schauen, wie es meines Erachtens ideal ist: neugierig, naiv und nichtsahnend.

Also nur Mut, denn 26 Folgen in drei Staffeln mit einer durchschnittlichen Spielzeit von einer Stunde pro Folge bleibt greiffbar und erschlagen selbst Serienmuffel nicht durch allzu viel epische Quantität. Ich jedenfalls kann mir gut vorstellen, dass Dark nach Akte X die zweite Serie überhaupt werden könnte, die ich ein zweites Mal schauen werde. Sofern nicht mein Wille und meine Vorstellungen in Zukunft verwirklicht werden und ich stattdessen schreibe, schreibe und noch mehr schreibe. Ich jedenfalls bin gespannt darauf, denn man weiß ja nie genau worauf – komme also, was da will.

Gefangen in der Mitte zwischen Determinismus und Willensfreiheit grüßt, Euer Satorius

Von der Stoa das Leben lernen oder es fahren lassen

Was immer irgend jemand gut formuliert hat, ist mein Eigentum. Auch folgendes Wort stammt von Epikur: „Wenn du nach der Natur lebst, wirst du niemals arm sein: wenn nach Wunschvorstellungen, wirst du niemals reich sein.“ Wenig fordert die Natur, die Wunschvorstellung Unermeßliches. Gehäuft werde auf dich, was immer viele Reiche besessen hatten; über eines Privatvermögens Maß hinaus bringe dich das Schicksal, mit Gold bedecke es dich, in Purpur kleide es dich, zu einem Maß an Genuß und Reichtum bringe es dich, daß du die Erde mit Marmor verbirgst, nicht nur Reichtum zu besitzen dir erlaubt ist, sondern auch, auf ihn zu treten; hinzu mögen kommen Plastiken und Gemälde und was immer irgendeine Kunstfertigekeit an Luxus hervorgrebacht hat: Größeres zu wünschen wirst du davon lernen. Naturgegebene Bedürfnisse sind begrenzt; aus trügerischem Wunschdenken entstehende wissen nicht, wo sie aufhören sollen: keine Grenze nämlich gibt es für Trügerisches. Wer einen Weg geht, für den gibt es etwas Letztes: Irrtum ist unermeßlich. Zieh dich also zurück von Nichtigem, und wenn du wissen willst, ob, was du wünschst, naturgegebener oder blinder Sehnsucht entstamme, überlege, ob es irgendwo haltmachen kann: wenn du weit gegangen bist und immer noch etwas Weiteres übrig bleibt, so wisse, das ist nicht naturgegeben.

Lucius Annaeus Seneca (1 – 65), Briefe über Ethik, 16, 7-9 (S. 127f., Philosophische Schriften – Band 3, übersetzt von Manfred Rosenbach)


Handle so, dass die Wirkungen deiner Handlung verträglich sind mit der Permanenz echten menschlichen Lebens auf der Erde. […] Gefährde nicht die Bedingungen für den indefiniten Fortbestand der Menschheit.

Hans Jonas (1903 – 1993), Das Prinzip Verantwortung. Versuch einer Ethik für die technologische Zivilisation, S. 36 (1979)


Während ein ernstzunehmender Bruchteil der deutschen und auch der globalen Jungend anfängt, für ihre naturgegebenen Bedürfnisse in einer prognostisch-düsteren Zukunft einzustehen; nachdem Hans Jonas, wissend um die Dialektik der Aufklärung, Kants ehrwürdigen, aber zu individualistischen Imperativ notwendig erweitert hatte; wo bereits seit 1972 die trügerische Wunschvorstellung vom grenzenlosen Wachstum der Weltwirtschaft attestiert worden ist; hatten zwei Millenien zuvor die Weisen der klassischen Antike, sowohl der griechischen wie der römischen Kultur als auch der stoischen und epikureeischen Philosophie, klar erkannt und benannt, dass sehnsüchtig erstrebter und arglos angehäufter Reichtum widernatürlich ist. Von anderen Kulturen und ihren gleichtönenden Stimmen schweige ich der Prägnanz und der Redlichkeit zuliebe, denn hier herrschen Halbwissen und Vagheit.

Die Reichen und Mächtigen (es mag auch hier Ausnahmen geben, aber die diskriminiere ich kurzerhand) jedenfalls und jedoch waren seither entweder blind, taub, lahm und dumm oder schlicht unsittlich und dabei gemeingefährlich egoistisch bis schreiend generationenungerecht. Ihresgleichen, die gesellschaftlich relevanten Institutionen, aber auch der Pöbel aller Länder haben nicht nur die altvorderen Belehrungen ignoriert, sondern sind auf dem ziel- und uferlosen Weg des ewigen Wachstums und der unablässigen Ausbeutung stur weiter einem fatalen Trugbild nachgeeilt. Generation um Generation lebten den stupiden Alptraum einer ökonomischen, politischen und sozialen Dystopie, verfielen solcherart mehr und mehr einer fatalen Hybris, die in ihrer moralischen wie rationalen Verwerflichkeit irgendwo zwischen Prometheus und Narzissus changiert. Also sogar der vorphilosophische Mythos hatte sie, hatte uns eindeutig und lebensnah gewarnt und nachdrücklich zum Umdenken ermahnt.

