#MCE9@Platon, Escher und der Klimawandel …

Maurits Cornelis Escher (1898 – 1972), Order and Chaos (1950; Lithografie)




Weit sind sie gekommen die Freunde der Ordnung. Seit Platons Zeiten sind gute 2,5 Jahrtausende vorübergegangen und der Mensch hat seine Ordnung über den ganzen Globus ausgebreitet. Die Menschheit hat dadurch aber ebenfalls ein nicht zu verleugnendes Maß an Unordnung gestiftet. Zumal ist die Weltordnung (historisch plus ökonomisch, politisch, sozial, usw. usf.) im steten Wandel.

Chaos also allenthalben. Erst ist die Ordnung und dann kommt unweigerlich, obsiegt am Ende doch noch das Chaos – „Order and Chaos …“, not „Chaos and Order …“ -, und sie lebten chaotisch bis ans Ende ihres Textes.

Genau das, den kognitiven Primat und damit menschlichen Narzissmus einer vernünftigen Ordnung als Prinzip des Bewusstseins, das sich aber letztlich reflexiv (und jenseits egalitärer Dialektik) der Unordnung der Wirklichkeit, des Nichtwissens über die Welt bewusst wird und schlussendlich so dem Ultimat des Chaos unterwirft, lese ich in #MCE9 herein. Wird doch das Symbol des europäischen Rationalismus schlechthin, die leicht sphärisch-variierten fünf platonischen Körper, von allerlei Profanem und Banalem aus allen Menscheitszeitaltern bedrängt, förmlich eingekreist und belagert; dadurch wird das ordentliche Objekt im Zentrum ästhetisch wie logisch vom (Bild-)Äußeren her in seiner zählbaren Endlichkeit durch eine chaotische Unendlichkeit überfordert.

Interpretation hin oder her, Fakt ist, dass Wissenschaft und Politik nach Platon auch ohne Philosophenkönige viele Erfolge gegen das Chaos errungen haben, nun aber zivilisatorisch aufs neue heraus- und hoffentlich nicht überfordert werden. Nicht irgendein beliebiges, besonderes Objekt, sei es im Detail noch so einzigartig und damit alles andere als platonisch einfach zu abstrahieren, fordert den Glauben an die vernünftige Ordnung der (menschlichen) Dinge heraus, sondern eine komplexe Relation, die ihrerseits zum Gegen-Symbol der Ordnung geworden ist: das chaotische System namens Klima. Dessen konkrete Realisation – das Wetter – vermag auch schon mal einen, zugegeben nicht eben hellen Präseidenten intellektuell zu überfordern. Die globale politische Lösung der hausgemachten Klimaproblematik hingegen würde vermutlich auch einen Platon und all seine imaginierten Philosophenkönige ordentlich ins Schwitzen bringen.

Was würde Platon, was Escher zum Klimawandel, insbesondere zur sich derzeit abzeichnenden zivilisatorischen Ohnmacht, wohl zu sagen haben, welche Ideen und Lösungsansätze würden sie ersinnen? Der Rest ist Schweigen …!

Das alles kann passieren, wenn man mitnächtlich munter anfängt, Kunst zu interpretieren: Das Denken kommt in Bewegung und nimmt Fahrt auf, windet sich in Spiralen und Serpentinen hinauf, hinab und jedenfalls hinfort vom gegebenen Kunstwerk und dessen materieller (oder in unserem Fall: virtueller) Faktiztität. Die mehr oder minder kreative, mehr oder weniger assoziative Fiktion, die am Ende herauskommt, ist nicht beliebig, jedoch ziemlich chaotisch durch die Person und Situation des Rezipienten kompliziert. Denn was Escher im Sinne hatte, als er „… und Chaos“ nach „Ordnung“ titelte oder als er zufällig mit 15 eine ungerade Anzahl an vermeintlichen Chaos-Exempeln um das platonische Zentrum herum gruppierte, ist trivialerweise unbestimmt; aber ebenso auch irrelevant, wie zudem Platons Antworten; denn wir sind es, die Anworten finden können, verantworten müssen.

Kunst ist und bleibt ein Kalleidoskop des Denkens (und natürlich Fühlens). Deshalb freue ich mich derart über die heutige Wiedererweckung des Formates Lichtrausch, dass ich nicht umhin konnte, entgegen meiner bisherigen Devise der interpretatorischen Zurückhaltung, auch mal wild auf ein Werk ein-zu-interpretieren: von Escher zum Klimawandel – immer wieder illuster, wo so ein Spaziergang auf einem der potentiell unendlichen Denkwege durch das mentale Chaos endet!

Euer lichtberauschter, nächtlicher Mental-Flaneur, Satorius

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