Aber nein, wir wollten nicht hören; und so stehen wir heute im Angesicht der politisch wiedererwachenden Jugend bestenfalls kleinlaut, schlimmstenfalls leugnend da und müssen schahmvoll anerkennen: Wir haben uns versündigt, haben Mutter Natur geschändet und die Erde verwüstet.

Und was macht man dieser Tage in Deutschland, dem Land der Dichter und Denker, Förster und Erfinder, dort, wo vermeintlichen die ökologische Avantgarde zuhause ist, dort, wo Idee und Begriff der Nachhaltigkeit geprägt und gepflegt wurde: Man zaudert und hardert! Man fürchtet um Arbeitsplätze und Wettbewerbsvorteile, scheut den Unmut der Wähler und die Unzufriedenheit der Dekandenten. Man feiert rhetorisch tumb ein sogenanntes Klimapaket als „Durchbruch“, das nach pessimistischen oder realistischen Schätzungen – ich vermag das, Stichwort: Redlichkeit, nicht zu qualifizieren – läppische 50% der vertraglich vereinbarten und hart erkämpften CO²-Einsparziele gemäß Pariser Klimaschutzabkommen erzielen könnte. Unterdessen hofft man blind auf Innovationen, die uns dereinst womöglich retten könnten. Von Selbstvertrauen und Courage keine Spur, von Veränderung und Konsequenz keine Rede, der Rest ist Schweigen und Einerlei …

„Verzicht“ und „Verbot“, sogar „Mäßigung“ werden im öffentlichen Diskurs größtenteils wie Todsünden behandelt und verteufelt, „Konsum“ und „Wachstum“, „Freiheit“ und „Markt“ hingegen als Tugenden gefeiert und geadelt. In diesem Kontext noch ernsthaft von naturgegebenen Bedürfnissen zu reden und solche zu kritisieren, die trügerische Wunschvorstellungen konservierend, die Permanenz echten menschlichen Lebens auf Erden gefährden, ist mir ehrlicherweise das Tippen nicht weiter wert. So evident, so grotesk, so irrig und fatal ist die Lage, wenn man nur noch abschließend hinzudenkt, dass Deutschland, dass Europa nur ein kleines Zahnrad im Getriebe der Weltverschrottungsmaschinerie ist.

Warum für die Zukunft demonstrieren, warum stoisch, weise und klug handlen, ich habe eine viel bessere, eine durch und durch tröstliche Idee: Lasst uns doch einfach alle mit unseren SUV’s kurz beim Drive-In haltmachen, fünf Burger kaufend und zwei bis drei wegwerfend, bevor wir auf der AIDA einchecken, wo uns achselzuckend einfällt, dass wir zuhause in der Villa Licht, TV, Rechner und Heizung an- und die Fenster aufgelassen haben, was wir aber nach Sauna und Whirlpool, beim üppigen Abendbankett unter’m Wärmepilz an Deck sitzend und schlemmend, mit dem Cocktail-to-go im Plastikglas in der Hand schon wieder vergessen haben.

Ein Hoch auf die Jugend, möge ihnen späterhin der zivilisatorische Abgrund nicht zu unbehaglich werden, Euer entnervter Satorius

P.S.: Nicht, dass ich deratig Utopisches zu unseren Lebzeiten noch erwarten würde, aber wie wäre es hiermit – klar, kritisch, jedoch unkonkret!

Astro(nomie)-Trip

Wer sind wir schon wir winzigen Menschlein? Nichts und nichtig, verglichen mit der Unendlichkeit des uns umgebenden Alls! So unbedeutend und zugleich zerbrechlich, sterblich und bedürftig zumal, dass starkes Selbstvertrauen und jedwede (meist verdeckte, versteckte) Form des Narzissmus wie heftigste Realitätsverleugnung daherkommen. Kosmisch gesehen sind wir „Firlefanz“, wie ein Freund kürzlich treffend bemerkte, Tand,  oder aber freundlich-positiv im Gegenteil ausgedrückt: Ornament, Zierde, Singularität – in Größe, Mächtigekeit und degleichen Machokategorien aber sind und bleiben wir die Opfer der kosmischen Hackordnung.

Dennoch, genau deshalb, wegen Einzigartigkeit, Vielfalt, Vergänglichkeit, Veränderlichkeit, Freiheit und Kreativität sind unsere Existenzen wenn auch winzig, zugleich so unglaublich kostbar, ist insbersondere auch Liebe zum Leben, der Eros Freuds, mehr als ein dahingesäuselte Leerformel. Ob diese tiefe Wertschätzung sich selbst, seinen Freunden, der Familie oder gar der Menschheit gilt, ist hierbei höchstens zweitrangig, denn all diese Formen der (potentiellen) Brillanz erhebt uns über jede bloße Quantität. In der Singularität eines jeden Menschenlebens liegt eine der unermesslichsten Qualitäten. Wir sind zudem physisch-psychische Doublette, ein aus elementarem Stoff(-gemisch) zusammengesetzes Ding, das potentiell aus den gleichen Atomen – vertraut man denn dem Model der modernen Physik bis hinuter auf die ontologischen-existenzielle Ebene – besteht wie all die anderen Entitäten der belebten und unbelebten Natur um uns herum: Steine, Sand, selbst die Sonne, zugleich Staphylokokken, Salamander und Sojaschnitzel und so weiter…

Genug geschleimt, jetzt reicht es, schluss mit dem Narzissmus! Schluss also mit der sanften Seelenmassage, zurück zum realistisch-faktenharten Eingangston: Wir sind aus Sternenstaub – ja! So lyrisch schön und zugleich naturwissenschaftlich zutreffend diese Aussage auch sein mag, so ethisch unermesslich, neural komplex und ontologisch hervorragend (intelligentes) Leben auch immer sein mag, wir sind: bloßer Staub. Verglichen mit den abstrakten, unvorstellbar gigantischen Dimensionen dessen, was zuvor die Philosophen noch schwärmerisch und nach ihnen nun auch die modernen Wissenschaftler tendenziell nüchtern-elegant Universum oder Kosmos genannt haben, sind wir aus nur Marginalien, kleine Lichter in einem Meer aus strahlenden Sternen, in einem Ozean aus gleißenden Galaxien und – hier bricht zwangsläufig jeder Hauch von Poesie – in einer Masse an (Super- & Mega-)Haufen.

Trotz aller unbestreitbaren Vorzüge der Erde und der sie bewohnenden Menschheit reicht bereits ein flüchtiger Seitenblick auf die realitve Skalierung unseres eigenen kleinen Planeten im kosmischen Kontext, um uns eine Lehre in Mäßigung und Demut zu erteilen. Zwei Tugenden, sehr alte Tugenden, die dieser Tage etwas aus der Mode gekommen sind, jedoch nur dann schädlich werden können, wenn man es mit ihnen moralisch übertreibt und sie predigt – Stichwort: (Welt-)Religionen. Die Tiefgläubigen unter uns sind deshalb auch gut gewappnet für die anstehende Reise, können einfach die Schönheit der Schöpfung geniesen, entdecken in ihr womöglich das Werk oder die Präsenz ihrer Konfession der Wahl oder des nachgeburtlichen Zufalls. Jeder (naive) Narzisst jedenfalls und/oder anderweitig Selbstwerbeschädigte sei hier vorsorglich sowie ausdrücklich gewarnt: Die tröstende Passage war kalkuliert platziert, von nun an wird wieder hart und heftig desillusioniert.

Zuvor aber noch eine ernsthafte Frage, eine durchaus rhetorische Frage, deren dennoch bemühte Beantwortung für Euch im Laufe dieses Artikels noch frappant bis brisant werden könnte: Wo befindet Ihr euch gerade? Eine simpel scheinende Frage, nicht wahr? Denkt kurz definitotrisch darüber nach und merkt Euch eure Antwort gut, insbesondere die Maße und Relationen, die das „Wo?–>Da!“ begleiten, und die vermutlich im Gros durch die Einheiten Meter und Kilometer oder mal mit Bezügen zur Erde oder sogar Sonne ausgefallen sein dürfen. Haltet Euch daran gedanklich fest.

Los geht’s also – bloß nicht festhalten! Hier und jetzt – wo und wann das bei Euch auch immer sein mag – beginnt der demütige Astro-Trip. Genau über eurem aktuellen Standort, knapp oberhalb unserer alltäglichen Lebenswelt starten wir, hinfort aus dem Alltag streben wir sogleich, weg von der Erde, hinaus in die Weiten des Weltalls (- ein, wie ich finde, guter Anwärter auf den Titel „Schönstes Wort der deutschen Sprache“). Wir verlassen dafür also zunächst rasch den Bereich unserer leiblich-wirklichen Sinnenumwelt – Meter Adé! Beinahe sofort, nach nur wenigen Sekunden Denkweg, landen wir fern der Anschauung bereits im reinen Denken. Dergestalt führt uns die eingeschlagene Reiseroute direkt hinein in und durch die Elfenbeintürme von Astronomie, Physik und Chemie. Eben noch standen/saßen/lagen wir im Arbeitszimmer/Bett/Wohnzimmer und fragten uns, wo wir sind oder was ich eigentlich von Euch will; vielleicht aber stellt Ihr euch auch schon vor, wie es dort droben wohl tatsächlich ist, da draußen in unserem heimischen Sonnensystem, der lieben Heimatgalaxis Milchstraße oder wagt euch noch weiter nach draußen in ein ominöses, unverschämtes und unbekanntes Universum.

Jetzt aber wirklich los und schwupps: Rocketjump! Mental rauschen wir ungehindert nach oben in den Himmel, kurz hinein in die Vogelperspektive, dann aber wird es plötzlich arg transzendent, deshalb lasse ich hier populärwissenschaftliche Grafiken für sich sprechen, deren Fund im letzten Jahr diesen Artikel hier überhaupt erst ausgelöst hat. Denn die Regionen, die wir betreten, in die wir uns wagen wollen, sind wie gesagt bloß noch vermittelt ansatzweise vorstellbar, eine nur durch Darstellung zugängliche Sphäre von Begriffen und Modellen, welche auf Messung, Gesetzen und gelehrten Spekulationen beruhen.

Bis (oder sogar ob jemals) eines Menschen Auge dieses atemberaubende All autonom erblicken wird, kann noch äonenlang leise-hallende, von fern her klingende Zukunftsmusik geduddelt werden. Derweil vergnügen wir uns mit hübschen Bildern plus klaren und erhellenden Grafiken, während wir uns unterdessen davor hüten sollten, diese Dimension wirklich verstehen, fühlen und begreiffen zu wollen. Es sei denn, wir staunen, oder, wie zuvor gespöttelt, wir erkennen in allem Folgenden das Wirken unseres Gottes, unserer Götter – dann nur zu: Euch allen wünsche ich gleichsam „bon voyage“!

1. Etappenziel: Die Grenzen unseres Heimatplaneten = Erde


Andrew Z. Colvin, Earth’s Location in the Universe (4. April, 201
Markus D., Luftschichten der Erde auf www.nfo-wetter-pohlheim.de (Link zur Originaldatei)

2. Etappenziel: Das heimische Planetensystem = Sonnensystem

Andrew Z. Colvin, Earth’s Location in the Universe (4. April, 2012)

3. Etappenziel: Die Nachbarsterne im galaktischen Spiralarm = Orion-Arm

Andrew Z. Colvin, Earth’s Location in the Universe (4. April, 2012)

4. Etappenziel: Unsere spiralarmige Heimatgalaxis = Milchstraße

Andrew Z. Colvin, Earth’s Location in the Universe (4. April, 2012)

5. Etappenziel: Unser angestammter Galaxien-Haufen = Lokale Gruppe

Andrew Z. Colvin, Earth’s Location in the Universe (4. April, 2012)

6. Etappenziel: Der Haufen der Haufen = Virgo-Superhaufen

Andrew Z. Colvin, Earth’s Location in the Universe (4. April, 2012)

7. Etappenziel: Der heimliche (Mega-)Superhaufen = Lanaikea

Andrew Z. Colvin, Earth’s Location in the Universe (4. April, 2012)

8. Etappenziel: Das Ende unserer Reise, die Grenzen der Ausdehnung (oder der Vermittlung)


Andrew Z. Colvin, Earth’s Location in the Universe (4. April, 2012

8. – 1. Die zurückgelegte Reiseroute im schonungslos ungeschönten Rück- und Überblick


http://www.astro.princeton.edu/universe/

Wow, was für ein Trip! Wenn wir, am Ziel angekommen, dann so im Nichts rumstehen, außerhalb des sich angeblich seit dem Urknall ausdehnenden Universums rumlungern, dann könnten wir hochgerechnet 70 Trilliaden (7*10²²=70000000000000000000000) Sterne gleichzeitig im Blick haben und aus selbigem verlieren. So jedenfalls das Paradigma der modernen Naturwissenschaft, keine Rede dort von Unendlichkeit, nur von super, mega, giga gigantisch großen Zahlen und Dimensionen.

Gemäß besagtem Weltbild ist die Geschichte von allem rasch erzählt, in einer exorbitanten Stauchung erzählter Zeit auf kaum eine Minute Lesezeit: Einst war alles in einem Punkt vereint – die sog. Singularität; dann passierte irgendwas seltsames, es wurde schief und krum, Zeit und Raum begannen – der sog. Urknall; in Raum und Zeit expandierte sodann die zuvor im Knall entstandene Materie, formte sich aus, erkaltete und differenzierte sich aus; bildete daraufhin nach und nach neue Formen, wie Sterne und Planeten, aber auch Schwarze Löcher und Dunkle Materie; brachte nunmehr an freundlichen Orten wie Mutter Erde (und womöglich auch dazwischen) allerlei Leben in seinen abgefahrensten Varianten und Variationen hervor; und schließlich evolutionierte alles Leben und das All expandierte glücklich bis ans Ende seiner Tage, wobei die Debatte über das Ende der Geschichte unter uns Erdenkindern derzeit offen bis kontrovers geführt wird.

Wir Sucher jedenfalls mäßigen uns demütig, werden still vor dem Antlitz des Alls und Angesichts unserer zuvor gegeben, nunmehr klein und irrelevant scheinenden Antwort auf die Frage „Wo?“; wir sind in der gefühlten und ungewissen Unendlichkeit gestrandet, sprechen von Myriaden und messen bei weitem nicht mehr in Metern, sondern in abstrakten, namenlosen Maßeinheiten. Die Äonen aber, die Zeit hingegen blieb stumm und wird das auch bleiben; wo doch schon der Raum uns derart überwältigt, würden die Untiefen der Zeit unseren Horizont wohl endgültig sprengen. Trösten wir uns also mit den warmen Worten vom Beginn, versichern uns somit gleichsam unseres Wertes, verbürgt durch unsere ganz persönliche Singularität; oder einfach dadurch, dass das All schlich unt einfach schön ist. Die Vorstellung zuletzt, dass unsagbar viele Lebewesen überall im All sich gleiche und ähnlich Fragen stellen oder nicht stellen, ist ebenfalls relativierend und kompensierend, Anker und Hafen zugleich.

Was auch immer das Weltall und der Rest im Kern auch sein mögen, gilt: Heilig sind die wortlos Staunenden, seelig noch die, die geflissentlich Gewissheit suchen, verflucht jedoch diejenigen, welche kosmische Wahrheit(en) ihr eigen nennen – ob sie Theologen, Astrologen oder Astronomen sein mögen, den Theos, Logos oder Nomos, also Gott, Sinn oder Gesetz gefunden zu haben glauben! Denn auch wenn mir die Gesetzessuche der Astro-Nomie durchaus sympathisch ist, sich zudem sehr viel mehr Mühe bei der Überzeugungsarbeit seiner Gläubigen gibt und sogar Selbstkritik übt und kultiviert, verbleibe ich in kindlichem Staunen über die große weite Welt des Weltalls – Demut und Maß hin oder her!

In agnostisch-atheologischer Neugier, Euer spätnächtlicher Sternenkucker Satorius

#MCE9@Platon, Escher und der Klimawandel …

Maurits Cornelis Escher (1898 – 1972), Order and Chaos (1950; Lithografie)




Weit sind sie gekommen die Freunde der Ordnung. Seit Platons Zeiten sind gute 2,5 Jahrtausende vorübergegangen und der Mensch hat seine Ordnung über den ganzen Globus ausgebreitet. Die Menschheit hat dadurch aber ebenfalls ein nicht zu verleugnendes Maß an Unordnung gestiftet. Zumal ist die Weltordnung (historisch plus ökonomisch, politisch, sozial, usw. usf.) im steten Wandel.

Chaos also allenthalben. Erst ist die Ordnung und dann kommt unweigerlich, obsiegt am Ende doch noch das Chaos – „Order and Chaos …“, not „Chaos and Order …“ -, und sie lebten chaotisch bis ans Ende ihres Textes.

Genau das, den kognitiven Primat und damit menschlichen Narzissmus einer vernünftigen Ordnung als Prinzip des Bewusstseins, das sich aber letztlich reflexiv (und jenseits egalitärer Dialektik) der Unordnung der Wirklichkeit, des Nichtwissens über die Welt bewusst wird und schlussendlich so dem Ultimat des Chaos unterwirft, lese ich in #MCE9 herein. Wird doch das Symbol des europäischen Rationalismus schlechthin, die leicht sphärisch-variierten fünf platonischen Körper, von allerlei Profanem und Banalem aus allen Menscheitszeitaltern bedrängt, förmlich eingekreist und belagert; dadurch wird das ordentliche Objekt im Zentrum ästhetisch wie logisch vom (Bild-)Äußeren her in seiner zählbaren Endlichkeit durch eine chaotische Unendlichkeit überfordert.

Interpretation hin oder her, Fakt ist, dass Wissenschaft und Politik nach Platon auch ohne Philosophenkönige viele Erfolge gegen das Chaos errungen haben, nun aber zivilisatorisch aufs neue heraus- und hoffentlich nicht überfordert werden. Nicht irgendein beliebiges, besonderes Objekt, sei es im Detail noch so einzigartig und damit alles andere als platonisch einfach zu abstrahieren, fordert den Glauben an die vernünftige Ordnung der (menschlichen) Dinge heraus, sondern eine komplexe Relation, die ihrerseits zum Gegen-Symbol der Ordnung geworden ist: das chaotische System namens Klima. Dessen konkrete Realisation – das Wetter – vermag auch schon mal einen, zugegeben nicht eben hellen Präseidenten intellektuell zu überfordern. Die globale politische Lösung der hausgemachten Klimaproblematik hingegen würde vermutlich auch einen Platon und all seine imaginierten Philosophenkönige ordentlich ins Schwitzen bringen.

Was würde Platon, was Escher zum Klimawandel, insbesondere zur sich derzeit abzeichnenden zivilisatorischen Ohnmacht, wohl zu sagen haben, welche Ideen und Lösungsansätze würden sie ersinnen? Der Rest ist Schweigen …!

Das alles kann passieren, wenn man mitnächtlich munter anfängt, Kunst zu interpretieren: Das Denken kommt in Bewegung und nimmt Fahrt auf, windet sich in Spiralen und Serpentinen hinauf, hinab und jedenfalls hinfort vom gegebenen Kunstwerk und dessen materieller (oder in unserem Fall: virtueller) Faktiztität. Die mehr oder minder kreative, mehr oder weniger assoziative Fiktion, die am Ende herauskommt, ist nicht beliebig, jedoch ziemlich chaotisch durch die Person und Situation des Rezipienten kompliziert. Denn was Escher im Sinne hatte, als er „… und Chaos“ nach „Ordnung“ titelte oder als er zufällig mit 15 eine ungerade Anzahl an vermeintlichen Chaos-Exempeln um das platonische Zentrum herum gruppierte, ist trivialerweise unbestimmt; aber ebenso auch irrelevant, wie zudem Platons Antworten; denn wir sind es, die Anworten finden können, verantworten müssen.

Kunst ist und bleibt ein Kalleidoskop des Denkens (und natürlich Fühlens). Deshalb freue ich mich derart über die heutige Wiedererweckung des Formates Lichtrausch, dass ich nicht umhin konnte, entgegen meiner bisherigen Devise der interpretatorischen Zurückhaltung, auch mal wild auf ein Werk ein-zu-interpretieren: von Escher zum Klimawandel – immer wieder illuster, wo so ein Spaziergang auf einem der potentiell unendlichen Denkwege durch das mentale Chaos endet!

Euer lichtberauschter, nächtlicher Mental-Flaneur, Satorius

Poets on drugs?!

Alles neu macht Gutenberg, der neue Editor von WordPress. Einiges wurde damit besser, einiges jedoch auch schlechter. Deshalb werde ich von nun an auf die über Jahre hinweg beinahe schon klassisch gewordene Formatierung für TFF und dergleichen Zitationen verzichten, denn sonst müsste wie auch beim Blocktyp Überschrift gänzlich auf Farbe und weitere Formatoptionen verzichten. Da ich das nicht will, Verzicht in dieser Hinsicht keine Optiondarstellt, behelfe ich mir mit einem stark veränderten Absatz-Block und versuche mich ansonsten nicht über die Steuerung von Zeilen und Absätzen aufzuregen.

Dergestalt pflege ich mit dem heutigen Artikel zugleich mit Lyrik-Alarm ein Fomat und mit Bilderfolgen ein Thema, die zwar nicht vom Aussterben bedroht, aber doch selten sind. Gemischt wird das ganze thematisch noch mit Fiktionalen Kleinoden und Denk-Welten und fertig ist der Blogbeitrag:


An den Mond

Füllest wieder Busch und Tal
Still mit Nebelglanz,
Lösest endlich auch einmal
Meine Seele ganz;

Breitest über mein Gefild
Lindernd deinen Blick,
Wie des Freundes Auge mild
Über mein Geschick.

Jeden Nachklang fühlt mein Herz
Froh- und trüber Zeit,
Wandle zwischen Freud‘ und Schmerz
In der Einsamkeit.

Fließe, fließe, lieber Fluß!
Nimmer werd‘ ich froh;
So verrauschte Scherz und Kuß
Und die Treue so.

Ich besaß es doch einmal,
was so köstlich ist!
Daß man doch zu seiner Qual
Nimmer es vergißt!

Rausche, Fluß, das Tal entlang,
Ohne Rast und Ruh,
Rausche, flüstre meinem Sang
Melodien zu!

Wenn du in der Winternacht
Wütend überschwillst
Oder um die Frühlingspracht
Junger Knospen quillst.

Selig, wer sich vor der Welt
Ohne Haß verschließt,
Einen Freund am Busen hält
Und mit dem genießt,

Was, von Menschen nicht gewußt
Oder nicht bedacht,
Durch das Labyrinth der Brust
Wandelt in der Nacht.

   

Johann Wolfgang von Goethe (1749 – 1832), An den Mond (1777)


Liebliches

Was doch Buntes dort verbindet

Mir den Himmel mit der Höhe?

Morgennebelung verblindet

Mir des Blickes scharfe Sehe.

     

Sind es Zelte des Wesires, 

Die er lieben Frauen baute?

Sind es Teppiche des Festes,

Weil er sich der Liebsten traute?

     

Rot und weiß, gemischt, gesprenkelt

Wüßt ich Schönres nicht zu schauen.

Doch wie, Hafis, kommt dein Schiras

Auf des Nordens trübe Gauen?

       

Ja, es sind die bunten Mohne,                                                                                

Die sich nachbarlich erstrecken

Und dem Kriegesgott zu Hohne

Felder streifweis freundlich decken.

    

Möge stets so der Gescheute                                                                          

Nutzend Blumenzierde pflegen

Und ein Sonnenschein wie heute

Klären sie auf meinen Wegen!

     

Johann Wolfgang von Goethe (1743 – 1832), Liebliches (1819; in: West-östlicher Divan – Buch des Sängers)


SONNET 76

Why is my verse so barren of new pride?
So far from variation or quick change?
Why with the time do I not glance aside
To new-found methods and to compounds strange?
Why write I still all one, ever the same,
And keep invention in a noted weed,
That every word doth almost tell my name,
Showing their birth and where they did proceed?
O, know, sweet love, I always write of you,
And you and love are still my argument;
So all my best is dressing old words new,
Spending again what is already spent:
For as the sun is daily new and old,
So is my love still telling what is told.


Was bleiben allen neuen Reizen fern, Eintönig, ohne Wechsel meine Sänge? Und warum schiel‘ ich nicht, wie es modern, Nach neuer Form und seltnem Wortgepränge? Was Schreib‘ ich immer gleich und eines nur Und kleide meinen Sang nach alter Art, Daß jede Silbe weist auf meine Spur Und ihren Stamm und Herkunft offenbart? Muß, Liebster, ich von dir doch immer singen! Du und die Liebe bist mein ganzer Sang, Mein Bestes ist, in neue Form zu bringen Die alte Weise, die schon oft erklang. Alt ist die Sonne, und doch täglich neu, So bleibt mein Herz dem alten Liede treu.

William Shakespeare (1564 – 1616), SONNET 76 (Entstanden: 1592 – 1598; Veröffentlichung: 1609)

Weitere Übersetzungen und Lyrik bis zum Morgengrauen: http://www.deutsche-liebeslyrik.de/europaische_liebeslyrik/shakespeare/shakespeare_76.htm


SONNET 118

Like as, to make our appetites more keen,
With eager compounds we our palate urge,
As, to prevent our maladies unseen,
We sicken to shun sickness, when we purge,
Even so, being tuff of your ne’er-cloying sweetness,
To bitter sauces did I frame my feeding,
And, sick of welfare, found a kind of meetness
To be diseas’d, ere that there was true needing.
Thus policy in love, to anticipate
The ills that were not, grew to faults assured,
And brought to medicine a healthful state,
Which, rank of goodness, would by ill be cured:
   But thence I learn, and find the lesson true,
   Drugs poison him that so fell sick of you.


Wie man, um seine Essenslust zu mehren,
Den Gaumen reizt durch scharfe Arzenein
Und, sich verborgner Leiden zu erwehren,
Aus Furcht vor Krankheit impft die Krankheit ein:
So würzte ich, der ich mich übernommen
An deiner Süße, bitter meinen Trank,
Der Schmerz war als Erholung mir willkommen
Nach zu viel Lust, von Wohlergehen krank.
So dachte Liebe schlau vorauszueilen
Der künft’gen Not und kam zu sicherm Leid;
Die Krankheit sollte den Gesunden heilen,
Der, krank am Guten, suchte Bitterkeit.
Doch lernt‘ ich dies, daß Arzenei wie Gift
Für den ist, den durch dich die Krankheit trifft!

William Shakespeare (1564 – 1616), SONNET 118 (Entstanden: 1592 – 1598; Veröffentlichung: 1609)


Schrieb Shakesspear auf Dope und ergözte sich Goethe am tiefen Opiumschlummer? Zwei Titanen der Literaturgeschichte, fließige und geehrte Männer, sollen solch liederlichen Lastern gefrönt haben, wie man sie höchsten bei Hippie-Poeten, exzentrischen Rockstars und insgesamt bei  zeitgenössischen Stars erwartet und duldet: Dorgen, Rausch und womöglich sogar am Ende auch noch Sucht!

In der aktuellen, durchaus sehr sehenswerten Folge von Terra X, die unter dem Untertitel DrogenEine Weltgeschichte thematisch einschlägig firmiert, werden archäologisch bis literaturgeschichtliche These zu beiden Autoren artikuliert: Von Francis Thackeray werden drogentechnisch positiv getestete Pfeifen präsentiert, nachdem er in den zwei sicherlich gelesenen Gedichten untrügliche Hinweise auf Cannabis gefunden haben wollte – das „Weed“ und die Ode an den anonymen Appetitanreger; vager und weniger empirisch schlagend fällt die an- und die Sendung abschließende Bezichtigung unseres lieben Volksdichters aus, der West und Ost in seiner Biografie vereinend, wohl ein Freund des Mohns und seines wertvollen Saftes gewesen sein soll. Daneben findet ein farbenfroh illustrieter Roadtrip durch die Menschheitsgeschichte statt, währenddessen ein nüchtern-anerkennender Umgang mit dem sooft tabuisierten Grundmotiv des Lebens gepflegt und viel Wissenswertes erzählt wird. Soviel sei angedeutet, denn die Mediathek lockt leichterhand zum Ansehen der eigentliche Quelle: Drogen – Eine Weltgeschichte (1/2). Zwischen Rausch und Nahrung

Ich persönlich lese ja den Mond als starkes und subtiles Symbol, als poetischen Platzhalter für das Objekt der Sehnsucht; wobei ich den Romatikern trotz aller Freakigkeit eher langweilig eine Sucht nach Liebe, eine Begierde nach der sexuellen Lust mitunter, unterstelle. Wein, Weib und Gesang sind zwar die klassischen Genüsse, aber mit dem Begriff des Fetisch wird alles zum potentiellen Objekt des libidinösen Willens. Der Baum am Wegesrand, die Schuhe der galanten Nike, womöglich sogar eine Virtualität wie Warcraft oder perverserweise Tote, Kind und Kegel, alles taugt für den Exzess mit Anhaftungsabo. Ohne Ethos, sei es stoisch strikt oder epikuräisch elegant, droht immer der Wunsch nach und die Wirklichkeit der Wiederholung. Den Psychonauten locken Baudrillards künstliche Paradiese, geschockt durchlebt er Dantes Inferno und verwirrt verlässt er unterdessen Carolls Wunderland ebenso wie Baums Oz und trennt sich von Rabelais Riesen. Was ich damit abschließend und explizit behaupten möchte, wer Trip sucht, der findet ihn überall in der Literatur, denn Fantasie und Rausch, Wonne und Kreativität sind gute alte Freunde.

Euer bilderfolgender und lyrik-alarmierter Gelegenheitsblogger, Satorius

Sommerzwitschern nach der Insel

Auch wenn ich noch nie das Bedürfnis verspürt habe, einen Tweet zu verfassen, noch gar Tweets anderer zu lesen, erlaube ich mir ein kurzes sommerliches Zwitschern, dem jedoch ein kleines Paket an Inhalten an- und nachhängt. Luftig zu beginn, bewegt im Abgang ist also das heutige Motto.

Ich war Camper auf der Ostseeinsel Fehmarn! Jeder hat ja so seine lebenslangen Träume und Projekte; eines meiner Vorhaben: Ich will alle deutschen (Meeres-halb-)Inseln mit Zelt und Fahrrad, wo nötig natürlich auch Auto, besuchen. Bisher sind nicht viele Ziele zu verbuchen: Wangerooge (Klassenfahrt), Rügen (Kurzbesuch), Fischland-Darß-Zingst (2016) und nun also Fehmarn. So viel sei dazu nun also nur eben kurz gezwitschert:

Fehmarn ist eine touristisch gut erschlossene Insel, die bestens zum Campen und befriedigend zum Fahrradfahren einlädt; denn man muss  auf Höhenmeter verzichten können. Ich konnte es einigermaßen und hatte wunderbare 10 Tage auf der Insle, ihren Stränden und vor allem an und in der sie umgebenden Ostsee. Während ganz Deutschland unter der heftigen Hitze litt, ließ ich mich von frischer Seeluft und den Wogen des Meeres erfrischen, laß viel und machten fleißig Yoga. Es war schlicht ein toller Urlaub. Der Ort: Fehmarn im Kreis Ostholstein, ist eine landschaftlich nicht allzu diverse, aber dennoch wunderschöne Insel. Sie bietet neben vielen Ortschaften, die auf „-dorf“ enden, ettliche Campingplätze und viel landwirtschaftlich genutzte Landschaft. Kleine idyllische Dörfer und Höfe im Herzen und wilde Naturstrände drumherum, mit nur wenigen urbanen und hypertouristischen Orten dazwischen laden zum Kennenlernen und Erholen ein. Über enge Landstraßen und staubige Feldweg erreicht man mit dem Fahrrad fast jeden Winkel der Insel, was mir mit knapp 200km Tourenstrecke bis auf ein Areal rund um den wohlklingenden Ort „Gold“ auch gelungen ist beinahe komplett gelungen ist.

Bevor nun aus dem Zwitschern doch wieder ein Gackern wird, schließe ich den Kurzbericht mit zwei neuen Bilderfolgen über und von Fehmarn und verweiße für die Touren und deren Dokumentation auf meinen Account bei Komoot. Damit wird zwar das Netz an Informationen um mich herum engmaschiger, werden die Tentakel, Beine und Augen Legion; aber auch ich füttere gelegentlich gerne die Kraken und Spinnen und Monster im Allgemeinen – guten Appetit damit: Satorius (Link zu meinem Komoot-Benutzer)


Ostseebrandung im Osten von Fehmarn nahe Katharinenhof

Die Markelsdorfer Huk im Nordwesten der Insel

Euch allen einen erholsamen Restsommer und bis bald bei den Wochenendlektüren, Euer Satorius